in memoriam hanno schlögl (1944 – 2020)
Ein Nachruf von Otto Kapfinger
Mit Architekt Hanno Schlögl, der im Dezember nach schwerer Erkrankung verstorben ist, verliert die Tiroler und die österreichische Architekturszene eine ihrer besten und prägnantesten Persönlichkeiten. Hanno Schlögl hat quantitativ nicht „viel“ gebaut, aber jede seiner Realisierungen, zum Teil in Partnerschaft mit unterschiedlichen Kollegen, zuletzt mit Daniel Süß, erbrachte eine modellhafte, vorbildliche Lösung der gestellten Aufgabe, des Umgangs mit Ressourcen im weitesten Sinn. Wie er selbst formulierte, ging es ihm stets darum „Gebäude zu errichten, die sich jenseits ihrer geforderten Funktion noch für weitere Nutzungen eignen – und nicht nur um Bedürfnisse zu erfüllen, sondern um der Universalität einer Idee nachzuspüren“.
Sein herausragendes Können zeigte sich besonders bei Umbauten, Transformationen oder Zubauten von historischen oder modernen Baubeständen – vom Salzlager Hall, den Stationen der Innsbrucker Nordkettenbahnen, der Erweiterung der Galerie im Taxispalais in Innsbruck, bis zur komplexen Intervention in der Wiener Kärntnerstraße für den Swarovski-Store.
In all diesen Projekten gelang es ihm, dem selbstgestellten Anspruch – „mit reduzierten formalen Mitteln ein hohes Maß architektonischer Dichte zu erreichen“ – zu genügen und in gestalterisch-geistiger Resonanz zur gegebenen Bausubstanz jeweils ein neues, räumlich-dialogisch reichhaltiges GANZES zu formen.
Eine weitere Besonderheit war seine Affinität zur zeitgenössischen bildenden Kunst, die er in fast allen seinen Realisierungen als wesentlichen Bestandteil der Konzeption integrierte – die Liste der beteiligten Künstler und Künstlerinnen liest sich wie ein „best-of“ der österreichischen Szene. Die engste Beziehung hatte er sicher zu Heinz Gappmayr, einem international anerkannten Proponenten der visuellen Poesie, der kritisch- didaktischen Reflexion der Bedeutung von Schrift für unsere Kultur, in all ihren Ambivalenzen.
Die Stellung von Hanno Schlögl innerhalb der „jüngeren“ Gruppierung der Tiroler Kollegen und Kolleginnen illustriert eine Episode, die ich am Rande mitverfolgen konnte: 1999 plante die damals schon ökologisch engagierte Sennerei Zillertal in Mayrhofen die Errichtung einer großen Molkerei, die zugleich als offene Schaukäserei angelegt war – damals noch ein ziemliches Novum. Über den Kontakt mit Arno Ritter wurde eine Handvoll der besten Architekt*innen der damals aufstrebenden, an den bekannten MPREIS-Märkten profilierten Tiroler Szene zu einem Wettbewerb eingeladen. Soweit ich mich erinnere, war auch Hanno im Gespräch, verzichtete dann aber, weil die übrigen Teilnehmer*innen ihn aufforderten und baten, als einziger Fachjuror (!) – neben dem Bauherrn – bestmöglich im Sinn der Sache zu agieren und diese Konkurrenz qualitätsvoll zu bewerten. Das Ergebnis war modellhaft, anspruchsvoll und auch wirtschaftlich erfolgreich.
