ivona jelcic: gäste und gärten
Eine Veranstaltung, die Innsbruck neuerdings regelmäßig heimsucht, nennt sich „European Street Food Festival“. Auf einem abgegrenzten Freiluftareal, das jedenfalls keine Straße ist, versammeln sich verschiedene Exemplare einer amerikanischen Erfindung namens Food-Truck, die als eine Art fahrende Küche Kulinarisches unter die Leute bringt – was an sich keine unsympathische Idee ist, bis sie zum Event ausgebaut wurde. Bei den ersten Ausgaben des Festivals musste man zunächst Eintrittsgeld bezahlen, um sich auf dem Gelände für weiteres Geld verköstigen zu dürfen. Mit der Street-Food-Idee hat auch die lieblose Gestaltung solcher Märkte kaum mehr etwas zu tun, dafür umso mehr mit der Kapitalisierung von Raum. Und die schreitet munter voran, auch weil Freizeitkultur längst gleichbedeutend mit Konsumkultur ist. Man darf es trotzdem gut finden, wenn die Innenstadt in den Sommermonaten zu einem riesigen Gastgarten wird. Zumal sich Innsbruck lange genug eher schwer damit getan hat, eine urbane Freiluftkultur zu entwickeln.
Allerdings braucht es neben den immer größer werdenden Konsumzonen auch davon unbesetzte öffentliche Räume. Letztere haben immerhin die Parks und Grünanlagen zu bieten, umso mehr, seit auch bis zur Bundesgärten-Verwaltung durchgesickert ist, dass das feudalistische Prinzip nicht mehr so recht in die demokratischen Strukturen des dritten Jahrtausends passt: Seit 2014 dürfen daher die Rasenflächen im Innsbrucker Hofgarten vom gemeinen Volk betreten und als Liegewiesen benutzt werden. Und siehe da: Trotz der Anwesenheit von Menschen ist seither nichts über gröbere Beeinträchtigungen des historischen Gartendenkmals bekannt geworden. Dafür stellt sich ausgerechnet angesichts der einzigen gastronomischen Einrichtung im Park die Frage, warum sich behördliche Regulierungswut mitunter lieber auf die Nutzer von öffentlichem Raum als auf dessen Gestaltung konzentriert. Das von Clemens Holzmeister 1924 errichtete und durch zahlreiche Umbauten ohnehin schon arg ramponierte Hofgartencafé, das seit Jahren hauptsächlich als Nachtlokal betrieben wird, ist zuletzt hinter wuchernden Ausschankhütten, Holzverschlägen und Metallabsperrungen fast gänzlich verschwunden. Was dem Denkmalamt zwar missfällt, angesichts komplizierter Eigentumsverhältnisse – es handelt sich beim Hofgartencafé um ein Superädifikat (1) auf Bundesgrund –, aber offenbar als unabänderliches Übel betrachtet wird.
Ebenfalls kompliziert gelagert, nämlich auf Bundesgärten, Burghauptmannschaft und Kunsthistorisches Museum verteilt, sind die Verwaltungsstrukturen in Schloss Ambras, was sich auch auf das gastronomische Angebot ausgewirkt hat – allerdings im räumlichen Sinn. Als die Burghauptmannschaft vor wenigen Jahren das Restaurant im Unterschloss zusperrte und auch kein Interesse an einer Wiedereröffnung erkennen ließ, musste sich das Museum selbst um Ersatz kümmern. Allerdings durfte es diesen – siehe Verwaltungsstrukturen – nur im eigenen Wirkungsbereich planen, also nicht mehr dort, wo früher auch ein Gastgarten mit Blick auf Schloss und Park vorhanden war, sondern völlig abgeschieden von den Blicken der SpaziergängerInnen und TouristInnen oben im Hochschloss – immerhin mit kleinem Außenbereich im schönen Innenhof mit seinen Grisaille-Malereien. Wer im Park aktuell nach einer Labungsstation sucht, dürfte eher bei dem kleinen Kiosk hängenbleiben, der dort zumindest noch im Sommer anzutreffen war. Es muss ja nicht gleich ein Food-Truck sein.
(1) Superädifikat: Bauwerk, das auf einem fremden Grundstück errichtet wurde, mit der Absicht, dass es „nicht stets darauf bleiben“ soll (§ 435 ABGB). Eigentum am Bauwerk und Eigentum am Grundstück liegen also nicht in gleicher Hand.
ivona jelcic
geb. 1975; schreibt als Kulturjournalistin über bildende Kunst, Architektur und Kulturpolitik; studierte Komparatistik und Romanistik an der Universität Innsbruck; von 2008 bis 2017 Leiterin des Kulturressorts der Tiroler Tageszeitung