aut stellt vor: matthias böttger, friedrich von borries (raumtaktik)
Interimistische Leitung des aut im Jahr 2010
Nachdem sich der Leiter des aut Arno Ritter 2010 für ein Jahr karenzieren lässt, um sich seinem Sohn zu widmen, wurde vom Vorstand des aut eine interimistische Vertretung gesucht und in den Raumtaktikern Matthias Böttger und Friedrich von Borries gefunden. Gesellschaftspolitische Themen wie Globalisierung, Migration, ökonomische und ökologische Transformation, Kommerzialisierung, Eventisierung stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeit – einiges davon werden sie auch in Innsbruck behandeln.
Bekannt wurden die beiden Architekten als Generalkommissare und Kuratoren des Deutschen Beitrags auf der Architekturbiennale 2008 in Venedig. Dort zeigten sie „Updating Germany – 100 Projekte für eine bessere Zukunft“, neue Konzepte für nachhaltige Architektur und Städtebau. Auch die Ausstellungsarchitektur des deutschen Beitrages, ein großes Mobile, das die Fragilität und Unausgeglichenheit des heutigen ökologischen und ökonomischen Systems versinnbildlichte, haben sie mit ihrem in Berlin ansässigen Büro „raumtaktik – räumliche Aufklärung und Intervention“ entwickelt.
Diese Doppelrolle ist typisch für das Team, das seit 2003 zusammen arbeitet. Sie verstehen sich als Hybride aus Architekt, Theoretiker und Vermittler: Raumtaktiker eben. Zu ihrem Portfolio gehören wissenschaftliche Studien, zum Beispiel das Buch „Wer hat Angst vor Niketown“, in dem die Auswirkungen von urbanem Marketing auf die Nutzung der Stadt reflektiert wird, oder das Buch „Space Time Play“, in dem die Räumlichkeit von Computerspielen untersucht wird. Neben der Theorie geht es raumtaktik aber auch um Erlebnisse. Events wie die jährlich stattfindende Berliner Strandvölkerballweltmeisterschaft gehören deshalb auch zu ihrem Tätigkeitsfeld.
Für das aut wurden sie vor allem wegen ihrer experimentellen Ausstellungskonzepte ausgewählt. Im Fanshop der Globalisierung zeigten sie 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft, wie man mit Fußball die Globalisierung erklären kann. Dazu luden sie Modedesigner ein, Fußballtrikots von Spielern und Vereinen, die für gesellschaftliche Phänomene wie „Internationale Geldströme“ oder „Migration“ repräsentativ sind, entsprechend den hinter der glamourösen Oberfläche liegenden Geschichten umzugestalten. Mit einem Hochseecontainer, der wie ein schicker Fanshop ausgebaut war, zogen sie mehrere Wochen durch die Fanzonen der deutschen Austragungsorte. Anlässlich der Euro 2008 wurde der Fanshop übrigens auch im „Museum der Arbeit“ in Steyr gezeigt.
Für die Transmediale 2009 „DeepNorth“ bauten sie das Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ in ein temporäres Flüchtlingscamp um und entwickelten aus Müll und Architekturen vorangegangener Ausstellungen Zeltstrukturen und Displays.
Derzeit, von 3. Oktober 2009 bis 14. März 2010 zeigt raumtaktik im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt die Ausstellung „TV-Towers – 8859 Meter Architektur und Politik“. 25 Fernsehtürme aus aller Welt reflektieren dort das Verhältnis zwischen Architektur und Politik. Sie stehen für propagandistische Bemühungen, architektonische Ästhetik, Stadtmarketingkonzepte, aber auch für die alltägliche Aneignung und Umwertung von Architektur durch seine Benutzer. Wer in dieser Ausstellung Modelle und Fotos der Türme erwartet, wird aber überrascht, es sind nur Souvenirs zu sehen.
aut freut sich auf die beiden Berliner Raumtaktiker und auf die spannenden Ausstellungen und Konzepte, die sie in Innsbruck realisieren werden.
friedrich von borries
geb. 1974 in Berlin; 1993 – 99 Studium der Architektur an der Universität Karlsruhe und an der Hochschule der Künste Berlin; 2004 Promotion; Lehrtätigkeit und wissenschaftliche Mitarbeit u. a. an der TU Berlin, Stiftung Bauhaus Dessau, ETH Zürich und MIT Boston; 2007 – 08 Gastprofessor für Stadtforschung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg; seit 2009 Professor für Designtheorie und kuratorische Praxis an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg
matthias böttger
geb. 1974 in Braunschweig; 1993 – 2000 Architektur- und Städtebaustudium an der Universität Karlsruhe und an der Westminster University London; seit 2002 post theater – Theater ThinkTank (gem. mit Max Schumacher und Hiroko Tanahashi); Lehrtätigkeit und wissenschaftliche Mitarbeit u. a. an der Stiftung Bauhaus Dessau, der Universität Stuttgart und zur Zeit an der ETH Zürich; 2007 – 08 Gastprofessor für Stadtforschung an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg; 2007 – 09 Fellow an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart
seit 2003 gemeinsames Büro raumtaktik – räumliche Aufklärung und Intervention in Berlin
kuratorische tätigkeit (Auswahl)
2006 Wanderausstellung „Fanshop der Globalisierung“ (Dortmund, Stuttgart, Hamburg, Frankfurt, Berlin, Hannover, Leipzig, Köln); 2008 Generalkommissare des deutschen Beitrags „Updating Germany“ auf der XI. Internationalen Architekturbiennale in Venedig; 2009 Ausstellung „8859 Meter Architektur und Politik“, Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt
publikationen (Auswahl)
2004 F. von Borries „Wer hat Angst vor Niketown?“, episode publishers, Rotterdam; 2006 „Fanshop der Globalisierung“, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn; 2007 „Space Time Play“ (gem. mit S. P. Walz), Birkhäuser, Berlin Boston Basel; 2008 „Updating Germany. 100 Projekte für eine bessere Zukunft“, Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit; „Bessere Zukunft? Auf der Suche nach den Räumen von Morgen“ (gem. mit F. Heilmeyer), Merve Verlag, Berlin; 2009 „Overpowered“ (gem. mit F. Heilmeyer), Jovis sowie zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften und Fachbüchern