"Ich, das Bild, ich öffne die Augen
und die Welt sieht mich." (Remy Zaugg)
Das Werk von Susanna Fritscher begann mit Installationen in der Landschaft, mit weitläufigen Zeichnungen im Raum, die sich mit Perspektive, Horizont, Blickpunkt, der Sicht und deren Verlust auseinandersetzten. Anfang der 1990er Jahre wechselte ihre Arbeit vom Außen- in den Innenraum. Die Frage nach der Wahrnehmung der so genannten „Wirklichkeit“ wurde zentrales Thema, das Fritscher mit malerischen Mitteln bearbeitete, wobei der sensible Umgang mit Raum konzeptioneller Bestandteil blieb. Die Beschäftigung mit Architektur und den vorhandenen Lichtverhältnissen bestimmt die Materialien ihrer Werke: Glas, Acryl, Folien, spiegelnde Metallplatten, durchsichtige Beschichtungen oder Verkleidungen bespielen die Wände, Böden und Decken der Räume. Seit 2009 realisiert sie auch großflächige Videoprojektionen und seit 2010 raumbezogene Vokalwerke.
Die Entwicklung dieser offenen „Malerei“ führte letztlich zu einer Entgrenzung, der gesamte Raum wird zum Bild bzw. die Bildhaftigkeit ausgesetzt. Susanna Fritschers Werk stellt nicht dar, sondern Werk und Raum weisen gegenseitig aufeinander zurück. Dieses „Überblenden“ irritiert die Logik unseres Begreifens und Sehens, lässt den Eindruck von Unschärfe, Vakanz und Leere entstehen.
Aufgrund ihrer intensiven Auseinandersetzung mit Raum und Kontext widmet sich die Künstlerin vermehrt Projekten im öffentlichen Raum und in Architekturen. Seit 2000 entstehen Werke, wie jüngst am Flughafen Wien, in denen Fritscher die eingehend im Atelier erprobten Arbeitsprozesse mit industriellen Herstellungsverfahren verbindet und die sensible malerische Geste mit räumlich komplexen Wirkungen verknüpft; Werke, die weniger über das Betrachten, als über die Bewegung durch den Raum in ihrer Essenz erfassbar sind.
Das Leitsystem für den, von Baumschlager & Eberle geplanten, neuen Terminal des Flughafen Wien-Schwechat entwickelte der Designer Ruedi Baur. Er konzipierte eine von der schwarz-weiß definierten Architektur ausgehende Signaletik, die – meist direkt in den Raum gesetzt – mit Licht- und Schatteneffekten, dem Eindruck von Schweben, Unschärfe und visueller Bewegung spielt.
Diese Bewegung nimmt Susanna Fritscher bei ihrer Gestaltung der Lichthöfe des Piers und der Trennwände der Fluggastbrücken räumlich auf. Durch das Bedrucken der Gläser in feinen, transluzenten Gradierungen und subtilen, farbigen Nuancen „materialisieren“ sich Licht und Luft. Je nach Blickpunkt verändern und überlagern sich diese malerischen Felder, die Reisenden erleben ihr Sichtbarwerden und Vergehen, werden selbst von anderen Reisenden als schattenhaftes, flüchtiges Bild wahrgenommen.
„Wozu taugen solche Versuche, die manche gar für überflüssig halten? Vielleicht vermitteln gerade derartige ,unnütze‘ Details dem Benützer das Gefühl, dass er nicht nur als statistische Größe und potentieller Konsument betrachtet wird, sondern in seiner menschlichen Sensualität einbezogen ist“, umschreibt Ruedi Baur seinen Ansatz, der auch auf Susanna Fritschers Umgang mit der „Leere“ zutrifft. Denn der gestaltete Raum soll „auf den Betrachter blicken“.
