Franco Clivio: No Name Design + Manifolds | Numen / For Use: Negative Space and Collapsing Room
eröffnungEröffnung der drei, zeitgleich im aut gezeigten Ausstellungen mit Franco Clvio und Christoph Katzler (Numen / For Use).
weiterlesen …„Eine wunderbare Aussage von Picasso lautet ,Ich suche nicht, ich finde‘. Das Zusammenspiel von Sehen und Denken macht eigentlich das Finden aus. Ich finde und denke, und das ist die Grundlage der von mir zusammengetragenen Gegenstände.“ (Franco Clivio)
Der Schweizer Produktgestalter Franco Clivio ist seit Jahrzehnten Suchender und Sammler. Seine Leidenschaft gilt dabei dem Gewöhnlichen, den scheinbar ungestalteten Alltagsgegenständen, die er beim Durchstöbern von Flohmärkten, Trödelläden und Geschäften findet: Klappmesser, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise öffnen lassen, Hämmer, deren Urform je nach Zweck variiert, Greifwerkzeuge, Messinstrumente, Scheren und Brillengestelle, Rührgeräte, Bürsten und Stricknadeln, Haken, Kleiderbügel, Knöpfe und Klemmen. Er ist fasziniert von der Vielfalt an gestalterischen Lösungen, die sich in diesen meist anonymen Designs zeigt, von den unzähligen möglichen Verarbeitungen ein und desselben Materials und der menschlichen Erfindungsgabe, die sich immer wieder aufs Neue offenbart. Über die Jahre ist so eine umfassende Sammlung an Fundstücken entstanden, deren gemeinsamer Nenner die raffinierte gestalterische Qualität ist, die weniger auf der guten Form, als vielmehr auf einer Besonderheit von Funktion, Material und Konstruktion beruht.
Auf die Frage, wie lange er schon Gegenstände zusammentrage, meint Franco Clivio: „Seit ich Hosentaschen habe“. Schon als Kind begeisterten ihn dabei vor allem Dinge, bei denen sich einzelne Teile ineinanderschieben, klappen oder falten lassen und spätestens seitdem er als 14-Jähriger ein Taschenmesser mit einem versteckten Öffnungsmechanismus geschenkt bekommen hat, war seine Neugier für das technische Detail geweckt. Verstärkt wurde diese Passion, als er Mitte der 1960er Jahre an der damaligen Hochschule für Gestaltung in Ulm – der Nachfolgerin des Bauhauses – Produktgestaltung studierte. Hier traf er auf Lehrende, die ihn motivierten, nicht einfach vorgegebene Wege zu gehen, sondern den Dingen und ihrer Funktionsweise auf den Grund zu gehen – eine Vorgehensweise, die er selbst später als Dozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich seinen Studierenden weitergab. Denn gute Gestaltung beginnt für Franco Clivio mit dem genauen Hinsehen und Hinterfragen, mit der richtigen Interpretation der Problemstellung, die dann auf ein möglichst einfaches und vor allem richtiges Ergebnis abzielt, das Faktoren wie Material, Handhabung und die Schnittstelle Mensch-Maschine berücksichtigt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass seine eigenen Designs – darunter das Gardena System für Gartengeräte, der „pico“-Kugelschreiber von Lamy oder Strahler und Leuchten für Erco – so selbstverständlich erscheinen, dass man gar nicht auf die Idee kommt, nach dem Namen des Gestalters zu fragen.
Bezeichnend ist auch, dass Franco Clivio mit seinen Studierenden nicht etwa die Mailänder Möbelmesse besuchte, sondern Handwerkerläden, Flohmärkte oder Autoschrottplätze. Insbesondere dort sollten sie eine Ahnung davon bekommen, aus wie vielen Teilen ein Auto zusammengesetzt ist und in welchem Zusammenhang Einzelteile, Schweißnähte und Verbindungen verschiedenster Art zum Ganzen stehen. Besteht doch die Qualität eines Produktes ganz wesentlich darin, wie einzelne Teile mechanisch verbunden sind, eine Tatsache, die auch Charles Eames zum Ausdruck brachte, indem er seine Arbeit „Connection“ nannte. Eames ist es auch, den Franco Clivio neben Achille Castiglioni zu seinen großen Vorbildern im Gestalten und Denken zählt und mit denen er die Leidenschaft für anonyme Produkte teilt.
