ivona jelčić: entrepreneurship in sieben kapellen
In schöner Regelmäßigkeit tönt der Ruf nach „Rückgabe des Habsburgervermögens“ durch Tirol – und manchmal auch durch andere Bundesländer. Es geht um die ehemaligen Krongüter, die nach dem Zerfall der Monarchie in die Verwaltung des Staates übernommen wurden. Dazu zählen Residenzen und Schlösser wie Schönbrunn, die Wiener und die Innsbrucker Hofburg, Schloss Ambras, die Salzburger Residenz, die heutigen „Bundesgärten“, aber auch Wälder und Ländereien. Vermögenswerte also, die im Besitz der Republik stehen, und aus denen zum Teil auch Erträge erwirtschaftet werden, von denen Tirol aber „nichts hat“, wie es oft heißt, wenn die Rückgabe-Forderung auftaucht.
Sie klingt für mich immer unangenehm populistisch und nach Föderalismuskeule, zumal stets nur die „entgangenen Erträge“, aber kaum je die Kosten für die Erhaltung etwa von historischen Gebäuden zur Sprache kommen. Und wenn es um Schloss Ambras geht, das zum Verbund des Kunsthistorischen Museums gehört, muss man sich fragen, ob es klug wäre, ein weiteres Museum in die Verwaltung des Landes zu übernehmen, wo die Landesmuseen doch schon genug Probleme haben.
Andererseits kann es tatsächlich problematisch sein, wenn „aus der Ferne“ verwaltete Liegenschaften, besonders innerstädtische, zum Dornröschenschlaf verdammt sind, weil es niemanden so recht kümmert, was damit passiert und welche Rolle sie in der Stadtentwicklung spielen könnten. Das Siebenkapellenareal in Innsbruck ist ein gutes Beispiel dafür. Es wird von der Burghauptmannschaft verwaltet, steht im Besitz der Republik und seit Jahrzehnten leer.
Die Innsbrucker Siebenkapellenkirche (auch Siebenkreuzkapelle genannt), 1676 – 1678 nach Plänen von Johann Martin Gumpp d. Ä. errichtet, stellt mit ihrem trapezförmigen Grundriss und den an den Längsseiten heraustretenden Kapellen einen außergewöhnlichen Barockbau dar. Das sich zum Chor hin verjüngende Tonnengewölbe ist leider nicht erhalten geblieben, der Bau hat Zeiten jämmerlicher Verwahrlosung erlebt, heute steht er unter Denkmalschutz. Die Kirche wurde 1785 unter Joseph II. säkularisiert, diente als Militär-Lager, dann ebenso wie die im 19. Jahrhundert errichteten Nebengebäude bis 1988 als Magazin des Post- und Telegraphenamts. Später hat es auf dem Areal spannende kulturelle Initiativen gegeben, es gab auch einmal einen Architekturwettbewerb, aber keine der vielen Nutzungsideen wurde je umgesetzt.1
Umso erstaunlicher, was in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Wirtschaftsminister Martin Kocher vom Juni dieses Jahres über das Siebenkapellenareal zu lesen steht: „Unter dem Dach eines Zukunftscampus soll am Areal ein neues Zentrum für zukunftsorientierte Bildung, Impact Entrepreneurship und ethische Digitalisierung entstehen. Der Zukunftscampus als Leuchtturmprojekt versteht sich als innovatives Labor, das erprobt und vorlebt, wie zukunftsorientierte Bildung, Wirtschaft und Digitalisierung gestaltet und gelebt werden können“, heißt es da. Beraterhonorare sind auch schon geflossen, wie man aus einer weiteren Anfragebeantwortung erfährt, in der 20.000 Euro für die „Prozessbegleitung zur Entwicklung des Zukunftscampus am Siebenkapellenareal Innsbruck“ angeführt sind.
Man staunt und fragt sich, warum darüber in der Öffentlichkeit kaum etwas bekannt ist – jedenfalls noch nicht, als dieser Text geschrieben wurde. Von der Burghauptmannschaft war im Sommer zu erfahren, man sei „in Vorbereitung und Abstimmung“, auch in der Frage der Finanzierung. Klingt, als könnte dieser Zukunftscampus noch für Diskussionen sorgen.
Unterdessen wird die Frage, welche Rolle das Siebenkapellenareal in Zukunft im urbanen Gefüge spielen wird, nicht weniger interessant. Denn dessen Kontext verändert sich, auf dem benachbarten Zeughausareal entsteht gerade ein neues Wohnquartier, zugleich wird sowohl in der Stadt als auch am Land die Reaktivierung von Leerständen immer wichtiger, weil Boden kostbar ist und wir nicht so weitermachen können mit dem horrend hohen Flächenverbrauch in Österreich.
Im Übrigen schafft man es hierzulande auch ganz ohne Zutun des Bundes, Leer- und Still-stand zu produzieren. Siehe etwa der bis heute leerstehende Raum über der Stadtbibliothek (Pema 2), der in dieser Kolumne schon einmal Thema war, siehe Rotunde am Rennweg samt 100.000 Euro teurem, aber in der Versenkung verschwundenem Bürgerbeteiligungsprozess.
1 Siehe dazu: Petra Mayrhofer und Elmar Kossel: Erhaltung und Würdigung ohne schlüssiges Nutzungskonzept? Die Diskussion um das Areal der Sieben-Kapellen-Kirche (Heiliggrab-Kirche) in Innsbruck (bauforschungonline.ch/bfo-journal-52019.html)
2018 waren Kirche und Areal auch Gegenstand eines Entwurfsseminars an der Innsbrucker Architekturfakultät. Ein Resultat daraus war die Idee, den vorderen, zweigeschoßigen Teil der Kirche als Bibliothek und Café, den hinteren Teil als überkonfessionellen Andachtsraum zu nutzen und in den Nebengebäuden Start-Ups samt Werkstätten, Büro- und Projekträumen unterzubringen.
Text: Ivona Jelčić, aus aut: info 3/22