in memoriam christian höller (1971–2023)
Versuch einer Erinnerung von Nicola Weber
Wie hält man die Erinnerung an jemanden fest, der so früh gegangen ist? Wo für so Vieles noch Platz gewesen wäre, sich alles erst zusammenfügt und noch kein Ganzes ergibt? Ein Versuch aus fragmentarischen Rückblicken, persönlichen Gedanken und biografischen Eckdaten.
Im tiefsten Amerika, mit weißem Cadillac, in Städten ohne Fußgänger, unbekannten Fastfoodketten, überdimensionierten Highways und weiten Landschaften habe ich Christian 1997 bei unserem Studiensemester in Arlington, Texas kennen gelernt. Nächte gemeinsam im Zeichensaal, mit Tränen vor Lachen trotz der Erschöpfung, er dauerfotografierend mit seiner Hasselblad Mittelformatkamera, stundenlang in der Dunkelkammer oder an wunderbaren Zeichnungen sitzend. In absurden Bars in Dallas, am Pazifik zu Weihnachten, in fast geschwisterlichem Zusammensein während dieser Monate.
Damals hatten wir schon einige Jahre in Innsbruck nebeneinanderher studiert. Er, aus Osttirol kommend, hat sich nach einem Versuch an der Designklasse der Angewandten und großer Nähe zu Mode und Kunst, für die Architektur entschieden. Schon damals war Christian einer, der alles mit hohem Anspruch gemacht hat, mit großer Genauigkeit und Sorgfalt. Der sich tief eingelassen hat in die Themen, die ihm begegnet sind und sich mit Ausdauer und Leidenschaft komplexe Dinge von Grund auf neu erarbeitet hat, manchmal sehr hartnäckig. Beim Fotografieren und Bauen ebenso, wie beim Kaffeekochen, das er in den letzten Jahren liebevoll bis fanatisch kultivierte. Seine Kaffeemaschine hat er uns überlassen, bei jedem Espresso ist die Erinnerung an ihn da.
Etwa um 2000 dann die Transporter-Zeit, eine Bürogründung mit Freunden, ein Ausflug ins Grafikdesign und enge Freundschaften, die bis zuletzt hielten. Und dann doch wieder die Architektur, er diplomierte bei Volker Giencke und kam später immer wieder zum Unterrichten zurück an die Fakultät. Saß er in Reviews oder Jurys wurde sichtbar, wie klar und präzise Christian analysieren konnte, wie genau er das Wesentliche herauszuarbeiten wusste und den Kern einer Sache auf den Punkt brachte, mitunter gnadenlos deutlich, immer aber wertschätzend.
Eine Weile wurde unser Abstand größer, Christian ging nach London, für fast zehn Jahre. Zuerst zum Studium an die Bartlett School of Architecture, dann in große Architekturbüros und zwischendurch auch nach Amsterdam zu UNstudio. Aber ganz weg war er nie. Vor acht Jahren dann zurück nach Innsbruck, Projekte als selbständiger Architekt, ein wunderbares Haus in Igls und zuletzt viele Projekte für Ausstellungen und Museen. Ich denke, in diesem Feld hat er sich wohl gefühlt, konnte viele seiner Kompetenzen zusammenführen – Architektur, Grafik, ein Verständnis für Kunst, eine starke Idee, wie man Dinge vermittelt und Geschichten erzählt.
Christian hat sich auch immer wieder konstruktiv in die Baukulturdebatte in Tirol eingebracht. Im Vorstand und im Forum von aut. architektur und tirol und 2018 – 22 als Sektionsvorsitzender der Architektenkammer in Tirol. Mit seinem Blick von außen wollte er Dinge in eine gute Richtung beeinflussen, mit seiner feinen Art in Diskussionen, Besonnenheit und einer klaren Meinung, wenn es darauf ankam.
Was mir besonders gegenwärtig ist: sein gekonntes Kippen zwischen großer Ernsthaftigkeit und einzigartig schelmischem Humor. Unvergleichlich nüchtern-ironisch, mit Spleens, an die wir uns gewöhnt hatten. Zugleich war er immer ein Ästhet. Ein genauer Beobachter, schneller Denker, intellektueller Geist und ein hartnäckiger Debattierer. Er war Perfektionist, selten ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Sein Tun hatte Substanz. Auf seine stille Art hat er das Leben, denke ich, sehr genossen – bis zum Schluss. Fast genau ein Jahr nach seiner Krebsdiagnose ist Christian gestorben. Und so schwer es auch fällt, sich damit abzufinden – auf seine Weise ergibt alles, selbst in dieser zu kurzen Zeit, doch ein Ganzes.
christian höller
geb. 1971 in Lienz; ab 1991 Architekturstudium in Innsbruck; 2002 – 03 Studium an der Bartlett School of Architecture, London; 2007 Diplom bei Volker Giencke; Mitgründer des Grafikbüros Transporter in Innsbruck; Mitarbeiter in verschiedenen Architekturbüros, darunter Acme (London) und Idom UK/Acxt (London) und UNstudio (Amsterdam); Lehraufträge an der Architekturfakultät Innsbruck; ab 2016 eigenes Architektur- und Designstudio in Innsbruck; 2017 – 2023 Mitglied des aut: Vorstands und im aut: forum; 2018 – 22 Vorsitzender der Sektion Architekt*innen und Mitglied des Kammervorstands in der Kammer der Ziviltechniker*innen Tirol und Vorarlberg; verstorben im September 2023
werkauswahl
2018 Haus B, Igls; 2022 Sanierung und Umbau Victor-Franz-Hess-Messstation am Hafelekar, Innsbruck; zahlreiche Ausstellungsgestaltungen u. a. 2017 „Altar von Schloss Tirol“, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum; 2018 „Felix Mitterer – eine Ausstellung“, Noaflhaus, Telfs; 2019 „Felix Mitterer – eine Ausstellung“, Altes Widum, Achenkirch; 2021 „Wirtshausgeschichte“ Stadtmuseum Innsbruck; 2022 „Oh, Maria hilf!“, Stadtmuseum Innsbruck; 2022 „Im Detail – Die Welt der Konservierung und Restaurierung“ Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum; 2023 „Pembaur – wer?“, Stadtmuseum Innsbruck; „Conservator at Work“, Alte Postsparkasse Wien / Angewandte Interdisziplinary
Ein Nachruf von Nicola Weber auf den im September 2023 verstorbenen Architekten, erschienen in der aut: info 1/2024