„[mitnehmen] - mitführen, wegtragen, bei sich tragen. Mitnehmen beschreibt sowohl eine aktive Handlung als auch psychisches und physisches Empfinden und Belasten. „Soll ich dich mit dem Auto mitnehmen?“ „Ja bitte, der Vortrag hat mich heute richtig mitgenommen, ich bin total fertig.“ „Stimmt. Das Thema war heute sehr bedrückend aber ich konnte für mich persönlich einiges mitnehmen.“ „Wenn du möchtest, können wir uns am Weg noch was mitnehmen und zuhause essen.“ Mobilität und Flexibilität verlangen von Menschen in kürzester Zeit mehrere Aufgaben an verschiedenen Orten zu bewältigen. Lebenswichtige persönliche Bräuche und Gewohnheiten verliert man auf dem Weg, wenn man nicht aufmerksam bleibt und sie mitnimmt. Kultur mitzunehmen bedeutet nicht, etwas wegzunehmen, einen Mangel zu hinterlassen. Im Gegenteil, man erzeugt eine Basis zur Interaktion mit anderen Kulturen und schafft Möglichkeiten eines offenen Dialogs, wenn man seine Werte und Überzeugungen vertritt.“ (raumtaktik; nach einer Arbeit von Stefanie Budweiser aus dem Seminar „Kuratorische Praxis“)
Azra Aksamija: Flocking Mosque
Eine Moschee kann sehr verschiedene Formen annehmen - im Islam gibt es prinzipiell keine Vorgaben zur Architektur und Gestaltung eines Gebetsraums. Die ganze Welt kann Moschee sein, „Ort des Niederwerfens vor Gott“ (arab. „masdschid“), sofern die minimalen Anforderungen erfüllt werden: ein nach Mekka ausgerichteter und spirituell reiner Ort des Gebets.
Azra Aksamija interpretiert dieses Konzept der „Welt als Moschee“ neu. Die religiösen Vorgaben respektierend zielen ihre Arbeiten darauf ab, traditionelle Formen und Funktionen der Moscheen in einem zeitgenössischen Kontext zu hinterfragen und dabei einen konstruktiven interkulturellen Dialog zu fördern. So ist ihre „Nomadic Mosque“ ein Kleidungsstück, das mit einigen Handgriffen zu einer Minimalmoschee umgebaut werden kann. Eine tragbare Architektur, die einen „Instant“-Gebetsraum für zwei Personen entstehen lässt. In ihrer Gestaltung kann sie den individuellen Anforderungen und Erfahrungen der Gläubigen angepasst werden - etwa auch als „Dirndlmoschee“. Ihre mobilen Raumproduktionen, sozusagen Bekenntnisse zum Mitnehmen, zeigen die unterschiedlichen Zustände und Bedürfnisse einer kosmopolitischen Generation Muslime auf und dekonstruieren zugleich die zumeist territorial geprägte Behauptung religiöser Räume durch eine nomadische Architektur.
Im aut zeigt Aksamija ihr von der islamischen Ornamentik inspiriertes Projekt „Flocking Mosque“, eine Moschee aus Textil, die die geometrischen Muster islamischer Bauwerke aufnimmt und sie dem Verhalten der Gläubigen gegenüberstellt. Ein Blütenkranz bietet zwölf Gläubigen Raum für ihr Gebet und stellt eine saubere Oberfläche für jene Körperteile zur Verfügung, die dabei den Boden berühren: zwölf Paar Hausschuhe, zwölf Paar Handkissen, zwölf Kopfkissen und in der Mitte ein Beutel mit zwölf Gebetskränzen und einem Kompass. Das geometrische Muster - Ausdruck der Logik und Ordnung, die der islamischen Sichtweise des Universums innewohnen - wird im Gebrauch zur visuellen Analogie der religiösen Verhaltensweisen.
azra aksamija
geb. 1976 in Sarajevo; Künstlerin, Architektin und Architekturhistorikerin; Architekturstudium an der TU Graz und an der Princeton University; forscht derzeit als PhD-Kandidatin am Institut für Architekturtheorie und Architekturkritik am MIT (Aga Khan Program for Islamic Architecture) über zeitgenössische Moscheen-Architektur im post-sozialistischen Bosnien-Herzegowina
ausstellungen (Auswahl)
Einzelausstellungen 2008 „Portable Mosque“, IPC Gallery, Sarajevo; 2007 „Kunstmoschee“, Secession Wien; Zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen u. a. 2002 Generali Foundation, Wien; 2003 Biennial de Valencia; Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig; 2004 Liverpool Biennal; 2005 Krannert Art Museum, Champaign; Galerie 5020, Salzburg; Witte de With, Rotterdam; 2006 University of California Art Museum, Santa Barbara; 2007 Stadsgalerij Heerlen; 2008 Manifesta 7, Rovereto; Regionale 08, Steiermark; NAi Rotterdam; 2009 Stroom Den Haag; Ander Art Festival 2009, München; 2010 Jüdisches Museum Wien; Cleveland State University Art Gallery, Cleveland
Eine Ausstellung mit freundlicher Unterstützung durch KulturKontakt Austria