geometrien des lebens: materialien zu viktor hufnagl (1922 – 2007)
ausstellungEine Ausstellung der ÖGFA, die anhand exemplarischer Werke zentrale Aspekte im Schaffen des österreichischen Architekten Viktor Hufnagl beleuchtet.
weiterlesen …Quelle: „Viktor Hufnagl. Bauten und Projekte 1950 – 2001“, Wien 2001
schöne, hässliche umwelt
Eine rasche Folge von Erlebnissen, eine schöne, hässliche Umwelt: bauliche Details, Häuser wie Unrat verstreut in einer zersiedelten Landschaft, die Großräume ohne Ordnung, die Natur vergewaltigt, die Einordnung der künstlichen Umwelt in die Landschaft ohne Harmonie, zusammenhängende Landschaftsräume für den Autoverkehr geopfert. Brücken nur zweckmäßig, scheinbar wirtschaftlich, ohne Gesicht. Trafostationen, ein Chaos von Masten und Hochspannungsleitungen; landwirtschaftliche Silos wetteifern mit Kirchtürmen; Plätze mit Autoblechlawinen. Hochhäuser als Spekulationsobjekte, die hemmungslose Inflation von optischer Werbung; Banken und Tankstellen sind zum Statussymbol der Bebauung geworden; das freistehende Einfamilienhaus die Folge des nur Besitzdenkens.
Wir müssen uns ändern, um die Umwelt zu verändern.
städtebau und architektur
Wir erleben Räume in unseren unterirdischen Bahnen wie Maulwürfe, Ansichten von Hochhäusern wie Frösche. Silhouetten und Dachformationen wie fliegende Vögel.
Die Stadt ist gestalteter Raum zwischen Häusern.
Der Raum zwischen den Häusern muss mit derselben Sorgfalt gestaltet werden, mit der wir alle unsere Innenräume schaffen.
der hof
Die Höfe als städtische Außenräume, für differenzierte Hofgemeinschaften, als Oasen der Stille gegen Straßen und Verkehrslärm abgeschirmt, als Spielräume für Kinder, als Ruhe- und Erholungszonen, als Park, als Gärten mit Bäumen, ziehen sich durch die gesamte Wiener Baugeschichte und führten zu einer kontinuierlichen Kette von der Renaissance zum Barock, über die Wohnhöfe des Biedermeier, die Höfe des klassischen sozialen Wohnbaues der zwanziger und dreißiger Jahre bis zur Wiederentdeckung in der Gegenwart. Die klassischen Wiener Innenhöfe, die nach einem Erschließungssystem als „Pawlatschen“ oder als „Arkadenhof“ gebaut werden, sollten uns auch heute zu neuer Interpretation inspirieren.
das soziale und das schöne
Nicht der ‚Einzige und sein Eigentum‘ als absurder schrankenloser Individualismus noch die Herrschaft des Staates oder die Diktatur einer Klasse sind imstande, soziales Gleichgewicht zu bewirken. Weder Kunst als Selbstzweck noch die triviale Befriedigung durch „Bauen“ sind imstande, bleibende Architektur zu erreichen.
Maßstab für alle Architektur kann nur das Leben sein.
paradiese der einmaligkeit
Unsere Raumprogramme entsprechen oft gedankenlosen Klischees. Unsere Wohneinheiten sind geprägt von den Raumzellen Wohnraum und Schlafzimmer. Wir nehmen uns die Zeit nicht mehr, über den Sinn des Wohnens als lebensformendes Domizil, als Raum für Glück, Gesundheit, Lebensfreude nachzudenken. (…) Die Wohnung hinter der Wohnungstür sollte das Paradies der Einmaligkeit, der Selbstdarstellung und der Persönlichkeitsentfaltung sein.
Quelle: „Friedrich Achleitner: Wie entwirft man einen Architekten? Porträts von Aalto bis Zumthor“, Park Books, Zürich 2o15
Viktor Hufnagl nimmt im großen Spektrum der Clemens-Holzmeister-Schüler eine Sonderstellung ein. Geboren als Sohn eines Holzknechts im Salzkammergut, und zeitlebens in einem freundschaftlichen Konkurrenz– und Spannungsverhältnis zu Johannes Spalt, hatte er einen radikal anderen Zugang zur Architektur und zu den Problemen des Bauens. Von Natur aus ein Kontakt– und Diskussionsmensch, der sein soziales und politisches Engagement sozusagen permanent „zur Rede“ stellt, kommunikativ und offen, reformistisch und gründungsfreudig (etwa die Österreichische Gesellschaft für Architektur), hat Viktor Hufnagl durch seine fast fünfzigjährige Berufslaufbahn hindurch die Architektur weniger an ästhetischen, als an programmatischen, typologischen und gesellschaftlichen Fragen orientiert.
Wenn auch das Werksverzeichnis Arbeiten von der Brücke bis zur Kirche aufweist, so ist das Lebenswerk Viktor Hufnagls doch von zwei Bereichen geprägt, die beide zentral mit der Alltagskultur und der Lebensform des Menschen zu tun haben, mit der Ausbildung und seinem Lebensraum. Beide Bereiche fordern ein hohes humanistisches Engagement, aber auch eine Offenheit den Problemen des Lebens gegenüber. Der Architektur wird eine dienende Rolle zugewiesen. Sie tritt weder im Smoking noch im Trachtenanzug auf, auch nicht provokant im Overall. Viktor Hufnagls Architektur ist überhaupt nicht „eingekleidet“, sie trägt „Angemessenheit“, formales Pathos ist nicht seine Sache, eher noch ein Augenzwinkern. Ein Holzmeister–Schüler auf „Abwegen“, die aber alle ins Leben führen.
Eine Ausstellung der ÖGFA, die anhand exemplarischer Werke zentrale Aspekte im Schaffen des österreichischen Architekten Viktor Hufnagl beleuchtet.
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