erich gottfried steinmayr: gedanken zum grottenbad flora von josef lackner, innsbruck
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 3/2015
Unter den gebauten Entwürfen von Josef Lackner sah ich im Grottenbad stets eine von den raren Arbeiten, bei denen Gegenwartsarchitektur im Kontext mit historischem Bestand zum bereichernden Dialog mit diesem führt. Die strukturell und formal gegensätzliche Reaktion auf den traditionsbezogenen, eher pragmatisch gesetzten Villenbaukörper führt hier nicht zur Konfrontation, sondern zum ausgewogenen Dialog zwischen zwei ganz ungleichen Partnern. Dabei transformiert der Neubau nicht die vorhandene Situation mit Haus im Garten in einen fremden Ort, er belässt dem Bestand die Dominanz und zeigt sich durch Unterzeichnung lediglich als bauliche Ergänzung, zurückhaltend in den weitgehend unveränderten Gartenraum integriert. Innerhalb die ser grundsätzlichen Positionierung ist der Bau aber zugleich selbstbewusst eigenständig, die geschlossene, organische Form begegnet der umgebenden Natur mit seiner Rauheit auf neue Weise und hat damit keine Mühe, sich im Garten auszubreiten. Die Qualität des Innenraumes erscheint diffizil, unmittelbar verständlich und im Geist des Auftraggebers entwickelt. Alles zusammen im Gleichgewicht, von hoher konzeptioneller Qualität.
Gerade hinsichtlich der Reaktion von neuer Architektur auf den gebauten Ort war mein Zugang zu den Arbeiten Josef Lackners anfangs nicht konfliktfrei. Manches erschien mir – bei sichtbarer Qualität – zu autonom, dialogverweigernd, formal, dem strukturellen Denken nicht unmittelbar bei der ersten Begegnung zugänglich. Inzwischen habe ich gelernt, seine Bauten vertieft zu sehen und damit auch besser zu verstehen. Gerade auch in dieser Hinsicht nimmt das Grottenbad, dessen Raum ich nur aus den Publikationen kenne, eine besondere Position ein. Das Weiterbauen am Ort erscheint auf allen Denkebenen des Entwerfens unmittelbar stimmig und im Gleichgewicht – ein wesentliches Beispiel auch für die Denkansätze der Sechziger- und Siebzigerjahre.
Sieht man das Projekt nicht nur isoliert als gebautes Objekt, sondern vernetzt man es mit den beiden Menschen, durch die es entstanden ist, so wird die kulturelle Bedeutung auch eines einzelnen Objekts noch größer. Josef Lackner ist mit Sicherheit einer der wesentlichsten Baukünstler Tirols im zwanzigsten Jahrhundert, Paul Flora hat dieselbe Bedeutung als Zeichner. Die Projekte, die in gedanklicher, freundschaftlicher Zusammenarbeit Beider entstanden, sind deshalb kulturelle Gegenstände, die auch aus kulturhistorischer Sicht für das Land wichtig und jedenfalls erhaltenswert sind.
Meine wenigen Begegnungen mit Josef Lackner waren so, dass ich die Erinnerungen von Paul Flora gut nachvollziehen kann, meine wenigen Gespräche mit Paul Flora lassen mich ahnen, dass die Zusammenarbeit der beiden kulturellen Menschen die Basis für diese gebaute Qualität ist.
erich gottfried steinmayr (geb. 1946)
Freischaffender Architekt mit Büros in Feldkirch (mit Richard Dünser) und in Wien (mit Friedrich Mascher); u. a. Fachbeirat des BMUK für Denkmalschutz
paul flora (1922 – 2009)
Renommierter Zeichner, Karikaturist, Grafiker und Illustrator,
der u. a. für den Diogenes-Verlag sowie für internationale Zeitungen wie „Die Zeit“, „The Times Literary Supplement“, „Du“, „Observer“ arbeitete und über 130 Bücher .
josef lackner (1931 – 2000)
Einer der einflussreichsten österreichischen Architekten der Nachkriegszeit, dessen Projekte jenseits von Moden und Trends durch ihre konzeptionelle Stringenz und strukturelle Qualität bestechen.
„An das vorhandene Wohnhaus wurde von dessen Untergeschoß erreichbar das Schwimmbad angebaut. Es war Ziel der Planung, den sonst allzu sportlichen Aspekt einer solchen Aufgabe zugunsten einer freieren, vergnüglicheren Auffassung zu verdrängen. Die Klima- und Höhenlage sowie viele optische und praktische Überlegungen führten zur Lösung in Richtung Grotte. Die Form des Raumes und damit der Wasserfläche animiert neben dem Schwimmen auch zum Spiel. Vom Eingang aus sind die Wasserfläche (35 m2) und der Raum nicht ganz zu übersehen, d. h., der Inselplatz ist nur schwimmend erreichbar. Durch sieben Lichtkuppeln wird die Anlage von oben mit Tageslicht, aber auch nachts durch Außenscheinwerfer erhellt. Die Sonne und der Mond werfen Lichtellipsen an die Wände. Im Sommer beherrscht das Grün der Baumkronen, im Winter das Blau des Himmels oder der fallende Schnee den Raum.“
(Josef Lackner)
Text: Erich Gottfried Steinmayr, aus aut: info 3/15