ivona jelčić: stadt, zaun, fluss
Früher einmal galt Salzburg als eine der ödesten österreichischen Studierendenstädte, heute bemüht sich Innsbruck um diesen Titel. Viele Veranstaltungsorte und alternative Kulturräume haben in den letzten Jahren zugesperrt, die Rufe nach Ersatzflächen und konsumfreien öffentlichen Räumen für junge Menschen verhallen ungehört. Oder schlimmer noch: Sie werden mit Zäunen und Gittern beantwortet, so wie bei der Innmauer an der Franz-Gschnitzer-Promenade hinter der Universität. Das so genannte Sonnendeck war jahrelang eine nicht nur bei Studierenden beliebte Chill- und Partyzone. Im vergangenen Frühjahr wurde die Ufermauer aufgrund eines mutmaßlichen Vandalenaktes behördlich gesperrt und im Zuge der Sanierung auf einem ersten Teilstück ein Geländer mittig auf der Mauer angebracht. Darauf zu sitzen ist nun nicht mehr möglich.
Es gibt einen Ausdruck für derlei Maßnahmen in öffentlichen Räumen: Er nennt sich „Hostile Architecture“ oder auch „Defensive Architektur“ und bezeichnet Gestaltungen und Stadtmöbel-Designs, die darauf ausgelegt sind, den Aufenthalt von „unerwünschten“ Personengruppen – zum Beispiel Obdachlosen – zu verhindern. In Innsbruck wird dieses Prinzip nun also auch auf Studierende angewandt. Deutlicher als mit dem Zaun auf dem Sonnendeck hätte man jungen Menschen jedenfalls kaum zeigen können, dass sie sich gefälligst schleichen sollen. Gestalterisch plumper aber auch nicht.
Der von den Architekten Christoph Langhof, Peter Lorenz und Helmut Reitter erarbeitete Masterplan „Innsbruck an den Inn“ ist bald dreißig (!) Jahre alt, an der Franz-Gschnitzer-Promenade geht es deutlich in die andere Richtung. Aber auch sonst ist die Stadt seit Mitte der 1990er-Jahre kein Stück näher an den Fluss gerückt – von temporären Maßnahmen wie der 2008 im Rahmen der Architekturtage entstandenen Stadtraumskulptur „… ich will an den Inn“ im Waltherpark einmal abgesehen. Immerhin aber suchte auch die 2023 vorgestellte Marktviertel-Studie von Superwien und Obermoser und Partner die Verbindung von Stadt- und Flussraum. Man wird sehen, was daraus wird.
Am Sonnendeck zeigt sich derweil, dass in Innsbruck nicht nur Stadt und Fluss schwer zueinander finden, sondern auch Stadt und Student*innen. Die machen zwar über 30.000 von 131.000 Einwohner*innen aus und bringen eine hohe Wertschöpfung, gelten weithin aber eher als geduldete Gäste, denn als potenzielle Neuzugänge auf dem hiesigen Arbeitsmarkt, die es samt ihrer erworbenen Ausbildung hier zu halten lohnen würde. Beobachten lässt sich das gerade auch vor der anstehenden Gemeinderatswahl. Ganz im Dienst jener Parteien, die Studentinnen und Studenten nicht als ihre Wählerklientel betrachten, bemühte sich die Kronen Zeitung kurz vor Weihnachten unter der Schlagzeile „Wie ausländische Studenten bei der Wahl mitmischen“, die Innsbruckerinnen und Innsbrucker das Fürchten zu lehren. Die Botschaft: „Heike aus Hannover“ (sic!) und tausende ihrer Kommiliton*innen könnten, wenn man dem nicht Einhalt gebietet, noch schnell ihren Hauptwohnsitz in Innsbruck anmelden und sodann bei der Wahl „die Geschicke der Stadt für die kommenden sechs Jahre mitbestimmen“. Die Proteste am Sonnendeck sorgten im Herbst zwar auch ihrerseits für ein bisschen Wahlkampf-Geplänkel, aber so richtig geheuer scheint sich Innsbruck als Studierendenstadt und damit auch als junge Stadt selbst nicht zu sein. Auch dafür steht der Zaun am Inn.
Text: Ivona Jelčić, aus aut: info 1/24