gabu heindl: wer nichts isst, soll hier auch nicht sein
Eine gekürzte Fassung von Gabu Heindls Text über Planung, Konsum und Konflikt im neoliberalen Stadtraum, erschienen in der aut: info 3/25.
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Über die Ökonomie des Wohnens
ausstellungDie Wohnsituation in Tirol hat sich in den letzten Jahren stark verändert und stellt Wohnungssuchende vor große Herausforderungen: Die stetig steigende Nachfrage nach Wohnraum hat die Kosten am Wohnungsmarkt deutlich in die Höhe getrieben. Miet- und Eigentumswohnungen sind in Tirol kontinuierlich teurer geworden und vor allem im Großraum Innsbruck und in touristisch intensiv genutzten Gemeinden ist leistbarer Wohnraum zur Mangelware geworden.
"geld . macht . raum . Über die Ökonomie des Wohnens" bietet keine einfachen Antworten auf diese komplexen Problemstellungen, sondern versucht rechtliche und wirtschaftliche Hintergründe zu erläutern und damit ein Bewusstsein zu schaffen und die Auseinandersetzung anzuregen. Anhand von Infografiken, Statistiken, Zeitungsausschnitten und Videos werden Daten, Fakten und Studien zur Situation in Österreich und Tirol sichtbar gemacht. Die Ausstellung – eine Eigenproduktion des aut – entstand aus Anlass des 50-jährigen Bestehens von DOWAS (Durchgangsort für Wohnungs- und Arbeitssuchende), in dessen Engagement ein vom DOWAS gestalteter Zeitstrahl Einblick gibt.
Darüber hinaus wirft die Ausstellung auch die Frage auf, wie sich die Nutzung des urbanen Raums verändert, wo man ebenso verfolgen kann, dass ein Verlust öffentlicher Macht zugunsten privatwirtschaftlicher Akteure stattfindet. Zwei, vom subArchiv Innsbruck (Albrecht Dornauer, Maurice Munisch Kumar, Marcel Amoser) gestaltete Litfaßsäulen geben einen historischen Einblick in politischen Aktivismus zur Nutzung des öffentlichen Raums und kultureller Orte. Eine weitere, vom DOWAS gestaltete Litfaßsäule macht das Thema "Gewalt gegen Obdachlose" am konkreten Fall Wolfgang Tschernutter fest.
Außerdem ergänzen künstlerische Arbeiten von Anita Witek, Julius Schreiner, Roland Maurmair und Stefan Schlögl die Themen der Ausstellung in Form einer Videoarbeit, einer Fotostrecke und zweier installativer Objekte.
„geld . macht . raum“ bietet keine einfachen Antworten auf die komplexen Problemstellungen, denn es gibt keine Patentlösung. Die Ausstellung möchte vielmehr ein Bewusstsein schaffen, die Auseinandersetzung anregen und alternative Strategien vorstellen – denn die herrschenden Gesetze der Ökonomie sind keine natürlichen, sondern eine gesellschaftliche Vereinbarung, die verändert werden kann.
Eine Ausstellung anlässlich von 50 Jahre DOWAS mit freundlicher Unterstützung von WIENER STÄDTISCHE Versicherung AG
„Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften verändert eine ökonomische Theorie, wenn sie sich als Standard durchgesetzt hat, ihr Objekt, nämlich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Realität. Eine ‚falsche‘ astronomische Theorie verändert den Lauf der Gestirne nicht. Wenn aber die ökonomischen Lehrbücher, die Studienpläne und die so ausgebildeten Ökonomen den Sozialstaat für schädlich und freie Finanzmärkte für nützlich erklären, dann wird die Politik früher oder später diesen Leitlinien folgen und so die ‚Finanzalchemie‘ beflügeln und den Sozialstaat schwächen.“ Stephan Schulmeister
Jede Theorie der Ökonomie beeinflusst gesellschaftliche Beziehungen, unsere Lebensverhältnisse und letztlich politische Entscheidungen. Diese Theorien folgen keinen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, basieren auf gesellschaftspolitischen Vereinbarungen und sind nicht neutral, sondern verfolgen immer auch Interessen und erzeugen damit Realitäten, die das Zusammenleben und unsere liberale Demokratie mitgestalten.
