Seit 2005 sind das aut und das Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck im Sudhaus des ehemaligen Adambräu beheimatet, das dadurch zu einem „Haus der Architektur“ geworden ist. Nun ist erstmals eine von beiden Einrichtungen gemeinsam konzipierte Ausstellung zu sehen, in deren Mittelpunkt der in München lebende Fotograf, Architekt und Gestalter Klaus Kinold (geb. 1939) steht, der innerhalb der Architekturfotografie der Gegenwart eine besondere Rolle einnimmt.
Klaus Kinold studierte in den 1960er Jahren in Karlsruhe bei Egon Eiermann Architektur. Von jeher an der Fotografie interessiert, hatte er sich autodidaktisch Aufnahme- und Dunkelkammertechnik angeeignet und wurde am Lehrstuhl Rudolf Büchner rasch zum offiziellen „Hausfotografen”, der u. a. Modelle und Bauten seiner Professoren fotografierte. Von seinem Lehrer und Mentor Egon Eiermann lernte er die klare und nüchterne Durchdringung architektonischer Probleme genauso wie die Präzision des Gestaltens, die er in Folge auf seine Fotografien übertrug.
Was seine Arbeit als Architekturfotograf auszeichnet, ist das umfassende Verständnis für ein Bauwerk, das er sich über seine Ausbildung als Architekt erworben hat. Bevor er mit dem Fotografieren beginnt, setzt er sich intensiv mit dem Bauwerk auseinander, eignet sich den Bau in seiner architektonischen Struktur und mit allen Details an und sucht jene Standpunkte, von denen aus das architektonische Konzept am besten erfasst werden kann. Denn ihm geht es darum, ein Bauwerk fotografisch so wiederzugeben, dass die Kernidee des Architekten ersichtlich wird. Im Sinne eines Vermittlers überführt er die Ästhetik, Konstruktion und Materialität eines Gebäudes in – vorzugsweise schwarz-weiße – Bilder von distanzierter Sachlichkeit. Denn so poetisch sein Werk auch sein kann: Klaus Kinold besteht darauf, dass Architekturfotografie ein Bereich der sachlichen Dokumentation ist und nicht der künstlerischen Interpretation. Daher lautet sein Leitsatz „Ich will Architektur zeigen, wie sie ist“.
Im Lauf der Jahrzehnte hat Klaus Kinold zahlreiche Werke bedeutender Architekten für Publikationen fotografiert, u. a. von Alvar Aalto, Tadao Ando, Heinz Bienefeld, Dominikus Böhm, Walter Gropius, Herman Hertzberger, Herzog & de Meuron, Le Corbusier, Richard Meier, Ludwig Mies van der Rohe, Carlo Scarpa, Karljosef Schattner, Álvaro Siza und Peter Zumthor. Er hat vor allem auch die Nachkriegsmoderne in Deutschland dokumentiert und mit seinen Fotografien maßgeblich die Rezeption dieser Bauten mitbestimmt. Daneben war er über viele Jahre Herausgeber und Gestalter mehrerer Periodika wie „KS Neues“, „Bauen in Beton“ und „MODUL“.
Das Archiv für Baukunst bietet einen Einblick in dieses umfassende Schaffen von Klaus Kinold. Gezeigt werden freie Arbeiten, ein Teil der Publikationen, die mit seinen Fotografien illustriert sind, die von ihm gestalteten Periodika sowie Bücher, die für ihn aus konzeptionellen wie gestalterischen Gründen biografisch von Bedeutung sind.
Im Mittelpunkt der Ausstellung im aut stehen zwei Architekten, die in Klaus Kinolds Schaffen eine zentrale Rolle einnehmen: Hans Döllgast und Rudolf Schwarz. Fasziniert von deren materiell zurückhaltender und stark auf den Raum wie die Atmosphäre ausgerichteten Architektur, widmete sich Kinold ab den frühen 1980er Jahren aus Empathie dem Werk dieser beiden „Baumeister der anderen Moderne“, die – entgegen den Vertretern der sogenannten „radikalen Moderne“ – einen zurückhaltenden und in gewissem Sinne einen „konservativen“ Ansatz verfolgten, der vor allem auf die Erfahrung des zerbombten Deutschlands und der damaligen Mangelwirtschaft zurückzuführen ist.
