Meine damen und herren, lieber hanno,
vor fast genau 30 jahren hielt hanno schlögl die laudatio für josef lackner, der damals als erster architekt, gemeinsam mit christian bartenbach, den landespreis für kunst erhielt. In seiner rede formulierte hanno folgenden einleitungssatz: „gemessen an der umfangreichen bautätigkeit in tirol nimmt sich der anteil an anspruchsvoller architektur bescheiden aus, um so mehr freue ich mich, ihnen heute mit josef lackner einen der beiden preisträger vorstellen zu dürfen, dessen werke jene ausnahme bilden, die ihre besondere qualität einer haltung verdanken, die zwar kritik am status quo, nicht aber von pessimismus getragen ist.“
Betrachtet man die situation der architektur heute in tirol, so kann man erkennen, dass sich die qualität und das niveau der bautätigkeit um einiges verbessert hat und mittlerweile eine hohe dichte an anspruchsvoller architektur bis in die hintersten täler entstanden ist. Wir haben zwar die von lackner immer wieder angesprochene vorhölle verlassen, das paradies aber liegt noch fern. Diese ein wenig pessimistische einschätzung – und bitte erlauben sie mir einen kurzen exkurs – hat unter anderem damit zu tun, dass in den letzten jahren zwei der wichtigsten bauten von josef lackner in tirol einfach verschwunden sind, wie das sozial- und architekturexperiment der mk, das von den jesuiten einem banalen wohnbau geopfert wurde und vor kurzem die einmalige raumerfindung des grottenbades flora auf der hungerburg, die – und das ist wirklich tragisch, eigentlich absurd – von einem architektenkollegen, kurz vor der unterschutzstellung durch das denkmalamt, durch den zufälligen fall eines baumes einfach dem erdboden gleich gemacht wurde. Natürlich kann man zu diesen vorfällen meinen, dass auch architektur nicht ewig währt, aber diese beiden bespiele machen offensichtlich, dass das kollektive bewusstsein für die qualität von bauten im allgemeinen wie der nachkriegsmoderne im besonderen noch nicht sehr weit gediehen ist bzw. die rein ökonomische verwertungslogik den kulturellen wert von bauten einfach ausradieren kann, auch wenn der autor der projekte einen tiroler landespreis für kunst erhalten hat.
Der heutige abend ist aber ein tag der freude und des feierns, denn hanno schlögl erhält den landespreis für kunst und das – meiner meinung nach – aus vielen guten gründen. Hanno ist nämlich nicht nur ein hervorragender architekt, sondern eine beseelte persönlichkeit der kunst wie der kultur, vor allem aber auch ein reflektierter und kritischer zeitgenosse, der sich immer wieder kulturpolitisch einmischt und klare worte findet. Ich kenne auch nur wenige architekten in diesem land, die über ihre profession und eigeninteressen hinweg, sich für kultur im allgemeinen und kunst im speziellen eingesetzt haben. Hanno hat zeit seines lebens sowohl ausstellungen wie konzerträume und theater besucht, die musik als lebensmittel angesehen und eine eigene qualitativ hochwertige sammlung an kunst aufgebaut, die nicht nur arbeiten aus nächster nähe beherbergt, sondern international ausgerichtet ist. Prägend für sein kulturverständnis waren neben peter weiermair, vor allem heinz gappmayr, mit dem er sich zeit seines lebens intensiv über kunst, musik, literatur und philosopie austauschte. Die auseinandersetzung mit all diesen themen hat hanno immer intensiv und konsequent gelebt und damit das kulturelle geschehen in tirol wie innsbruck bereichert. So ist er der galerie st. barbara in hall und der familie crepaz seit der gründung verpflichtet, fährt immer noch quer durch die lande, um unterschiedliche veranstaltungen zu besuchen, ist daher bestens informiert, kritisch wie scharf im urteil und damit ein herausfordernder gesprächspartner. Ungeachtet dessen hat er immer auch künstler durch ankäufe gefördert, sie teilweise in seine architekturprojekte einbezogen und hat mit seinen bauten für die kunst maßstäbe in tirol gesetzt. In diesem sinne ist hanno zwar immer architekt geblieben, aber er war und ist ganz wesentlich auch netzwerkknoten im kulturellen leben von tirol. Denn kultur wird nicht nur produziert und präsentiert, sondern benötigt intellektuelle wie emotionale beteiligung, den dialog und die auseinandersetzung, gedeiht auf basis einer differenzierten sprache wie eines kollektiven bewusstsein. Es gibt ein karl kraus irrtümlich zugeschriebenes zitat, das aber in kraus‘scher manier das thema der kultur wie ihrer ständigen gefährdung auf den punkt bringt: wenn die sonne der kultur niedrig steht, werfen selbst zwerge lange schatten. Hanno hat sowohl als architekt wie als kulturaffine persönlichkeit öffentlich gegen die verzwergung unserer gesellschaft gehalten und immer wieder die langen schatten bekämpft.
