reinhart morscher (1938 - 2004): UND
eröffnungAusstellungseröffnung im Rahmen der Eröffnung der Premierentage 2006
weiterlesen …„Werben heißt die Aufmerksamkeit auf ein Ding lenken.“
(Kurt Schwitters)
Der in Vorarlberg geborene und bis 2004 in Bern lebende Künstler, Lehrer, Grafiker und Typograf Reinhart Morscher realisierte seit den 1970er Jahren zahlreiche Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Architektur und Typografie. 2003 arbeitete er in einer Expertengruppe an der Umbenennung und Neupositionierung von aut mit.
Basierend auf seinem umfangreichen Nachlass, der seit zwei Jahren von Cornelius Morscher, Marianne Diethelm und Gregory Vines aufgearbeitet wird, zeigt die Retrospektive im aut erstmalig Morschers vielschichtiges Werk, das von klassischen Gestaltungsaufgaben im Bereich des Corporate Design, über Plakate und Orientierungssysteme bis hin zu Bild-Wort-Ton-Installationen im öffentlichen Raum sowie freien künstlerischen Arbeiten reicht.
roland jörg zu reinhart morscher: zu.
„Ein Trauerfall im Mai 2004. Bis hier her und nicht weiter, wäre ein Satz aus seinem Repertoire gewesen, typisch hätte ich gesagt, und nochmals – typisch. Ein Satz, der es schließlich mit ihm ernst gemeint hat. Mit ihm selbst. Und, werden Sie jetzt fragen, was heißt und. Und es geht weiter zum Beispiel. Mit Fallen und Fällen aus der Werkstatt eines Gestalters und Kunstschaffenden, dessen Haltung trotz zahlreicher Facetten erst in der Gesamtschau eines abgeschlossenen Lebenswerkes beispielgebend auffällt. Er, der sich nie auf eines konzentriert hat, aber immer auf das eine, war scheinbar immer nur von einer Seite aus erkennbar. Wer Mitte der 1950er Jahre dem österreichischen Nachkriegsmief entkommen wollte, machte sich über die Berge. Vor allem von der Alpenstadt Bludenz aus. Möglich, dass die Schweiz, insbesondere die Westschweiz, einen anderen Horizont verhieß. Diese Fluchtbewegung war richtungsweisend. Es war die Zeit, in der die ersten Schnitte der Helvetica entwickelt wurden und selbst bei der berühmten Schokoladeschnitte konnte man sich darauf verlassen, dass sie ihre Dreieckform über Jahrzehnte beibehalten sollte. In Basel begab sich Reinhart Morscher in das Spannungsfeld der Ausbildung: hier das Kunstgewerbe und dort die Kunst und Kunstgeschichte. Dieses Feld sollte er sein Leben lang nicht mehr verlassen. Rund zehn Jahre nach Kurt Schwitters Tod, einer der ersten, der das Neben- und Miteinander der Disziplinen zwischen Kunst und Werbung gewagt hatte, setzte Reinhart Morscher den Weg fort, der dem herkömmlichen Verständnis der Künstlerrolle – auch heute noch weitgehend – widerspricht. Als Künstler hatte er keine Berührungsängste mit dem angewandten grafischen Bereich. Als grafischer Gestalter suchte er die Herausforderung immer auch mit den Augen eines Kunstschaffenden. Und als Lehrer für Semiotik und verbale Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung in Basel verband er möglicherweise beide Naturen. Doch es ist zu bezweifeln, dass alle Bereiche überhaupt je einen Widerspruch für ihn bedeutet hätten. Denn aus allen Arbeiten ist Widerstandsgeist herauszulesen: ein sich ständiges Widersetzen dem bürgerlichen Idealbild vom Künstlerdasein in seinem absoluten Anspruch nach Pathos und