Laudatio von Arno Ritter anlässlich der Verleihung des Tiroler Landespreises für zeitgenössische Kunst an Rens Veltman, 2011
am anfang war ein tisch, ein kleiner campingtisch hinter der kinderzimmertür, versteckt oder – anders formuliert – gleichsam geduldet in der häuslichen ordnung der mutter. dieser unscheinbare tisch bedeutete für den kleinen buben, eine gewisse zeit seiner kindheit hindurch, die zentrale grundfläche seiner welterfahrung und weltaneignung. denn dieser tisch definierte jenen bereich, den er benötigte, um in gewissem sinne zu seinen dingen und damit in die welt zu kommen. denn diese banale tischplatte mit den vier beinen markierte jenes territorium, auf dem rens spielte, aufgaben machte, seine physikalischen experimente durchführte, zeichnete, träumte und letztendlich jenen eigenwilligen und spezifischen blick schulte, der ihn sein leben lang begleiten sollte und bis heute auszeichnet. denn auf dieser oberfläche kamen die unterschiedlichsten gegenstände und themen zusammen, wurden die teilweise gegensätzlichen welten von ihm spielerisch in beziehung gesetzt und daraus ein eigenständiger kosmos gebastelt. die einzelwelten als material wurden auf diesem banalen campingtisch ausgebreitet, versteckt hinter der kinderzimmertür, begegneten sich rein zufällig, wurden von rens arrangiert, analysiert und verarbeitet. denn was die scheinbar widersprüchliche kreativität und logik von rens veltman zusammenhält ist sein individueller blick auf die dinge, hinter dem ein subtiles inhaltliches beziehungsgeflecht steht. ähnlich dem philosophischen prinzip der wunderkammer der renaissance, in der aufgrund der angenommenen göttlichen ordnung ein kristall neben einem astronomischen gerät, ein gemälde und der federschmuck eines indigenen volkes nebeneinander und vor allem gleichwertig ausgestellt werden konnte, da man sich damit dem sogenannten buch gottes zu nähern suchte und die dahinter liegende transzendentale logik vermitteln konnte, greift rens als skeptischer zeitgenosse von heute die unterschiedlichen dinge wie themen an, um sie entlang seines künstlerischen blickes wie seines spezifischen ordnungssystems zu arrangieren und zu gestalten. sein spiel mit den verschiedenen territorien, materialien und medien umfasst den raum, die leinwand, den roboter, die platinen, um letztendlich in die eingeweide des computers vorzudringen, jener welt der null-und-eins-logik, in die er aktiv eingreift, um sie sich eigen zu machen und als werkzeug zu gebrauchen. in seiner arbeitsweise unterscheidet er nicht zwischen den einzelnen themen und dingen, zwischen abstrakt und gegenständlich, zwischen atom und raum, sondern shiftet je nach blickrichtung zwischen den einzelnen welten, um sie zu verwenden und letztlich das auge des betrachters zu verwirren. denn als alter skeptiker und anhänger der ambivalenz, der das objektive im subjektiven zu finden vermutet, unternimmt er alles, um sich und sein werk in schwebe zu halten und diese innerliche gespanntheit noch dazu produktiv werden zu lassen. seine fast manische schaffenskraft in den extremen, sein ausloten der materiellen wie auch immateriellen bedingungen machen ihn zu einem grenzgänger, letztlich zu einem künstlerischen extremisten. rens ist für mich ein wichtiges „exemplar“ jener schwer vermittelbaren künstler, die keinen offensichtlichen stil verfolgen, keine eindeutige formale haltung einnehmen, sondern den kreativen ausdruck der spezifischen logik des inhalts unterwerfen. galeristen meiden leider sehr oft diese scheinbar form- und stillosen „freaks“, weil sie keine leicht verkäuflichen, da erkennbaren werke produzieren, viel vermittlungsarbeit verlangen und daher im kunstbetrieb oft untergehen. denn es ist anstrengend einem sammler oder einem galeriebesucher zu erklären, dass einmal ein roboter die arbeit gemalt hat, das andere mal die leinwand durch die eigene hand des künstlers gestaltet wurde, wieder ein anderes mal das werk „leider“ unsichtbar ist und in der nächsten ausstellung „nur“ eine tür mit einigen spionen den galerieraum punktieren. dieses wüten gegen den zeitgeist, dieses ständige hakenschlagen der kreativität von rens, erzeugt gedankliche und visuelle verwirrungen, nicht nur bei den kunstinteressierten, sondern zumeist auch bei den professionellen vermittlern. lässt man sich aber auf die arbeitsweise von rens ein, dann reist man mit ihm zu einsamen inseln der lustvollen erkenntnis, durch landschaften, wo man erst lachen und gleichzeitig denken, schauen und hören, riechen und fühlen kann. man begleitet ihn entlang seiner projekte letztendlich in jenen kosmos, der ursprünglich auf dem kleinen tisch hinter der kinderzimmertür seinen ursprung nahm. seine stete widerständigkeit gegenüber dem gewöhnlichen und oberflächlichen, getrieben durch seine ironie und vor allem neugierde, macht ihn zu einem rastlosen wanderer entlang und abseits des kunstsystems. sein scheinbar naives moment der welterfahrung, das wir aus unserer kindheit kennen und dem wir als erwachsene oft nachtrauern, macht den reiz der eigenwilligen logik von rens aus. sich auf das vexierspiel seiner arbeiten einzulassen, bedeutet, verständnis für das unsichtbare zu bekommen und sich auf das ambivalente spiel mit dem sichtbaren einzulassen.
Laudatio von Arno Ritter anlässlich der Verleihung des Tiroler Landespreises für zeitgenössische Kunst an Rens Veltman, 2011 (abgedruckt in aut: info Nr. 5/2013)
Eine für die Räume des aut konzipierte Ausstellung des im Spannungsfeld von Malerei, transmedialer sowie interaktiver Kunst und Robotik arbeitenden Künstlers Rens Veltman, die Phänomenen der Wahrnehmung nachgeht.
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