Eine meiner ersten privaten einladungen in tirol mitte der 1990er jahre wurde von hanno und reni ausgesprochen. Als sozialisierter wiener fiel mir schon von anfang an die kleidung von hanno auf, die mich an die der architekten luigi blau und hermann czech erinnerte, wie seine sakkos aus tweed oder anderen edlen stoffen, in kombination mit den hemden wie hosen, einfach klassisch unaufdringlich. Und dann kam ich in die wohnung in mühlau, mit dem weissen riemenboden, den kajütenartigen türen, den unzähligen kunstwerken an der wand und den vielen büchern, vor allem der kleine garten faszinierte mich. Alle eindrücke erzeugten in mir ein heimatliches gefühl, den sie erinnerten mich unter anderem an die wohnung von fritz achleitner in der schönlaterngasse in wien. Damals speicherte ich hanno als kontaminierten wiener ab, zwar in tirol geboren und in innsbruck lebend, aber irgendwie noch spürbar geprägt durch seine wiener studienzeit. Denn er hatte, gemeinsam mit einigen anderen tiroler architektInnen seiner generation – wie andreas egger, margarethe heubacher-sentobe, hermann kastner, günter norer, dieter tuscher und nach ihnen dieter henke, marta schreieck, georg driendl und gerhard steixner – , bei roland rainer an der akademie der bildenden künste in wien studiert. Die humanistische ausrichtung der ausbildung durch rainer, die orientierung der architekturlehre am nordischen design und die sensibilisierung für das anonyme bauen, prägten hanno nachhaltig. Er arbeitete nach dem studium auch bei rainer im büro, ging aber 1970 zurück nach innsbruck, um drei jahre lang bei fred achammer im büro zu verbringen, wo er karl heinz und jörg streli kennen lernte. Einige jahre später gründeten die beiden mit dieter mathoi, mit dem hanno maturiert hatte, das büro der drei musketiere, wie heinz – mathoi – streli liebevoll auch genannt wurden. 1973 machte sich hanno selbständig und stellte im gleichen jahr das haus markl in sistrans fertig, das er mit dieter mathoi als dialogpartner entwickelt hatte. Dieses reife frühwerk – hanno war damals 29 jahre – markiert für mich sehr schön sein damals schon vorhandenes geschichtsbewusstsein wie seine kontextuelle entwurfshaltung. Denn einerseits spürt man seine auseinandersetzung mit bauten von rudolf schindler, andererseits ist das haus auf den ort, die landschaft und den baulichen kontext hin konzipiert. Auf ähnliche weise ging hanno auch ab 1986 beim wohn- und pflegeheim am stiftsgarten in hall um, das er anfänglich mit andreas egger plante. Am rande der historischen altstadt gelegen und inspiriert von einer fast 300 jahre alten gassentypologie im so genannten greisenasyl in brixen, wurden die gebäude um einen großen wohnhof gruppiert und die baukörper im wechselspiel zwischen historischen versatzstücken aus der stadttyplogie von hall und modernen architekturelementen gestaltetet. Ohne in die formalistische postmoderne abzugleiten, nahm hanno die wesentlichen argumente der protagonisten jener bewegung auf und übersetzte diese vor allem städtebaulich in eine ensemble aus gassen, höfen und plätzen. Er nannte das projekt auch stadtfragment und betonte damit seinen ansatz, wonach sich das ensemble in die bestehende morphologie von hall einordnen sollte. Vor kurzem formulierte er in seinem vortrag im aut folgendes: 1980, von der 1. architekturbiennale in venedig, verantwortet von paolo porthoghesi, mit dem titel ‚la presenza del passato’ angeregt, weckt ‚das neue im alten’ auch meine neugier. Am beispiel des stringent den lustgarten in berlin rahmenden alten museums von karl friedrich schinkel mit der offenen treppenanlage wird mir der aspekt zeitloser radikalität historischer bauten erst so richtig bewusst. In den 2000er jahren stockte er den westtrakt des hauses im stiftsgarten auf und erweiterte das ensemble um das haus im seidnergarten und das haus am magdalenengarten.
Sein respekt vor der zeitlosen qualität historischer substanz prädestinierte ihn auch dazu, drei zentrale orte der kunst umzubauen, nämlich von 1995 - 97 das salzlager hall in die kunsthalle tirol, von 1997 - 99 die galerie im taxispalais und zuletzt die galerie widauer. Im Fall des salzlagers legte er die historische substanz frei, implementierte nur das technisch wie funktional notwendigste und errichtete neben der halle einen zeitlosen pavillon, der in seiner eleganz bis heute besticht. Bei der taxisgalerie intervenierte er als einziger der geladenen architekten im sinne des barocken gebäudes so, dass er den hof von einbauten frei hielt und den raumbedarf durch eine abgesenkte oberlichthalle erfüllte. Zwar bedeutete das konzept eine statische wie bauliche kraftanstrengung, aber das ergebnis gibt dem ansatz wie der entscheidung der jury recht. Zu guter letzt baute hanno 2005 für johann widauer ein 1971 von hermann hanak geplantes geschäft in eine galerie um. Er erhielt das zeittypische rote portal, baute den raum auf seine ursprüngliche struktur zurück und schuf damit einen white cube, der mit einer ausstellung von lawrence weiner, einem guten freund von heinz gappmayr und ein von hanno sehr geschätzter künstler, eröffnet wurde. Damit möchte ich meine ausführungen beenden, denn das foto der künstlerischen intervention von weiner im raum von hanno, bringt für mich den grund des heutigen abends auf den punkt. Natürlich könnte ich noch einige andere bauten von hanno zeigen, seine tätigkeit als juror und seine auszeichnungen aufzählen, aber das würde keine zusätzliche erklärung liefern, warum es an der zeit war, hanno schlögl den preis des landes tirol für kunst zuzuerkennen. Im namen aller anwesenden und der jury gratuliere ich dir hanno aus ganzem herzen, wäre froh, wenn du uns als gesprächspartner über kunst und architektur wie als freund noch lange erhalten bliebest und würde mich freuen, wenn du den entwurf auf der seegrube, deinem hoffentlich nicht letzten fußabdruck in der architektonischen landschaft von tirol, realisieren könntest.
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