ivona jelčić: bedeutsame belanglosigkeiten
Der Titel dieser Kolumne ist nur ausgeliehen, er gehört zu einem Buch des Architekturtheoretikers und -historikers Vittorio Magnago Lampugnani, der sich in „Bedeutsame Belanglosigkeiten“1 mit jenen kleinen Dingen im Stadtraum beschäftigt, die oft als nebensächlich abgetan werden, den Charakter einer Stadt aber entscheidend mitbestimmen. Gullydeckel und Poller, Abfalleimer und Brunnen, öffentliche Toiletten, Wartehäuschen, Telefonzellen, natürlich auch Bänke und andere Stadtmöbel gehören dazu. Diese Elemente, Objekte und Mikroarchitekturen entstehen aus einer praktischen Notwendigkeit heraus, bei deren Erfüllung Eigentumsrechte, Baugesetze, hygienische Bestimmungen und anderes mehr eine Rolle spielen. „Jedes kleine Objekt des Stadtraums“, schreibt Lampugnani, „ist ein Ort, wo konkrete Bedürfnisse zu einer materialisierten Form finden“, die wiederum den Stadtraum „ergänzen oder verstellen, verschönern oder verunstalten“ könne.
Bleiben wir diesem Leitgedanken folgend in Innsbruck und bei der Stadtmöblierungsoffensive, die hier jüngst zu beobachten war, dann fällt in Bezug auf Form und Ort einiges auf. In der Gilmstraße zwischen BTV und Café Central laden seit dem vergangenen Sommer runde Pflanz-tröge mit umlaufenden Sitzbänken zum Verweilen ein. Ursprünglich waren drei, bald aber nur noch zwei dieser mobilen Grüninseln aufgestellt. Wie man hört, soll die BTV, die über ein vertraglich verbrieftes Mitspracherecht bei der Gestaltung des Vorplatzes verfügt, nicht glücklich mit dessen Möblierung gewesen sein. Ein kolportiertes Schlagwort hierzu lautet „Diskretionszone“, was so viel bedeutet wie: Nicht jeder und jede x-beliebige Dasitzer*in soll beobachten können, wer im Geldinstitut ein- und ausgeht, weshalb eine zu nahe Platzierung am Bank-Eingang unerwünscht ist.
Das wirft ein interessantes Schlaglicht auf die Frage, wie öffentlich der so genannte öffentliche Raum eigentlich ist und wo sich hinter vermeintlich öffentlichen Räumen für die Öffentlichkeit oftmals nur schwer durchschaubare Besitzstrukturen verbergen.
Für Missfallen soll aber – und das ist ein nicht minder betrachtungswürdiger Aspekt – auch die Form gesorgt haben. Genauer gesagt: Es geht um die Frage des Designs. Und diesbezüglich stellen oben erwähnte Sitzgelegenheiten leider nicht gerade ein Highlight dar, sondern wirken in ihrer biederen Behäbigkeit eher so, als würden sie aus einem Katalog für Stadtmöbel-Stangenware stammen.
So eine Stadtmöblierung von der Stange mag billiger und bequemer zu organisieren sein, als der Weg über einen Gestaltungs- oder Architekturwettbewerb, eine qualitative Bereicherung des öffentlichen Raumes wird daraus aus urbanistischer Sicht aber in den selteneren Fällen.
Übrigens gibt es seit 2021 auch einen vom Land Tirol herausgegebenen „Gestaltungsleitfaden für Stadtmöblierung“. Unter dem Punkt „Sitzbänke und Sitzmöglichkeiten“ wird darin „überlegtes und qualitätvolles Neugestalten“ empfohlen.
Zum Schluss noch ein Schauplatzwechsel zum neuen Innsbrucker Messe-Park: Auch hier fällt das Mobiliar durch gestalterische Belanglosigkeit auf – oder eben nicht auf –, die betrüblich ist. Denn eigentlich ist hier durchaus Bedeutsames gelungen: Weniger Verkehrsraum, mehr Stadtleben. Man kann sich schon jetzt kaum mehr vorstellen, dass es bis vor kurzem genau umgekehrt war.
1 Vittorio Magnano Lampugnani: Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum, Wagenbach 2019
Text: Ivona Jelčić, aus aut: info 2/23