ivona jelčić: alles für den gast
Alljährlich wird beim Europäischen Forum Alpbach über weltpolitische Entwicklungen und mögliche Zukünfte diskutiert. Im „Dorf der Denker“ selbst soll aber alles so bleiben, wie es ist, jedenfalls was das äußere Erscheinungsbild betrifft. Dieser innere Widerspruch hat es sich zwischen rotweißroten Blumenrabatten gemütlich gemacht. Alpbach ist nämlich ein „Ort, der an Idylle kaum zu überbieten ist“, wie man auf der Website des Tourismusverbands erfährt.
„Dem einheitlichen, traditionellen Holzbaustil sowie farbenfrohem Blumenreichtum hat Alpbach den Titel ‚Schönstes Dorf Österreichs‘ zu verdanken. (…) Langjährige Traditionen zu bewahren und zu pflegen, ist uns nach wie vor ein wichtiges Anliegen. Im Jahr 1953 wurden klare Richtlinien für Neubauten in Alpbach festgelegt, um den ursprünglichen Alpbacher Baustil langfristig zu erhalten. Diese Vorschriften gelten bis heute.“1
Je nach Betrachtung können diese Bauvorschriften als Käseglocke betrachtet werden, unter der es verdächtig nach Museum riecht, oder auch als erfolgreiche Strategie, um die ärgsten Auswüchse dessen einzudämmen, was die „Kuhstall-Kitschisten“ (© Friedrich Achleitner) in so vielen anderen Tiroler Tourismusregionen angerichtet haben. Freilich haben sich die Instrumentarien seit 1953 weiterentwickelt und es könnten etwa auch Gestaltungsbeiräte über baukulturelle Fragen und zeitgemäßes Weiterbauen wachen, wenn sie von den Gemeinden öfter eingesetzt, angehört und dann auch ernst genommen würden.
Womöglich hätte das ja auch in Inneralpbach geholfen, wo einem die Verhöhnung der hiesigen Bebauungsregeln und überhaupt jeder Form von qualitätvoller Gestaltung direkt an der Landesstraße mit nacktem Hintern voraus ins Gesicht springt. Und zwar in Form eines (Alpbach)-braun gestrichenen Wasserrutschen-Ungetüms, das sich wie ein Parasit an die Fassade eines kaum weniger plumpen Hotelbaus klemmt. Betreiber ist just der Obmann des Tourismusverbands, der den Ausbau dereinst damit argumentiert haben soll, dass er dadurch einen zusätzlichen „Smiley“ (sprich ein Gütesiegel in der Kategorie Kinderhotels) bekäme. Während man in der Alpbacher Gemeindestube mit der daraus erwachsenen Architekturgroteske weniger glücklich war, hat die landeseigene (!) Hypo Tirol Bank dafür 2016 einen Innovationspreis springen lassen. So läuft das mit der Tourismusarchitektur in Tirol – leider immer noch. Was sich natürlich nicht auf der TVB-Website widerspiegelt, die unverdrossen die Alpbacher „Ursprünglichkeit“ rühmt. Alles andere wäre ja ein Widerspruch, den die Gäste lieber erst dann entdecken sollen, wenn sie schon gebucht haben.
1 Quelle: https://www.alpbachtal.at/de/entdecke-das-alpbachtal/die-10-orte/alpbach
Text: Ivona Jelčić, aus aut: info 2/25