susanna fritscher
geb. 1960 in Wien; lebt und arbeitet in Paris – Montreuil (F); Arbeiten im öffentlichen Raum/ Aufträge: 2008 – 12 Werk für das Centre des Archives Nationales, Pierrefitte-sur-Seine, Paris (Architektur: Massimiliano Fuksas); 2006 – 12 Werk für den Pier des Neubaus Flughafen Wien (Architektur: Baumschlager & Eberle); 2004 – 08 Werk für den Cycle d’Orientation de Cayla im Auftrag des Fonds Cantonal d’art contemporain de Genève, Genf (Architektur: LRS architectes); Einladung zu zahlreichen Wettbewerben u. a. 2010 für den Neubau des Spitals in Metz; 2009 für die Bibliothèque de Villetaneuse (mit Beckman & N’Thépé); 2008 Muséographie für den Louvres in Abou Dabi (mit Projectiles, Reza Azard); 2007 für die Universität Graz auf Einladung der Bundesimmobiliengesellschaft Big-Art
publikationen (Auswahl)
Zahlreiche Ausstellungskataloge u. a. 2000 „Mmmmmmm“ mit einem Text von Jean-Luc Nancy, Editions au figuré, Gestaltung: Elisabeth Milon; 2003 Sammelband mit vier Publikationen zu den Ausstellungen des Institut Francais de Vienne (2001), der Galerie Serge Le Borgne, Paris (2001), des Musée Zadkine, Paris (2003) und des Centre d’Art du Crestet, Vaison-la-Romaine (2003), graphische Gestaltung: Ruedi Baur; 2006 „À la limite du visible“ mit einem Text von Antonia Birnbaum, graphische Gestaltung: Ruedi Baur; für Frühjahr 2012 ist im Verlag Springer eine Monographie geplant, mit Texten von Philippe-Alain Michaud (Kurator Centre Georges Pompidou, Paris), Hugues Fontenas (Architekt, Paris) und Sabine Folie (Generali Foundation, Wien), graphische Gestaltung: Ruedi Baur
ausstellungen (Auswahl)
Einzelausstellungen u. a. 2009 „Arbeiten in der Architektur“, Architektursommer Hamburg; 2006 „Art Statement“, Art 37 Basel; 2005 Galerie Cent8 – serge le borgne, Paris; 2004 Centre d’art contemporain Bouvet Ladubay, Saumur (F); 2003 „Invitation à l’atelier“, Musée Zadkine, Paris; Le Crestet Centre d’art, Vaison-la-Romaine (F); La Verrière (Hermès), Brüssel; 2002 Galerie Blancpain-Stepczynski, Genf; 2001 Institut Français de Vienne, Wien; 1994 Galerie Edouard Manet, Centre d’art municipal de Gennevilliers (F); 1993 Les Usines Ephémères, Méru (F)
Zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen u. a. 2011 „Le Moins du monde“, Frac Lorraine, Metz; „L’art dans les Chapelles“, Chapelle de Sainte-Tréphine, Pontivy (F); 2010 „À l’ombre d’un doute“ Fond régional d’art contemporain de Lorraine, Metz; 2009 FIAC 09 – Grand Palais, Galerie Serge Le Borgne, Paris; 2008 „+ de réalité“, le Hangar à Bananes, Nantes; 2007 „Carte blanche à la galerie Cent8 – serge le borgne“, Galerie du Cloître, Ecole des Beaux-Arts, Rennes; 2006 „Spektrum – Kunst der Moderne“, Niederösterreichisches Landesmuseum, St. Pölten; „Il riflesso, il dubbio, la minaccia“, Villa Costantino, Alghero, Sassari (I); 2005 „Le reflet, le doute, la menace“, FRAC Corse, Couvent de Morsiglia, Morsiglia (F); „Cosmique City Bled“, Atelier du Musée Zadkine, Paris; 2001 „Pittura austriae, Positionen aus Österreich“, Kunstforum beim Rathaus, Hallein; 2000 „Die Desorientierung des Blicks“, Museum de Beyerd, Breda (NL); „Pittura austriae – Positionen aus Österreich“, Galerie Elisabeth und Klaus Thoman, Innsbruck; 1998 „Vu et Approuvé“, Paris; 1994 „Le legs Caillebotte“, Centre d’art de Gennevilliers, Paris
"Überschattung" – Eine Ausstellung mit freundlicher Unterstützung von pixel Beschriftungen, sto GmbH sowie Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung