„[überbauen] - überlagern, erweitern, verdecken, ergänzen, transformieren, umfunktionieren, überbrücken, vergessen, übertrumpfen, auslöschen. Die organische Entwicklung und Verdichtung von Städten ist ein permanentes Überbauen, dass das Alte manchmal integriert oder fokussiert, oft aber überholt und verdrängt. Es hat eine lange Tradition, Macht durch das Einnehmen und Überformen vorhandener Strukturen zu verfestigen. Schon frühchristliche Kirchen wurden bevorzugt auf heidnischen Kultstätten oder Tempelanlagen errichtet. Sowohl um den alten Machtanspruch zu beseitigen, zu übertrumpfen und Geschichte räumlich einzuschreiben, als auch um die vorhandene Energie aufzugreifen. Im Extremfall nutzen immer höhere Häuser die vorhandene Infrastruktur und verdichten den Stadtraum. Besonders in prosperierenden Städten wird versucht, dieser Überbauung und Spekulation mit „Zoning“-Regeln Einhalt zu gebieten.“ (raumtaktik)
Dubravka Sekulic: Don't Stare so Romantically!
Dubravka Sekulic beschäftigt sich insbesonders mit der Transformation der Stadt und des Stadtraums und dessen Auswirkungen auf den öffentlichen und privaten Raum.
Macht die Unterscheidung zwischen geplanter und ungeplanter Stadtentwicklung noch Sinn? Was passiert wenn Formalitäten den Antrieb für extralegale Raumproduktion bilden?
Die drastische räumliche Transformation Belgrads in den letzten zwei Jahrzehnten kann man an den Dächern im Zentrum der Stadt ablesen. Erst wurden kleine Erweiterungen angebaut, meist ohne Erlaubnis und von eigener Hand realisiert. Unfähig den Wohnungsmangel zu beheben, entwickelten Stadt und Staat Legalisierungsprozeduren, die theoretisch weitere „wilde“ Bauten verhindern und bestehende „normalisieren“ sollten. In Realität wurde damit der Weg zu einer offiziellen Baugenehmigung nie genug, die Legalisierung aber zu sehr vereinfacht. Illegale Erweiterungen nahmen drastisch zu. Die Größe vervielfachte sich, statt privater Bauherren wurden Investoren zu systematischen „Dachausbauern“, die diese Grauzone der Raumproduktion ausnutzen.
„Don't Stare so Romantically!“ untersucht die treibenden Kräfte dieser informellen Stadtentwicklung ohne in die Falle zu tappen, die Dachaufbauten entweder als kranke Auswüchse abzulehnen oder sie als ultimative Aneignung durch die Bewohner zu begrüßen. Anhand von Fotodokumentationen, Modellen und Interviews mit den Bewohnern geht sie der Frage nach, wie informelle Praktiken in eine „formale“ Architektur implementiert werden können.
dubravka sekulic
geb. 1980 in Nis (Serbien); Architekturstudium an der Universität Belgrad; arbeitet derzeit an der Jan van Eyck Akademie, Maastricht; forscht u. a. über „Department Stores in Yugoslavia“, „Conditions of Labour in Architecture and Design“ (gem. mit Ziga Testen), die Transformation von New Belgrad „Unplanning the Plan“ (gem. mit Branko Belacevic“) sowie „Belgrade, Belgrade: Ongoing Archive of Unruled Practices“ (gem. mit Ivan Kucina); 2010 wird ihr Buch „Don't Stare so Romantically“ erscheinen.
Eine Ausstellung mit freundlicher Unterstützung durch KulturKontakt Austria