Vor fast zehn Jahren konnte ich für Hanno mit den Grafikern Haller & Haller eine Werkmonografie redigieren und gestalten – ein nachhaltiges Erlebnis des konzentrierten, völlig uneitlen, in jedem Detail sachlich präzisen Teamworks. Nach der Buchvorstellung im aut schrieb ich ein E-Mail an ihn und einige aus dem Auditorium: „...ein nachtrag zum abend gestern: für mich sehr überraschend und anregend, so viele interessante und interessierte leute zu sehen, eine schöne feier, ungezwungen für ein buch zweier kollegen, in einer runde unterschiedlicher, aber durchwegs in der verschiedenheit wohlwollender individuen. anbei noch ein paar gedanken, entstanden auf der rückfahrt im zug: ich habe gestern die galerie im taxispalais als ein schlüsselprojekt von schlögl & süß bezeichnet. als ich den raum erstmals sah, reagierte ich so: ,was für ein vorlauter eigensinn der architektur, den neutralen white cube an der stirnseite mit dieser betonwand zu stören! und die glasdecke ist ja auch irgendwie zuviel, sie wird wohl zumeist schwarz abgedeckt sein! und wird nicht auch die sichtbetonwand oft temporär weiß verkleidet?‘
erst nach der lektüre von jacques lacan wurde mir die wichtige ,offene ambivalenz‘ dieser wand klar: die betonwand ist der wesentliche stein des anstoßes, der ,eckstein, den man automatisch verwirft‘, der an dieser stelle anrührt. denn die wand schneidet in die tiefe des alten, in die tiefe der tradition des gebauten ortes, und zieht diese hinauf in die neuere, vielfach verdrängte zeitgeschichte des ehemaligen gauhauses, vor die sichtbare präsenz des totalitarismus, der auf den fundamenten der tradition ruht. die betonscheibe zeigt massiv auf diese kontinuität, sie steht aber zugleich dazwischen, als symbol der verdrängung. doch diese markierung ist nicht pathetisch inszeniert, sie ist eher lakonisch, fast nebenbei wie ,passiert‘. es ist ein akt, der aus dem ,ungewollten‘ subtil erst manifest wird, so als hätte nicht ein entwerferisches ego das signiert, sondern als sei in der kritischen vertiefung des entwurfsprozesses diese lesart gleichsam ,anonym‘ entstanden.“
Adieu hochgeschätzter Hanno, dein Vorbild hat viele inspiriert und wird als Maßstab weiterwirken.
hanno schlögl
geb. 1944 in Hall i. T.; 1963 – 67 Architekturstudium an der Akademie der Bildenden Künste, Wien (Meisterschule Roland Rainer); 1973 – 2020 eigenes Büro in Innsbruck; 1973 – 77 ARGE Atelier Mühlau mit Andreas Egger und Heinz Pedrini; 2003 – 18 Schlögl & Süß Architekten (gem. mit Daniel Süß); u. a. 1977 – 80 Lehrbeauftragter für Architektur und Umweltgestaltung, Designgeschichte am Mozarteum Salzburg; 1980 und 1991 – 98 Lehrbeauftragter für Entwerfen an der Technischen Fakultät der Universität Innsbruck; 1989 – 2004 Mitglied des Tiroler Kulturbeirates; 1992 – 95 Fachbeirat für architektonische und städtebauliche Fragen in Feldkirch; Zahlreiche Aus-zeichnungen u. a. 2010 Europa Nostra Award / European Union Prize for Cultural Heritage und 2019 Tiroler Landespreis für Kunst; verstorben im Dezember 2020
bauten und projekte (Auswahl)
1971 – 73 Haus M, Sistrans (mit Dieter Mathoi); 1975 Wettbewerb Wohnen Morgen Neumarkt am Wallersee (mit Andreas Egger); 1978 – 79 Raiffeisenbank Filiale Mils; 1986 – 2006 Wohn- und Pflegeheime Stiftsgarten (mit Andreas Egger), Seidnergarten, Magdalenengarten, Hall i. T.; 1988 – 90 Geschäfts-, Büro- u. Wohnhaus Steinadler, Leoben (mit Peter Watzel); 1994 – 96 Wohn- und Pflegeheim, Unterperfuss (mit Karlheinz Peer); 1995 – 97 Revitalisierung „Salzlager Hall – Kunsthalle Tirol“, Hall i. T.; 1996 – 98 Tiroler Fachberufsschule für Bautechnik und Malerei, Absam; 1997 – 99 Ausbau und Erweiterung Taxispalais Kunsthalle Tirol, Innsbruck; 1998 – 2000 Raiffeisen Regionalbank Hall i. T.; 1999 – 2002 Welser Volksbank Zentrale, Wels; 2001 ISSER OPTIK I, Innsbruck; 2003 – 05 Haus T, Sistrans; 2004 – 06 Adaptierung Nordkettenbahnen, Innsbruck; 2004 – 07 Landesleitstelle Tirol, Innsbruck (mit Johann Obermoser); 2004 – 08 Hypo Tirol Zentrale, Innsbruck; 2005 Haus N, Neu-Götzens; 2005 – 08 Landhaus 1, Neubau Innenhof, Innsbruck (mit Johann Obermoser); 2007 – 10 Wohnanlage Stadtvillen Anna, Hall i. T. (mit Reinhard Haslwanter); 2010 Waagner Birò Büroeinrichtung Saturntower, Wien; 2013 – 17 Wohnanlage „domizil“, Hall i. T.; 2015 Haus C-E, Axams-Omes; 2017 – 19 Naturparkhaus Längenfeld