in memoriam reinhardt honold (1949 – 2024)
Ein Nachruf von Arno Fessler
Ein Nachruf von Arno Fessler auf den im Herbst 2024 verstorbenen Architekten Reinhardt Honold, erschienen in der aut: info 1/2025
Lieber Reinhardt,
wir sind bei einer Weihnachtsfeier am Institut für Hochbau erstmals ins Gespräch gekommen, das war Anfang der 1990er Jahre, Du hast mich angesprochen, ich war ein wenig geehrt, war ich doch erst seit kurzem Assistent und Du immerhin einer der beiden Architekten vom „Bogen 13“, der in dieser Zeit unser Wohnzimmer war. Etwas später am Abend habe ich Dich gefragt, ob wir eine vom Institut geplante „Freiluftübung“ mit Studierenden nicht gemeinsam in Mallorca machen könnten? „Na klar!“, war deine Antwort.
Einige Wochen später fuhren wir beide über Südfrankreich nach Barcelona. Hermann, wie Du Deinen moosgrünen 520er BMW liebevoll nanntest, schnurrte mit leicht überhöhter Geschwindigkeit Richtung Süden. Deine Liebe zum Autofahren war nicht zu übersehen, immer rauchend bei leicht geöffnetem Fenster, meistens mit der Ray Ban auf Deiner Nase, „pilotenmässig“, hast Du grinsend bemerkt. Wir hatten in der ehemaligen Küche der Finca Dein Zelt aufgestellt, als Schutz vor den Ratten, für Dich war es aber auch eine „textile Hülle im steinernen Volumen“. Das Thema vom „Raum im Raum“ hat Dich immer wieder beschäftigt, viele Jahre später bautest Du Dir ein Atelier als gläsernes Häuschen in Veros Stadel.
Unsere Korrekturen unter freiem Himmel waren eher Diskussionen, in den Raum gestellte Behauptungen, die oft bis tief in die Nacht dauerten, immer wieder zeigte sich sowohl Dein Hang zur genussvollen Selbstinszenierung, aber auch Deine große Begabung als Lehrer. Deine Fähigkeit, Projekte schnell zu erfassen und Gedanken zu durchschauen war beeindruckend, nie ging es Dir um Alternativen zur präsentierten Gestaltung, aber immer um eine andere Art zu denken!
Die folgenden Jahre hatten wir ein Atelier in der halb verfallenen Ischia Halle am Fürstenweg, haben viele Projekte gemeinsam bearbeitet, einige nebeneinander, eine intensive Zeit, nicht ohne – teils heftigen – Reibungen, und darauffolgende Versöhnungen, oft im Café Sailer. Und auch hier versuchten wir Bauaufgaben gleich zu Beginn von Sachzwängen zu entrümpeln um neue Blickwinkel zu entdecken und gedankliche Experimente zuzulassen. Jahre danach haben wir im Rückblick festgestellt, dass wir uns gegenseitig ziemlich gefordert, hie und da überfordert, jedenfalls aber weitergebracht haben, eine wertvolle Zeit für beide!
Für mich war Dein Talent als Architekt, Zeichner und Schreibender unbestritten – bei der Wertung deiner musikalischen Ambitionen habe ich mich auf Nichtmusikalität rausgeredet –, Konkurrenzdenken in der Zusammenarbeit war Dir fremd. Mit Architekturtheorie hattest Du nichts am Hut, Dein Ausgangspunkt, Deine „Zündung“ für Projekte waren oft Schlagworte oder ein Bild, immer aber eine kräftige Grundidee und die hast Du dann ohne Umwege konsequent bis ins kleinste Detail durchgezogen. Auch war die Welt der gestylten, glitzernd-eleganten Architektur nicht die Deine, mehr schon das Ruppige, Raue, das Ungeschliffene und das Assoziative. Einmal wurde dezidiert von uns ein geneigtes Dach verlangt, also gingen wir ins Café Sailer und gründeten den „Verein der Freunde des Satteldachs“. Mit Christian Astes Hilfe wurde es dann eine „geknickte, hölzerne Platte“ auf sechs dünnen „Haxerln“. Dann trennten sich unsere Wege, ich hatte den Eindruck Du brauchtest Veränderung, Dich zog es wieder mehr zur Musik, die Freundschaft blieb.
