axel feuß: wenzel hablik
ein künstler auf dem weg in die utopie
vortragWenzel Hablik ist einer der ungewöhnlichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Er wurde in Böhmen geboren und an der Wiener Kunstgewerbeschule ausgebildet, mitten in der Hochphase des Wiener Jugendstils. So lag es nahe, dass er sich, obwohl er eigentlich Maler, Graphiker und Schriftkünstler war, auch mit allen Details der Innenraumkunst wie Möbeln, Wanddekorationen, Textilien, Lampen, Silberdosen, Bestecken und vielem mehr beschäftigte. Er war aber auch der erste Künstler seiner Zeit, der schon kurz nach 1900 utopische Bauten aus Kristallen und geschmolzenem Glas, im Gebirge, im Meer und auf fremden Gestirnen entwarf und der in seiner Phantasie und auf dem Zeichenpapier fliegende Siedlungen auf die Reise in die Tiefen des Universums schickte.
Seine literarischen Vorlagen fand er in der Dichtung der Romantik bei Novalis, bei utopischen Schriftstellern wie Jules Verne und Kurd Laßwitz und bei dem sozialutopischen Berliner Dichter Paul Scheerbart, der auch die Architekten in der Zeit des Expressionismus wie Bruno Taut und die Mitglieder der Künstlergemeinschaft „Gläserne Kette“ entscheidend beeinflusste. Habliks Gemälde mit Ansichten des Weltraums und von riesigen gläsernen Kuppeln im Gebirge gehören ebenso wie seine buntfarbigen expressionistischen Innenräume der zwanziger Jahre, in denen er die Utopie verwirklichen wollte, zu den ausgefallensten künstlerischen Leistungen des Jahrhunderts.
Der Vortrag spürt den theoretischen und literarischen Grundlagen von Habliks Utopien nach, erläutert dessen Verbindungen zu Taut und anderen Künstlern des utopischen Expressionismus und zeigt ein künstlerisches Werk, das einer größeren Öffentlichkeit bisher weitgehend unbekannt geblieben ist.
axel feuß
geb. 1957 in Flensburg (D)
Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Volkskunde in Hamburg und München; 1987 Promotion mit einer Arbeit über die Architekturphantasien und das Kunsthandwerk von Wenzel Hablik
1994 – 97 Ausstellungsleiter am Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg; 1998 – 2001 Wissenschaftlicher Direktor des Museums Ostdeutsche Galerie, Regensburg
2001 – 04 Wissenschaftlicher Direktor des Altonaer Museums, Hamburg
lebt als freier Ausstellungsmacher und Publizist in Flensburg und Bangkok; zahlreiche Ausstellungskataloge und Aufsätze zur Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts, zu zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern und zur Kulturgeschichte Norddeutschlands