Aus der umfangreichen Sammlung, die der inzwischen über 80-jährige im Laufe seines Lebens auf der ganzen Welt zusammengetragen hat, ist 2009 das Buch „Verborgene Gestaltung“ hervorgegangen, für das Franco Clivio in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Hans Hansen und dem Grafiker Pierre Mendell seine Fundstücke so strukturiert und zu sinnlich-poetischen Bildern arrangiert hat, dass auch andere die Geschichten verstehen können, die ihm diese Dinge erzählen.
Basierend darauf präsentiert die Ausstellung „No Name Design“ in einer Art enzyklopädischer „Wunderkammer“ über 1.000 Alltagsgegenstände geordnet nach Funktionen, Typologien, Materialien und formalen Kriterien. Zudem veranschaulichen kurze Fotosequenzen die Funktionsweise und die Fähigkeiten einiger ausgewählter Gegenstände und ein Filmporträt gibt Einblick in Franco Clivios Denken. Insgesamt ist die Ausstellung auch eine Einladung an die Besucher*innen, selbst die Augen zu öffnen, die versteckte Schönheit des Gewöhnlichen zu entdecken und all die kleinen Dinge und cleveren Ideen, die unseren Alltag bereichern, im konkreten und übertragenen Sinn zu be-greifen.
franco clivio
geb. 1942 in Mailand; lebt in Zürich; 1963 – 68 Studium und Diplom an der Hochschule für Gestaltung Ulm; ab 1968 freischaffender Produktgestalter für Unternehmen wie ERCO, Fsb, Gardena, LAMY, Rodenstock und Siemens; 1980 – 2002 Dozent und später Leiter des Studienbereichs Industrial Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst, Zürich; 2003 – 11 Dozent an der IUAV, Venedig; Gastdozent an zahlreichen Hochschulen in Deutschland, Finnland, Italien und den USA; Auszeichnungen u. a. Eidgenössischer Preis für Design; Designpreis der Bundesrepublik Deutschland
ausstellung „no name design“
2013 Gewerbemuseum, Winterthur; 2013/14 MUDAC, Lausanne; 2014 Triennale Design Museum, Mailand; 2015 Werkraum Bregenzerwald, Andelsbuch; 2015/16 Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg; 2016 TU Delft; 2016 Deutsches Museum, München; 2016/17 Gelbes Haus, Flims; 2023 Hochschule für Gestaltung, Ulm
www.nonamedesign.ch
verborgene gestaltung
dinge sehen und begreifen
Ein Buch von Franco Clivio mit Fotografien von Hans Hansen
gestaltung Pierre Mendell, Annette Kröger
textbeiträge von Franco Clivio, Peter von Kornatzki, Gerrit Terstiege, Tomás Maldonado
Schriften zur Gestaltung, Züricher Hochschule für Künste, herausgegeben von Hans-Peter Schwarz, Jacqueline Otten, Ralf Michel
erschienen 2009 im Birkhäuser Verlag Basel • Boston • Berlin
vergriffen
leporello „no name design“
Ein 7-teiliges Leporello von Franco Clivio mit Fotografien von Hans Hansen
erschienen 2014 im Eigenverlag
eur 45,– (dt.) bzw. 40,– (engl.)
Eine Ausstellung mit freundlicher Unterstützung von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung und Sarah Maier collection
Eröffnung der drei, zeitgleich im aut gezeigten Ausstellungen mit Franco Clvio und Christoph Katzler (Numen / For Use).
weiterlesen …Führung durch Franco Clivios Sammlung von mehr als 1.000 auf den ersten Blick unscheinbaren Gegenständen und Ausklang mit Apero.
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