urbanität & ästhetik 3: "london on film"
filmreihe im cinematograph
veranstaltungIn Fortsetzung der Reihe „URBANITÄT & ästhetik“ wird nun London mit Hilfe von filmkundlichen Ortsvermessungen gezeigt. In dieser dreitätigen Filmreihe soll die vielschichtige Stadtgestalt von London aus filmhistoriographischer Sicht untersucht und dargestellt werden. Das Projekt stellt seltenes Filmmaterial vor, das nicht nur die Wechselwirkung von Stadt und Kino betont, sondern einige Aspekte städtischen Lebens bzw. urbaner Wahrnehmung beinhaltet, die sich aus den Leitbildern der Großstadt entwickelt haben. Das dreiteilige Filmprogramm stellt ausschließlich dokumentarische, essayistische und experimentale Kurzfilme sowie exemplarische Stadtdokumentationen vor.
Programmkonzeption:Helmut Weihsmann, Wien
In Zusammenarbeit mit dem Cinematograph
14. März, 19.00 Uhr
Opening Night:
LONDON [85 min.]
Patrick Keiller. GB. 1994. Farbe. 35 mm. OmU.
15. März, 19.00 Uhr
London’s Past & Present [82 min.]
EVERY-DAY EXCEPT CHRISTMAS
Regie: Karel Reisz & Lindsay Anderson. Musik: Daniel Paris. GB. 1957. 37 min. SW. 16 mm. OF.
BOROUGHS MARKET
Regie: Nick Collins. GB. 1995. 4 min. Farbe. 16 mm. OK.
ONLY AT FIRST
Regie: Nicky Hamlyn. GB. 1991. 22 min. Farbe. 16 mm. OK.
VIEWS FROM THE CITY
Regie: Nick Collins. GB. 1992. 19 min. Farbe. 16 mm. OK.
16. März, 19.00 Uhr
London-Kaleidoskop [66 min.]
THE GIRL CHEWING GUM
Regie: John Smith. GB. 1972. 12 min. SW. 16 mm. OF.
BROADWAY REGENT’S PARK
Regie: William Raban. GB. 1972. 14 min. Farbe. 16 mm. OK.
CROFTON ROAD S.E. 5
Regie: Gerd Gockell. BRD. 1990. 5 min. Farbe. 16 mm. OK.
JAUNT
Regie: Andrew Kötting. GB. 1995. 5 min. Farbe. 16 mm. OK.
TERMINUS
Regie: John Schlesinger. Musik: Ron Granien (Johnny Scott). GB. 1961. 30 min. SW. 16 mm. OK.
Legende:
OF Originalfassung
OK Ohne Kommentar
OmU Original mit Untertitel
Filmbeschreibungen:
Do 14. März 19.00 Uhr
LONDON
Patrick Keiller. GB. 1994. 85 min. Farbe. 35 mm. OmU.
Der Filmessay zum fin-de-siécle-London ist eine literarisch-spekulative Stadterkundung in Form eines Forschers bzw. Doppelgängers vom fiktiven Filmautor, eines gewissen Mister Robinson (Sprecher: Sir Paul Scofield), in die vergangenen und überdeckten Schichten der Stadt. Vom Zentrum bis in die Peripherie der Stadt unterwegs, begibt sich Robinson auf die Suche nach der wahren Identität Londons und konstatiert, daß der Stadtkörper krank sei und bereits seinen geistigen und physischen Höhepunkt überschritten habe, und wie das untergegangene Empire allmählich in sich zusammenfällt und stirbt.
Fr 15. März 19.00 Uhr
London’s Past & Present [82 min.]
EVERY-DAY EXCEPT CHRISTMAS
Karel Reisz & Lindsay Anderson. GB. 1957. 37 min. SW. 16 mm. OF. Musik: Daniel Paris.
Der sicher nicht nur komplexeste, streitsüchtigste, aber auch einflußreichste Regisseur sowie Spiritus rector der Free-Cinema-Bewegung war der großartige Lindsay Anderson. 1957 drehte er, einer Einladung seines Studienkollegen Karel Reisz folgend, womöglich den einfachsten Film seiner wechselhaften Karriere. In diesem mittellangen Dokument mit dem verdeutschten Titel „Jeden Tag außer Weihnachten” geht es um den Versuch, die arbeitenden Menschen auf dem berühmten, inzwischen stark veränderten Freiluftmarkt von Covent Garden im Bauch von London, wo sich früher der zentrale Blumen-, Obst- und Gemüsemarkt der Stadt sich befand, zu porträtieren. Kommentar von Alan Owen.
BOROUGHS MARKET
Nick Collins. GB. 1995. 4 min. Farbe. 16 mm. OK.
Ein Filmexperiment über einen lokalen Straßenmarkt als zeitliches und räumliches Phänomen: Dieser minimalistische Filmessay als formales Cinéma-pur-Experiment über Licht- und Schattenspiele an Hausmauern, Passagen, Gitterzäunen und Geschäftsbuden erzählt von der Banalität sowie von der Poesie des Alltages.
ONLY AT FIRST
Nicky Hamlyn. GB. 1991. 22 min. Farbe. 16 mm. OK.