Hans Döllgast (1891 – 1974) studierte Anfang des 20. Jahrhunderts an der Technischen Hochschule in München Architektur und war Mitarbeiter von Richard Riemerschmid und Peter Behrens, die er als seine wichtigsten Lehrmeister betrachtete. Neben einer langjährigen Tätigkeit als Hochschullehrer an der TH München, machte sich Hans Döllgast bereits vor dem Zweiten Weltkrieg durch Kirchenneubauten sowie die Planung der Siedlung Neuhausen in München einen Namen. Er blieb jedoch Zeit seines Lebens ein Außenseiter der modernen Architektur, der sein Werk selbst als „Mischung aus unbestrittener Avantgarde und reservierter Nachhut“ bezeichnete. Seine bedeutendsten Leistungen sind die „schöpferischen Wiederherstellungen“ von kriegszerstörten Bauten in München nach 1945, mit denen er sich in die Architekturgeschichte eingeschrieben hat: die Basilika St. Bonifaz, die großen Friedhöfe und insbesondere die Alte Pinakothek, bei der er mit einfachen Mitteln die Wunden des Krieges am Gebäude so „heilte“, dass die Funktionalität gewährleistet wurde, ohne dass die fatale Geschichte und die Erinnerung daran verloren ging.
Rudolf Schwarz (1897 – 1961), der u. a. bei Hans Poelzig studierte, zählte in der Zwischenkriegszeit zu den kritischen Wegbereitern des Neuen Bauens, war u. a. auch Mitglied im Vorstand des Deutschen Werkbundes. Seit dem Studium galt sein besonderes Interesse dem Kirchenbau. So entwickelte er in den 1930er Jahren typologische Grundlagen für eine liturgische Erneuerung der Kirche, die er 1938 in seinem Buch „Vom Bau der Kirche“ veröffentlichte. Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg plante er in ganz Deutschland zahlreiche Kirchen, räumlich faszinierende und atmosphärische Bauten, die durch ihre Sakralität bestechen und eindrücklich vermitteln, wie „moderne“ Kirchen Emotionen erzeugen können. Daneben war Rudolf Schwarz als Generalplaner für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Köln verantwortlich.
Die Ausstellung bietet einen Einblick in das subtile und heute wieder relevante Werk von Hans Döllgast und Rudolf Schwarz, vermittelt in erster Linie über Fotografien von Klaus Kinold, aber auch über Publikationen von den und über die beiden Architekten sowie über ein Fernsehinterview mit Hans Döllgast. Zur Ausstellung erscheinen im Hirmer Verlag zwei Publikationen mit Fotografien von Klaus Kinold und Texten von Wolfgang Jean Stock: „Hans Döllgast: Schöpferische Wiederherstellung“ und „Rudolf Schwarz: Kirchenbauten“.
in der ausstellung gezeigte projekte
hans döllgast Wiederherstellung der Alten Pinakothek, München, 1946 – 57 Wiederaufbau Basilika St. Bonifaz, München, 1945 – 50 Neugestaltung Alter Südlicher Friedhof, München, 1953 – 55 Umgestaltung Alter Nördlicher Friedhof, München, 1955 Noteindeckung Allerheiligenhofkirche, München, 1971
rudolf schwarz Burg Rothenfels am Main, 1924 – 28 St. Fronleichnam, Aachen, 1929 – 30 St. Anna, Düren, 1951 – 56 Pfarrkirche St. Michael, Frankfurt am Main, 1952 – 56 Heilig Kreuz, Bottrop, 1953 – 57 St. Andreas, Essen-Rüttenscheid, 1954 – 57 St. Christophorus, Köln, 1954 – 59 St. Maria Königin, Saarbrücken, 1954 – 61 St. Antonius, Essen, 1956 – 59 St. Theresia, Linz, 1956 – 62 St. Florian, Wien, 1956 – 63
klaus kinold
