gerhard fritz: stadt ist keine ansammlung von gebäuden, sondern gebauter gesellschaftsvertrag
vortragSeit Juli 2012 ist Gerhard Fritz (Innsbrucker Grüne) Stadtrat für Stadtentwicklungsplanung. Ausgehend vom Arbeitsübereinkommen der neuen Innsbrucker Stadtregierung präsentiert er in einem programmatischen Vortrag seine Gedanken zur Innsbrucker Stadtentwicklung:
Im Arbeitsübereinkommen der neuen Innsbrucker Stadtregierung heißt es zum Thema Stadtentwicklung: „Der Stadtplanung [kommt] vor allem die Rolle des Mediators zwischen öffentlichen Interessen und legitimen Privatinteressen zu. Wir verstehen Stadtentwicklung als partizipative Kooperation von BürgerInnen, Wirtschaft, Tourismus, Universität, Politik, Verwaltung und weiteren externen ExpertInnen ...“
Was also heißt es, das „öffentliche Interesse“ zu vertreten und durchzusetzen, wenn „hoheitliche“ Stadtplanung nicht mehr funktioniert? Und zu welchem Zweck?
Wachsen auf engem Raum heißt „Zusammenrücken“, jedenfalls solange es das erklärte politische Ziel ist, nicht wesentlich über die bestehende Baulandgrenze hinaus zu wuchern. Das Buch „Tyrol City“ war ein Warnschuss. Die kompakte europäische Stadt spart nicht nur öffentliche Infrastrukturkosten, sondern ist auch ökologisch, weil sie den Naturverbrauch minimiert. Die gute alte Blockrandverbauung mit Nutzflächendichten um 2,0 ist bodensparender als jede Hochhausentwicklung auf der grünen Wiese. Auch ohne High-Tech ist Wohnen in der Stadt in der Gesamtenergiebilanz ressourcensparender als ein EnergiePlus-Einfamilienhaus mit langen motorisierten Individualverkehrs-Wegen zum Arbeitsplatz. Wachsen auf engem Raum stellt natürlich die Stadtentwicklungsplanung vor große Herausforderungen. „Gerade wegen der nötigen Binnenverdichtung [werden wir] einen Schwerpunkt auf die Ausstattung der Stadtquartiere mit Frei- und Grünräumen, mit attraktiven Gemeinschaftseinrichtungen und auch ausreichenden privaten Rückzugsräumen legen“, umschreibt das Regierungsprogramm die anstehende Quadratur des Kreises.
Damit nicht genug. Die demografische Entwicklung – die Hälfte städtischer Haushalte sind Single-Haushalte – verschärft die Herausforderung. Die Steigerung der Wohnfläche pro Kopf war gegenüber der gründerzeitlichen Situation natürlich ein Segen, daraus ist – wie aus der „großen Freiheit“ der Automobilität – ein Fluch geworden: Können wir uns über 40 m2 Wohnfläche pro Nase im Single-Haushalt noch leisten? Braucht jedeR Single eine eigene Küche? Müssen wir nicht auch alternative Wohnformen – mit der Leitidee der „resilience“, von der Christoph Chorherr vor einem Jahr im aut gesprochen hat – andenken und realisieren? Wer könnten die TrägerInnen von Pilotprojekten sein, und was kann die Stadt tun, um neue Trends anzuschieben?
Wir haben noch nicht alle Antworten, aber die richtigen Fragen zu stellen, ist auch schon ein Anfang.
gerhard fritz
geb. 1949 in Innsbruck; Dolmetsch-Studium für Englisch und Italienisch an der Universität Innsbruck; berufsbegleitende Fortbildungen in Volkswirtschaft, Ökologie und EU-Recht; 1975 – 2001 Angestellter im Tiroler Landesreisebüro bzw. Österreichisches Verkehrsbüro; 2001 – 12 Angestellter bei der IVB – Innsbrucker Verkehrsbetriebe
Gründungsmitglied der österreichischen Grünen; seit 1989 Gemeinderat in Innsbruck; seit 1990 Mitglied des Bauausschusses; 1991 – 2000 und seit 2012 Mitglied des Stadtsenats; 2000 – 2012 Klubobmann der Innsbrucker Grünen
seit Juli 2012 amtsführender Stadtrat für Stadtentwicklungsplanung, Bau-, Betriebs-, Wasser- und Anlagenrecht, Bau- und Feuerpolizei, Grünanlagen (inkl. Friedhöfe) und Integration in der „Ampelkoalition“ (Für Innsbruck, Grüne, SPÖ) in Innsbruck