Eine Gruppe von strengen Konzeptionalisten und Fluxus-Künstlern haben Anfang der 70er Jahre, zu denen Peter Gidal, Michael Maziere, William Raban, David Larcher, Nick Collins, Nicky Hamlyn und andere Filmkünstler der London Filmmaker’s COOP gehörten, ausgesprochene „Raumfilme” hergestellt, wobei sie die informellen und räumlichen Elemente des Films betont haben. Diese „minimalistische” Annäherung an die scheinbar unmerkliche Veränderung urbaner Systeme von Stunde zu Stunde erinnert stark an die Methodik von Minimal- und Concept-Art: Der experimentelle Filmshort wurde lediglich von einem einzigen Standpunkt, einem Haus auf einem so genannten ”urban wasteland” aus aufgenommen.
VIEWS FROM THE CITY
Nick Collins. GB. 1992. 19 min. Farbe. 16 mm. OK.
Der behutsam gemachte Filmessay ohne Kommentar, ausschließlich mit O-Ton und raffiniertem Soundtrack von Conor Kelly, ist in drei Abschnitte, ähnlich einem Triptychon streng voneinander geteilt: Jeder Teil beschäftigt sich mit unterschiedlichen Orten und Gegenständen. Zunächst ein Geburtsort der Stadt: Jericho (ca. 7000 v. Chr.); Stadtbilder aus dem Britischen Museum, ein verzierter Totenschädel und andere archäologische Funde; die tote Stadt von Lakhish in Isreal, längst überwachsen von Gras, dann London, gefilmt 1898 und heute. Verschwommene Bilder von Wohntürmen, alte wie moderne, archaische Mauern in einem magischen Auge reflektiert.
16. März um 19.00 Uhr
London-Kaleidokop [66 min.]
THE GIRL CHEWING GUM
John Smith. GB. 1972. 12 min. SW. 16 mm. OF.
Eine gebieterische, wenn auch kauzige Off-Stimme scheint die Vorgänge in einer lebhaften Straße von Camden Town nach vermeintlichen „Regieanweisungen” zu lenken. Da die Anweisungen immer absurder und verspielter werden, bemerken wir, daß der vermeintliche „director” fiktiv ist. Er beschreibt lediglich die Szene, gibt so genannte ”Ereignisse” vor, schreibt nicht die Handlungen vor.
BORADWAY REGENT’S PARK
William Raban. GB. 1972. 14 min. Farbe. 16 mm. OK.
Filmexperiment des New Britisch Cinema. Die starre Kamera wurde auf eine Allee des Regent’s Park gerichtet und nahm nur drei Bilder anstatt 24 Bilder pro Sekunde auf. Während der zwanzig Sekunden, die die Aufnahmen voneinander trennten, wurde der Verschluß offen gehalten, so daß die einzelnen „Photogramme” (nach Man Ray) bei der Projektion verschmolzen und so der Bewegungsfluß der Menschen sichtbar gemacht werden konnte.
CROFTON ROAD S.E. 5
Gerd Gockell. BRD. 1990. 5 min. Farbe. 16 mm. OK.
Eine strukturalistische, lautmalerische sowie experimentelle Stadterkundung aus zerstückelten Momentaufnahmen, die zu einem collagierten Filmplakat aus urbanen Motiven werden: Eine Wohnstraße mit jenen typisch viktorianischen Reihenhäusern der Vorstadt, die vielfältigen Straßenläden und Interieurs, die engen Gänge der Untergrundbahn, kurzum alle Zeichen und Elemente, die die Atmosphäre eines heruntergekommenen Stadtviertels im East End widerspiegeln. Die Kamera stellt mit Hilfe von graphisch reizvollen und technisch aufwendigen Trick- und Montageverfahren Bewegungen wieder her, die der Photoapparat zuvor zerstückelt hatte.
JAUNT
Andrew Kötting. GB. 1995. 5 min. Farbe. 16 mm. OK.
Eine ironisch-verspielte Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Stadtgestalt am Beispiel einer imaginären Bootsfahrt entlang der Themse – vom Southend-on-the-Sea bis zum Parlamentsgebäude und der Tower-Brücke im Herzen der City.
TERMINUS
John Schlesinger. GB. 1961. 30 min. SW. 16 mm. OK. Musik: Ron Granien (Johnny Scott).
Knapp vor seinem grandiosen Spielfilmdebut mit A KIND OF LOVING (1962) schaffte es der spätere amerikanische Top-Regisseur ein kleines Juwel der Filmkunst herzustellen. In diesem „semi-dokumentarischen” Filmessay und Auftragswerk für British Rail Transport (Produzent: Edgar Anstey) über den Bahnhof Waterloo Station im time lap von 24 Stunden fängt Jung-Regisseur John Schlesinger den romantischen Realismus seiner Vorbilder der klassischen britischen Dokumentarbewegung ebenso ein wie das Lebensgefühl und die Atmosphäre einer längst versunkenen Epoche, in der das alt-englische Bahnpersonal aus wahren Gentlemen-Typen bestand, und die Bahnreisen zum Vergnügen und gepflegten Luxus der Oberschicht gehörten.
Filmtexte: Helmut Weihsmann © 2002
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem Cinematograph-Programm März 02 unter www.cinematograph.at