geb. 1939 in Essen, lebt in München; 1962 – 68 Studium der Architektur bei Egon Eiermann an der Technischen Hochschule Karlsruhe; 1968 Diplom und Eröffnung eines Ateliers für Architekturfotografie; seit 1969 Herausgeber von Architekturzeitschriften und Büchern; 1987 – 96 Lehrauftrag für Fotografie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
ausstellungen (Auswahl) 1983 Galerie Rudolf Kicken, Köln; 1984 Musei Comunali, Rimini; Spectrum Photogalerie im Sprengel Museum, Hannover; 1985 Portfolio Galerie, Antwerpen; 1988 17. Triennale, Mailand; 1993 Kunsthalle Bielefeld; 1994 Palazzo Reale, Neapel; 1995 Die Neue Sammlung, München; Galerie der Stadt Kornwestheim; 1996 Kunstverein Ingolstadt; 1997 Ausstellungsfoyer Vereinte Versicherungen, München; 1998 Kicken Gallery, Berlin; 1999 Dany Keller Galerie, München; 2001 Haus der Fotografie Hannover; Neues Museum, Nürnberg; 2002 und 2004 Galerie Stefan Vogdt, München; 2009 Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne, München; Galerie der DG, München; 2016 walter storms galerie, München
publikationen (Auswahl) 1993 „Ich will Architektur zeigen, wie sie ist“. Klaus Kinold, Fotograf (Ausst.-Kat., Kunsthalle Bielefeld); 1995 Klaus Kinold. Architektur-Photographie (Ausst.-Kat., Neue Sammlung München, Architekturmuseum der TU München); 1997 Klaus Kinold. Architekturfotografie (Ausst.-Kat., Foyer Vereinte Versicherungen, München); 2003 Wolfgang Jean Stock (Hg.), Karljosef Schattner, Klaus Kinold. Architektur und Fotografie; 2009 Klaus Kinold. Der Architekt photographiert Architektur (Ausst.-Kat., Architekturmuseum der TU München); 2016 Wolfgang Pehnt, Klaus Kinold. Architekturphotographien. Photographs of Architecture; Hans-Michael Koetzle (Hg.), Carlo Scarpa, La Tomba Brion San Vito d‘Altivole (Ausst.-Kat., walter storms galerie, München)
hans döllgast
geb. 1891 in Bergheim (D); 1910 – 14 Studium an der Technischen Hochschule München; 1919 – 22 Mitarbeiter im Architekturbüro von Richard Riemerschmid in Pasing; 1922 – 26 Mitarbeiter von Peter Behrens in dessen Atelier und Meisterklasse in Wien, Berlin und Frankfurt/M.; ab 1927 selbständiger Architekt in München, Wien und Augsburg; ab 1929 Lehraufträge sowie ab 1939 a. o. Professor und ab 1943 ord. Professor an der TH München; 1956 nach Emeritierung Gastvorlesungen an der TU Istanbul; großes Bundesverdienstkreuz; 1958 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste; gestorben am 18. März 1974 in München
bauten (Auswahl) 1928 – 30 St. Joseph, Augsburg-Oberhausen (mit Michael Kurz); 1928 – 31 Künstlerische Oberleitung der GEWOFAG-Siedlung Neuhausen, München (mit Franz Ruf, Sep Ruf und Johannes Ludwig); 1930 – 32 St. Raphael, Hartmannshofen; Pfarrkirche Heilig Blut, München-Bogenhausen; 1934 – 35 St. Heinrich, München; 1935 – 36 St. Peter und Paul, Trudering; 1935 – 39 Volksschule und Kindergarten, Trudering; 1936 Sparkassengebäude, München-Neuhausen und München-Schwabing; 1945 – 50 Wiederherstellung Basilika St. Bonifaz, München; 1946 – 57 Rekonstruktion der Münchner Residenz; 1946 – 57 Wiederherstellung Alte Pinakothek, München; 1953 – 54 Haus Döllgast, München; 1954 Pfarrkirche „Zum Heiligsten Erlöser“, Traunreut; 1953 – 55 Neugestaltung Alter Südlicher Friedhof, München; 1955 Umgestaltung Alter Nördlicher Friedhof, München; 1959 – 60 Gemeindehaus, Marktsteft; 1961 – 63 Evangelische Erlöserkirche mit Pfarrhaus, Landshut; 1963 – 65 Mariä Empfängnis, Passau; 1963 – 66 Neu St. Nikola, Landshut; 1966 Erweiterungsbau der Bayerischen Staatsbibliothek (gem. mit Sep Ruf und Helmut Kirsten); 1967 Katholische Filialkirche Heilig Kreuz, Pfändhausen; 1971 Noteindeckung Allerheiligenhofkirche, München
