ivona jelcic: wo geht‘s hier ins kulturquartier?
In Innsbruck soll, so der Wunsch der Politik, ein Kulturquartier rund um das Haus der Musik entstehen. Oder ist dieses längst vorhanden und wir haben es bloß noch nicht bemerkt? Denn bislang machen sich zwischen Polit-Rhetorik und Realität eher Fragezeichen breit, da sich noch nicht so richtig erschlossen hat, was mit „Kulturquartier“ eigentlich gemeint ist. Kann man es bauen, abstecken und auf dem Stadtplan einzeichnen? Meint man damit die Nachbarschaft von Gebäuden, in denen sich Kultur abspielt? Oder versteht man darunter, was sich zwischen diesen Gebäuden an kulturellen Möglichkeiten auftut?
Wenn das Schlagwort „Kulturquartier“ in politischen Agenden und touristischen Vermarktungsstrategien auftaucht, klingt das immer ein wenig so, als müsste man Kultur in ein strenges urbanes Ordnungssystem einpassen. Nach dem Motto: Hier das Kultur-, dort das Banken-, woanders wiederum das Bahnhofs-, Wohn- oder Rotlichtviertel. Zugleich ist das „Kulturquartier“ zum vielseitig verwendbaren Marketingbegriff geworden: Offen genug, um ihn über vieles stülpen zu können, das mit der – mehr oder weniger vagen – Idee von Kultur als Motor für Stadtentwicklung zu tun hat. „Kulturquartier“, das klingt nach Mehrwert und taugt somit auch zu Rechtfertigung für Investitionen in Kulturbauten, die auf ganze Stadtviertel ausstrahlen und diese aufwerten sollen – zumindest in der Theorie. In anderen Fällen meint man damit nicht von oben implementierte „Leuchtturmprojekte“, sondern von unten, also aus der Kreativszene heraus Gewachsenes.
Man muss nicht einmal über Tirol hinausschauen, um der Idee des „Kulturquartiers“ in unterschiedlichen Auslegungen zu begegnen. In Kufstein war es ursprünglich ein Investoren-Projekt, das mit dem Schlagwort „Kulturquartier“ antrat, um auch die Kommune als Partnerin zu gewinnen: Ein Gebäudekomplex mit Wohn- und Geschäftsräumen, Hotel, Garage, Theater- und Veranstaltungssaal entstand, an dessen Fassade „Kultur Quartier Kufstein“ geschrieben steht. In Imst ließ das Anliegen, den Stadtplatz mit den angrenzenden Kultur- und Bildungseinrichtungen zu revitalisieren, die Idee eines Kulturquartiers entstehen. Es wurden Konzepte in Auftrag gegeben, Machbarkeitsstudien erstellt – bis das Projekt 2018 sanft entschlafen ist, wohl auch wegen der im Zuge der Gemeinderatswahlen eher unliebsamen Finanzierungsfrage.
Als in Innsbruck Mitte der 1990er Jahre Treibhaus-Chef Norbert Pleifer mit dem Konzept eines Volksgartens eine Ausweitung der „Kulturzone“ probte, hatte er dabei die Innenhöfe, Plätze und Gärten zwischen Ferdinandeum, Volkskunstmuseum, Theologie, Angerzellgasse und Treibhaus im Visier – also jene (halb-)öffentlichen Räume, auf die auch heute wieder der Blick fällt, wenn es darum geht, ein „Kulturquartier“ zu definieren, das über die Achse Haus der Musik, Hofburg und Landestheater hinausgeht und das angesichts der hier angesiedelten Einrichtungen eigentlich eher Kultur- und Bildungsquartier heißen müsste. Die Idee des Volksgartens ist damals an vielen Faktoren gescheitert: mangelndes politisches Interesse und ein ausgeprägtes Gartenzaun-Denken gehörten dazu. Zäune und Hecken prägen bis heute diesen – im Besitz der BIG befindlichen – urbanen Raum. Angeblich ist, seit das rhetorische Argument namens „Kulturquartier“ durch Innsbruck geistert, die Bereitschaft gewachsen, manche davon einzureißen. Vielleicht entsteht daraus ja tatsächlich so etwas wie ein Quartier für StadtbenutzerInnen. Es ist dann eigentlich egal, mit welchem Schlagwort man es überschreibt.