Computerrenderings und Visualisierungen helfen unserer architektonischen Vorstellungskraft auf die Sprünge, sie sind aber längst auch unverzichtbares Marketingtool, speziell bei neuen Wohnbauprojekten. Denn sie verkaufen Wohnträume, die stets luftig und hell, freundlich und großzügig, rundum üppig begrünt, manchmal sogar schon von glücklichen Muster-Menschen bevölkert sind. Anders gesagt: Die Visualisierung macht auf schönstmögliche Weise anschaulich, was am Ende auch Rendite bringen soll.
Erstaunlicherweise aber (noch) nicht bei jenem Projekt in der Innsbrucker Innstraße 115, für das der Gemeinderat im Juli grünes Licht gegeben hat. Auf dem computergenerierten Bild, das der private Bauträger im Sommer mehreren Medien zur Verfügung gestellt hatte, ist vom eigentlichen Projekt nämlich kaum etwas zu sehen. Im Vordergrund steht vielmehr der bereits 2008 errichtete Schülerhort Kaysergarten von Architekt Johannes Wiesflecker, dahinter ragt eine historische Villa auf, die neu zu bauende Terrassenhausanlage, geplant vom Büro David Chipperfield, hält sich dagegen ganz dezent im Hintergrund.
Ein Schelm, wer jetzt denkt, die gewählte Perspektive habe etwas mit der massiven Kritik an der projektierten Wohnanlage zu tun. Denn da könnte man ja gleich behaupten, Innsbrucker Wohnungspolitik werde auf Basis computergenerierter Bilder gemacht – wird sie natürlich nicht. Auf Basis von Fachexpertisen aber offensichtlich auch nicht. Zur Erinnerung: Das Amt für Stadtplanung und der Innsbrucker Gestaltungsbeirat hatten das Projekt Innstraße 115 negativ beurteilt, Architekt*innenschaft, Innsbrucker Architekturfakultät und das aut hatten an die Entscheidungsträger*innen der Stadt Innsbruck appelliert, es nicht in dieser Form zu genehmigen. Unter anderem wegen der „annähernd vollflächigen Versiegelung“ des betreffenden Hanges, der viel zu hohen Dichte bei lächerlich geringem öffentlichem Mehrwert, der durch die massive Bebauung zum „sinnlosen Kuriosum“ verkommenden Villa, den fatalen Folgewirkungen für den ohnehin schon überhitzten Innsbrucker Immobilienmarkt, auf dem leistbarer Wohnraum für Familien Mangelware ist, während Anlegerobjekte wie Schwammerln aus dem Boden sprießen.
Das Ergebnis – ein politischer Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat im Juli – wurde weiter oben schon genannt, und zweifellos wird es bald auch weitere, an potenzielle Käufer*innen adressierte Visualisierungen der 64 frei finanzierten Wohnungen an der Innstraße geben. Zwischenzeitlich empfiehlt sich der Blick auf ein nicht minder heiß und ebenfalls über Jahre hinweg diskutiertes Projekt eines Immobilieninvestors: Die Wohnungen im Stadt Carré Wilten werden schon seit geraumer Zeit zum Kauf angeboten, vor ein paar Monaten fand man auf der Projektseite etwa Microapartments mit rund 28 m2 für knapp 320.000 Euro – auf Wunsch mit „Mietersuche & Mietverwaltung“ durch den Bauträger. Auf gut gemachten Renderings können 28 m2 übrigens gut und gerne wie fünfzig aussehen. Und wenn sie leer stehen, sogar noch größer.
Text: Ivona Jelčić, aus aut: info 3/23