reinhold adolf: schwingen und entspannen
ausstellungEine Ausstellung, die erstmals einen Einblick in das Schaffen des Tiroler Innenarchitekten und Designer Reinhold Adolf (1924 – 1999) bietet.
weiterlesen …Der erste Text von Reinhold Adolf, „Schwingsessel-Story“, ist dem Prospekt „Form und Funktion“ entnommen, der für die Freunde der Möbelmarke COR-Sitzkomfort um 1974 erschienen ist.
Beim zweiten Text handelt es sich um den Auszug aus einem 6-seitigen Artikel, den Reinhold Adolf im Rahmen seiner Tätigkeit in der Baumusterzentrale Innsbruck verfasst hat und der in der Ausgabe 1/68 der BMZ – Zeitschrift für Bauwirtschaft und Wohnkultur erschienen ist.
I schwingsessel-story
Wie so oft, entsteht eine gute Idee aus Ärger über schlechte Vorbilder. Am herkömmlichen Schaukelstuhl störte mich, dass er rumpelnd und bremsend auf dem Boden abrollt, dass er „wandert“. Und mich störte der meist mangelhafte und immer unruhige Sitzkomfort. Die Unruhe entsteht durch ein ständiges Rutschen des Körpers, bedingt durch die weiten Pendelbewegungen des Kopfes. Mein Schaukelsessel musste einen stabilen Stand haben und er sollte – zur Beruhigung seiner Insassen – gewissermaßen in sich selbst schaukeln.
Die Versuche mit elastischem Schichtholz und mit Ski-Laminaten waren enttäuschend. Also versuchte ich es mit Federstahl. Ein bekannter Metallurge warnte mich. Aus seinen Worten über Biegewechselfestigkeit, Brinellhärte, Zugfestigkeit, Dehnung, Einschnürung und so weiter entnahm ich seine tiefen Zweifel an der Machbarkeit meines Entwurfs. Jetzt konnten nur noch Prototypen beweisen, dass sich der Fachmann irrte. Ich wagte das finanzielle Risiko und begann mit der praktischen Erprobung.
Die vielen Enttäuschungen waren vergessen, als der erste Prototyp seine Feuertaufe bestanden hatte. 225 Kilo Belastung, ohne dass sich kritische Partien verformt hätten! Es war wie ein Wunder: Ich hatte einen ungepolsterten Prototyp vor mir, ein schlichtes Sesselgestell. Doch allein schon dieses blanke Gestell war traumhaft bequem. Die konstruktive Idee des Gestells allein bot einen bis dahin unbekannten Sitzkomfort, ein weiches Schwingen synchron mit der Körperbewegung. Ein neues Prinzip und ein neuer Name war geboren: Der Schwingsessel! Darauf wurden mir später viele in- und ausländische Patente erteilt.
Das äußere Design machte mir wenig Kummer. Denn mit diesem Entwurf teile ich die Philosophie großer Architekten: Form folgt Funktion.
Der Schwingsessel ist der exklusive Ruhesessel in der Kollektion der Möbelmarke „COR-Sitzkomfort“, er findet immer mehr Freunde – in der Alten und in der Neuen Welt.
II innenarchitektur oder möbelplatzanweisung
Das technische Zeitalter hat begonnen. Überall spüren wir das: es ändert sich die Lebensweise, Gesellschaftsstruktur und der Lebensraum. Laufend werden sich nun eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, die der Technik ihre Existenz verdanken, anbieten.
Das Wohnen dem heutigen Stand der Technik und dem gewandelten Weltbild anzugleichen, es selbst zu erforschen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nutzbringend anzuwenden, ist, wie Figura zeigt, die Tätigkeit des Innenarchitekten. Seine Lösungen müssen der Zukunft weitgehend entsprechen, dürfen aber dabei physisch-psychische Bedingungen der Menschen nicht außer Acht lassen.
Ein Zeichen unserer Zeit ist die Anonymität, in der wir unser Dasein verbringen. Der Mensch lebt in dieser Anonymität und lebt mit ihren Produkten. Eine Möglichkeit, aus dieser Anonymität herauszuwachsen, den Mut zum Individualismus aufzubringen, ist das zeitgemäße und doch persönlich gestaltete Heim, fern aller Uniformismen. Wohnungen sind Mangelware. Man ist gezwungen, möglichst viele auf möglichst kleinem Platz zu errichten. Der Gestalter wird sich zur Aufgabe machen, die Vielzahl der Wohnungen nun individuell auf ihre Eigentümer abzustimmen.