rudolf schwarz
geb. 1897 in Straßburg; 1914 – 18 Studium der Architektur an der TH Charlottenburg; 1919 Studium der katholischen Theologie, Geschichte und Philosophie in Bonn; 1919 – 23 Ausbildung zum Regierungsbaumeister in Köln; 1923 Promotion an der TH Berlin mit einer Arbeit über „Frühtypen der rheinischen Kleinkirchen“; 1923 – 24 Mitarbeiter bei Hans Poelzig und dessen Meisterschüler im Meisteratelier an der Akademie der Künste in Berlin; 1924 – 40 Burgbaumeister auf Burg Rothenfels am Main; 1925 – 27 Lehrer für Architektur an den Technischen Lehranstalten Offenbach, Ateliergemeinschaft mit Dominikus Böhm; 1927 – 34 Direktor der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen; 1931 – 34 Mitglied im Vorstand des Deutschen Werkbundes; 1938 „Vom Bau der Kirche“; 1946 – 52 Generalplaner der Stadt Köln; 1953 – 61 Professor für Städtebau und Kirchenbau an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf; gestorben am 3. April 1961 in Köln
bauten (Auswahl) 1924 – 28 Burg Rothenfels am Main; 1929 – 30 Soziale Frauenschule, Aachen (gem. mit Hans Schwippert); 1929 – 30 Fronleichnamskirche, Aachen; 1932 St. Albertus Magnus, Kreuzau-Leversbach; 1935 Wohnhaus für Romano Guardini, Berlin-Zehlendorf; 1946 – 50 Kalker Kapelle, Köln-Kalk; 1947 – 48 Wiederaufbau Frankfurter Paulskirche, Frankfurt am Main; 1949 – 51 Wiederaufbau Neu St. Heribert, Köln-Deutz; 1947 – 54 St. Mechtern, Köln-Ehrenfeld; 1951 – 56 St. Anna, Düren; 1952 – 54 St. Maria Königin, Frechen; 1952 – 56 St. Michael, Frankfurt am Main; 1953 – 57 Heilig Kreuz, Bottrop; 1953 – 57 Wallraf-Richartz-Museum, Köln; 1954 St. Albertus Magnus, Andernach; 1954 – 57 St. Andreas, Essen-Rüttenscheid; 1954 – 59 St. Christophorus, Köln; 1954 – 61 St. Maria Königin, Saarbrücken; 1956 – 58 Ateliergebäude Kunstakademie Düsseldorf; 1956 – 59 St. Antonius, Essen; 1956 – 62 St. Theresia, Linz; 1956 – 63 St. Florian, Wien; 1959 – 60 St. Gertrud, Aschaffenburg-Schweinheim; 1960 – 64 St. Pius X., Wuppertal; 1961 St. Bonifatius, Aachen-Forst; 1961 – 64 St. Ludger, Wuppertal-Vohwinkel; 1964 – 65 St. Michael, Berlin-Kreuzberg; 1966 St. Nikolaus von Flüe, Dortmund-Neuasseln
Eine gemeinsam mit dem Archiv für Baukunst konzipierte Ausstellung, die die beiden deutschen Architekten Hans Döllgast (1891 – 1974) und Rudolf Schwarz (1897 – 1961) mit Fotografien von Klaus Kinold (geb. 1939) vorstellt.
Ein Vortrag des Journalisten und Publizisten Wolfgang Jean Stock anlässlich der Präsentation der beiden Publikationen über Hans Döllgast und Rudolf Schwarz.
Die Ausgabe 1/18 der Programmzeitschrift aut: info mit Hintergrundinformationen zur Ausstellung "Klaus Kinold: Hans Döllgast und Rudolf Schwarz. Zwei Baumeister der anderen Moderne" und zum Programm des aut zwischen März 2018 und Juni 2018.
Eine anlässlich der Ausstellung "Klaus: Kinold: Hans Döllgast und Rudolf Schwarz. Zwei Baumeister der anderen Moderne" erschienene Begleitpublikation über den Architekten Hans Döllgast. Preis: Euro 35,00 zuzüglich Versandspesen
Eine anlässlich der Ausstellung "Klaus: Kinold: Hans Döllgast und Rudolf Schwarz. Zwei Baumeister der anderen Moderne" erschienene Begleitpublikation über den Architekten Rudolf Schwarz. Preis: Euro 35,00 zuzüglich Versandspesen
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