Ausschließlichkeit. Entweder, und und oder, könnte sein Motto geheißen haben. Seine Arbeiten machen Eindruck, auch wenn sein Werk selbst in der Schweiz bislang nur trancheartig wahrgenommen wurde. Wenn nun die zentralen Aspekte seiner Arbeit in den unterschiedlichsten Medien und Anwendungsbereichen – als Text-bilder, als Ton-bilder, als Leit-bilder, als appellative Zeichen-bilder im öffentlichen Raum, als Kunst-am-Bau-bilder oder eben als Kunst-bilder in einem Ausstellungsraum – in einer Gesamtschau präsentiert werden, machen sie auch einen geschlossenen Eindruck. Sie bestechen in ihrer Klarheit und – im positiven Sinn – in ihrer Abgeklärtheit. Die Durchgängigkeit seiner Arbeit lässt sich womöglich am besten verankern mit drei Begriffen: Verortung, Markierung, Brechung. Die Art seines Todes, ein plötzlicher Herzstillstand auf einer Zugfahrt irgendwo im Niemandsland zwischen Zürich und St. Gallen, scheint sich wie ein Umkehrschluss auf sein Leben und sein Werk deuten zu lassen: So war das nicht geplant.“
Eine Ausstellung kuratiert von Marianne Diethelm, Gregory Vines und Cornelius Morscher
reinhart morscher (1938 – 2004)
geb. 1938 in Bludenz
1957 – 63 Vorkurs und Fachklasse für Grafik an der Schule für Gestaltung Basel
1963 – 66 Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Basel (nicht abgeschlossen)
1966 – 70 Grafiker, Art Director und Creative Director in zwei Basler Werbeagenturen
1970 – 73 Grafiker, Art Director und Creative Director in der Berner Werbeagentur h/j
1974 – 2004 Eigenes Atelier in Bern; 2004 gestorben
arbeitsbereiche Gestaltung (CI/CD, Plakate, Orientierungssysteme); Kunst am Bau und im öffentlichen Raum (Bild-Wort-Ton-Installationen); Ausstellungsgestaltung; Beratungs- und Jurytätigkeit für Bund, Kantone, Gemeinden und kulturelle Institutionen in der Schweiz; Lehrtätigkeit und Vorträge im In- und Ausland; Zahlreiche Preise und Auszeichnungen; Arbeiten u. a. für Atu Prix (Preis für Architektur, Technik und Umwelt), Bally International, Bäre Abi, Bartenbach Lichtlabor Innsbruck, Bernmobil, Biella-Neher AG, Bigla Büromöbel, Design Center Langenthal, Kunstmuseum Bern, Kunstmuseum Winterthur, Schweizerischer Musikrat, Schweizerische Bundeskanzlei (Guichet virtuel), Schweizerischer
Verkehrssicherheitsrat, Stadt und Kanton Bern, Universität Salzburg, Zeitschrift Werk/oeuvre (heute: werk, bauen+wohnen)
lehrtätigkeit (Auswahl)
1968 – 69 Lehrer an der AGS Basel, Fachbereich Zeichnen
1982 – 84 SfG Basel (Innenarchitektur Produkt- und Baugestaltung)
1984 – 98 Höhere Schule für Gestaltung HfG Basel (Visuelle Kommunikation)
1988 – 89 SfG Basel (Fachbereich Werbung und Kommunikation
für Typografische Gestalter)
1998 Konzeption u. Vorbereitung des Lehrgangs Intermedia an
der Fachhochschule Vorarlberg
Ausstellungseröffnung im Rahmen der Eröffnung der Premierentage 2006
weiterlesen …Im Rahmen der Ausstellung "reinhart morscher (1938 - 2004): UND" präsentiert Roland Jörg präsentiert in seinem Vortrag eine sehr persönliche Auswahl Morschers vielseitigem Schaffen.
weiterlesen …Die Ausgabe 1/07 der Programmzeitschrift aut: info mit Hintergrundinformationen zu vier Ausstellungen sowie zum Programm des aut zwischen November 2006 und März 2007.
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