Der Idealfall wäre hier die Zusammenarbeit von Architekten und Innenarchitekten zur Zeit der Planung, so wie sie in vielen Ländern zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Während der Architekt sein Werk von einer ganz anderen Warte, gleichsam von außen her betrachtet, tut dies der Innenarchitekt im übertragenen Sinne von innen her. Er bleibt darauf bedacht, die Maßstäbe des Menschlichen in den Raum hineinzubringen. Und der Mensch fordert Änderung an Funktionen und Möglichkeiten.
Der Innenarchitekt wird zeit seines Lebens ein Beobachter bleiben. Das ist unumgänglich, wenn er all das, was den Menschen in seinem Wesen ausmacht, in dem von ihm gestalteten Raum hineinbringen will. Von großem Vorteil für den Innenarchitekten ist der Umstand, dass er ständig mit Erzeugern von Möbeln, Raumtextilien und Zubehör in Kontakt kommt. Dieses Wissen wird er durch den Überblick über den jeweils neuesten Stand der Haushalttechnik ergänzen.
Die schönste Aufgabe des Innenarchitekten ist und bleibt, neben dem Künstlerischen, den Auftraggeber voll und ganz zu erkennen und die Einrichtung dessen Eigenschaften anzugleichen. Darüber hinaus ist es oftmals so, dass der Gestalter seinem Auftraggeber das Gefühl von höherer Wohnästhetik vermitteln muss und ihn zu schönerem und besserem Wohnen hinführen wird, dabei aber doch möglichst die Grenzen wahrt, welche die pekuniäre Lage und die Eigenart des Auftraggebers setzen. Dem verantwortungsbewussten Gestalter wird durch das ständige Suchen und Erkennen der Materie, durch sein in der Tätigkeit errungenes Fachwissen die Möglichkeit gegeben, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld ein Optimum an Behaglichkeit, Formschönheit, Zweckmäßigkeit und Qualität zu erreichen.
So wird er durch sorgfältige Planung und Beratung seinen Auftraggeber vor unnötigen Auslagen bewahren. Oftmals werden dabei beachtliche Beträge eingespart. Er wird sich aber gegebenenfalls hart gegen Sparen am falschen Platz wehren. Sparen ist wichtig; der Innenarchitekt soll wissen, wo dies beim Einrichten am günstigsten geschieht. Das ist jener Faktor, der dem Auftraggeber das Gefühl des Vertrauens geben wird, das der Innenarchitekt nicht enttäuscht, da er weiß, wo und wann das Sparen beim Gestalten des Heimes am wirtschaftlichsten ist. Wenn der Innenarchitekt im Laufe seiner Tätigkeit auf Grund seiner Eigenschaft als guter Gestalter, Menschenkenner und „Einsparer“ das Vertrauen seiner Auftraggeber gewinnt, kommt zum Gefühl für die Verlässlichkeit des Architekten am Ende seiner Tätigkeit auch die Anerkennung für die oftmals so unterschätzte Leistung.
Es ist dabei nicht zu übersehen, dass die Leistung ja meist im Stillen geleistet wird, auf die Anonymität der „vier Wände“ beschränkt bleibt und der Gestalter oftmals verschwiegen wird. Dabei wird es dem Innenarchitekten nicht nur Gebot, sondern sogar Aufgabe sein, sich nicht zu wiederholen. Jeder Gestalter wird seine bestimmte Eigenart entfalten. Die oftmals hörbare Meinung, der Gestalter brauche nur die Maße schon vorhandener Entwürfe auf die neuen Gegebenheiten abstimmen, ist grundsätzlich falsch. Dies beweist allein die Tatsache, dass das Kopieren immer schlechte Ergebnisse zeigt. Raum, Funktion und Bewohner sind so unterschiedlich, dass es immer eines neuen Erkennens, Planens und Entwerfens bedarf. Die Gesamtleistung des Innenarchitekten bei der Gestaltung einer Wohnung setzt sich aus so vielen Details zusammen, dass es mitunter schwer erscheint, alle Faktoren gleichzeitig im Auge zu behalten. Gelingt es ihm dennoch, hat er sich die Anerkennung redlich verdient. Er wird bemüht sein, diese zu seinem obersten Ziel zu machen, da sich in ihr seine eigene Leistung widerspiegelt.
Eine Ausstellung, die erstmals einen Einblick in das Schaffen des Tiroler Innenarchitekten und Designer Reinhold Adolf (1924 – 1999) bietet.
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