Unter dem Titel „Wohnen Morgen“ lancierte das österreichische Bundesministerium für Bauten und Technik zwischen 1969 und 1975 eine bemerkenswerte Serie von Architekturwettbewerben, um zu alternativen und zukunftsweisenden Wohnbauten zu gelangen. Die Vielfalt der entstandenen Lösungsvorschläge spiegelt die internationalen Debatten und Strömungen der 1960er- und 1970er-Jahre wider, in Schlagworten zusammengefasst: Verdichtung, Addition und Stapelung, Maßstabsvergrößerung, Vorfabrikation, Variabilität und Flexibilität, Partizipation und Humanität. Entsprechend reichen die Typologien von Großwohnsiedlungen über Neuinterpretationen von Blockrandbebauungen bis zu zahlreichen Varianten von Terrassenhäusern und Teppichsiedlungen.
Unter den österreichweit prämierten Arbeiten finden sich auch zahlreiche Beiträge von damals jungen Tiroler ArchitektInnen – etwa von Andreas Egger, Siegbert Haas, Günther Norer oder Hanno Schlögl –, die sich durch ihren experimentellen Geist und zukunftsweisende Ansätze auszeichnen. Nur wenig von diesem Gedankengut hat jedoch Einzug in die Realität gefunden. Dazu zählen unter anderem Projekte wie die Terrassenhausanlage Sonnleitn oder die Reihenhausanlage in Vill – eines der seltenen Beispiel für partizipatorisches Bauen in Tirol – des erst im Frühjahr 2020 verstorbenen Architekten Andreas Egger.
In ihrem Vortrag geben die Architektinnen und Forscherinnen Alexa Baumgartner und Birgit Brauner einen Einblick in die Wettbewerbsbeiträge, stellen ausgewählte realisierte Projekte vor und zeichnen nationale sowie internationale Einflüsse nach.
alexa baumgartner
geb. 1985 in Bozen (IT); Architekturstudium in Innsbruck und Eindhoven; 2013 – 18 Mitarbeiterin bei Stadt:Labor – Architekten Innsbruck; seit 2013 Mitarbeiterin am Institut für Architekturtheorie der LFU Innsbruck; Forschung zur österreichischen Architektur-Avantgarde der 1960er und 70er; lebt in Innsbruck.
birgit brauner
geb. 1973 in Diepholz (D); Architekturstudium an der Universität Innsbruck und der University of East London; seit 2007 Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gestaltung.studio2 der LFU Innsbruck; 2019 Doktorat im Fachbereich Architektur zu Strategien des Eingreifens in informellen Siedlungen anhand von Fallbeispielen in Lissabon und Sao Paulo; lebt in Innsbruck.