Vor einigen Jahren bekamst Du von einer alten Dame ein Häuschen am Waldrand in Niederösterreich geschenkt, sowas konnte natürlich nur Dir passieren! Nun hattest Du also die „Keuschn“ von der Du so oft geträumt hattest, und warst bereit, Dein „vagabundisches“ Leben zu beenden. Dieses „Habitat“ hast Du mit enormer Kraftanstrengung und der Dir eigenen Hartnäckigkeit quasi im Alleingang nach Deinen Vorstellungen bewohnbar gemacht, oft hast Du mir begeistert vom Baufortschritt erzählt. „I’m the lucky man on the giypsy hill und außerdem bin ich jetzt Maler“. Du hast die Ruhe genossen und für Deine neue Leidenschaft gebrannt, plantest schon Deine erste Ausstellung im örtlichen Kunstverein.
Eines Tages hast Du mich vom Zug abgeholt, in der Ladefläche Deines Raupendumpers hockend erreichten wir Dein Häuschen am Hügel, heizten ein, kochten und plauderten lange bei Kerzenschein und Whiskey. Als Du mich tags darauf wieder zum Zug brachtest, schmerzte Dein Fuß, uns war nicht klar, dass es so einen Abend nicht mehr geben würde.
Bei meinem letzten Besuch bei Dir in der Klinik warst Du optimistisch. Du erzähltest mir von Deinem Vorhaben den Winter in einem „südlichen Städtchen malend zu verbringen“, um wieder zu Kräften zu kommen. Vielleicht in Sizilien? Du plantest mit dem Auto zu reisen und fragtest, ob ich Dich besuchen würde? Ja, das machen wir, Reinhardt! Eine gute Fahrt wünsche ich Dir, Ciao und Danke.
reinhardt honold (1949 – 2024)
geb. 1949; 1969 – 74 Architekturstudium, danach keine Lust auf verknöcherte Architekturbüros – sondern Tischlerei, Theater, Texte, Kompositionen; 1975 – 77 Mitglied des Theaters der Komödianten im Künstlerhaus, Wien; lp „Der Dreschflegel – Aufsässige Volkslieder aus Österreich“; Konzertreisen im deutschen Sprachraum, später Hinwendung zu jazzigen Chansons ...; zwischendurch erste, kleine Bauaufgaben – dann die Entscheidung, mich auf die Sprache der Architektur zu konzentrieren; 1985 – 87 Phase intensiver, teilweise experimenteller Teamarbeit; ab 1988 eigenes Büro in Innsbruck; 1989 – 92 Lehrauftrag für Entwerfen an der Universität Innsbruck, seither immer wieder Zusammenarbeit mit dem dortigen Institut für Hochbau und Entwerfen sowie dem studio 1; 1993 Gründungsmitglied des Architekturforum Tirol (heute aut. architektur und tirol); 1995 – 96 „Nomadische Monate“ in Europa, verstärktes Interesse für einen neuen Urbanismus; 1997 – 99 Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg; seit 2002 arbeite ich neben der Tätigkeit als Architekt für die Band „mind_the_gap“ (© Reinhardt Honold, 2007)
bauten und projekte (Auswahl)
1980 Galerie für einen privaten Sammler, Ötz; 1984 – 85 Lokal Bogen 13, Innsbruck (gem. mit Wolfgang Pöschl); 1987 Zwischen Himmel und Stadt, Privatwohnung, Innsbruck; 1988 Hallenbad Stiglgryzg‘te – Hotel Maximilian, Serfaus (gem. mit Wolfgang Pöschl); 1990 Fly Lindwurm Airways, Zahnartzordination, Klagenfurt; 1989 – 92 Kinder-Loft, Innsbruck; 1993 – 94 Privates Hallenbad, Aldrans; 1994 Aufstockung Einraum-Atelierwohnung, Innsbruck; 1999 – 2000 3 Häuser für 3 Generationen, Innsbruck (gem. mit Arno Fessler); 2001 Umbau und Erweiterung Treibhaus, Innsbruck; 2004 Haus Gratz, Großarl (gem. mit Veronika Stern)