Die letzten hundert Jahre waren geprägt durch den Widerstreit zwischen den ökonomischen Theorien von Friedrich Hayek (1899 – 1992) und John Maynard Keynes (1883 – 1946), die sich in wesentlichen Punkten unterscheiden. Friedrich Hayek betonte die Bedeutung des freien Marktes als ein System, das dezentral Wissen effektiv verarbeitet. Er war der Ansicht, dass der Staat nicht in den Markt eingreifen sollte, da er nicht über das Wissen verfügt, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und nur der Markt fähig ist, die optimale Verteilung von Ressourcen zu ermöglichen. John Maynard Keynes hingegen sah den freien Markt als instabil an und war der Meinung, dass er auf Dauer nicht in der Lage ist, wirtschaftliche Stabilität und gesellschaftlichen Ausgleich zu gewährleisten. Er glaubte, dass der Staat vor allem in Krisenzeiten eine wichtige Rolle spielen müsse, um die Wirtschaft und damit die Gesellschaft zu stabilisieren, denn Keynes vertraute nicht darauf, dass der Markt selbstregulierend ist. Diese unterschiedlichen Perspektiven prägten die Wirtschaftstheorien des 20. Jahrhunderts und führten zu zwei politischen Ansätzen: Während die Soziale Marktwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg versuchte, marktwirtschaftliche Prinzipien mit sozialpolitischen Maßnahmen zu kombinieren, um den Wettbewerb zu fördern, aber gleichzeitig sozialen Ausgleich zu schaffen, setzte der Neoliberalismus ab den späten 1970er-Jahren auf die Rolle des freien Marktes, die Eigenverantwortung und forderte den Rückzug des Staates aus vielen Bereichen. Als Antipode dieser bürgerlichen Theorien ist Karl Marx (1818 – 1883) zu nennen, der insbesondere mit seiner erweiterten Gesellschaftskritik großen Einfluss ausübte.
Vor dem Hintergrund des Widerstreits ökonomischer und gesellschaftspolitischer Ideologien hat sich in den letzten Jahren die sogenannte „Logik“ des freien Markts bei den Themen Wohnen sowie Grund und Boden weitgehend durchgesetzt, eine Tatsache, die mittlerweile zu großen sozialen Problemen und gesellschaftlichen Verwerfungen führt. Kein Wahlkampf auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene vergeht, bei dem nicht unterschiedliche Lösungsansätze für das Konfliktfeld „Leistbares Wohnen“ plakatiert werden. Auch in Tirol wird zunehmend wahrnehmbar, dass es für breite Schichten immer schwieriger wird, sich mit ihrem Einkommen eine Mietwohnung zu leisten, geschweige denn Eigentum zu finanzieren. Vor allem im Großraum Innsbruck und in touristisch intensiv genutzten Gemeinden wird es für die dort lebende Bevölkerung herausfordernd, Wohnraum bezahlen zu können. Exemplarisch steht dafür Reith bei Kitzbühel, das vor kurzem in einer Studie des Marktforschungsinstituts OGM zur teuersten Gemeinde Österreichs „gekürt“ wurde. Dort muss man mit einem durchschnittlichen Gehalt insgesamt über 29 Jahre arbeiten, um sich ein 500 m2 großes Baugrundstück leisten zu können. In einem TT-Artikel formulierte der Bürgermeister von Reith, Stefan Jöchl, die Konsequenzen für seine Gemeinde: „Die Preisniveaus im ganzen Land entfernen sich zunehmend von jeder realen Einkommensbasis und der Markt hat sich von den Bedürfnissen der regionalen Bevölkerung entkoppelt. Diese Dynamik gefährdet die Durchmischung, das soziale Gefüge und letztlich die wirtschaftliche Tragfähigkeit unserer Gemeinde.“ Der ehemalige Bürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel, beschrieb in seinem Buch „Mehr Gerechtigkeit. Wir brauchen eine neue Bodenordnung – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar“, dass die Baulandpreise in München seit den 1960er-Jahren um bis zu 39.000 % gestiegen sind.
Diese globale Entwicklung stellt insbesondere für Tirol eine große sozialpolitische Herausforderung dar, zumal Tirol nur 12,4 % Dauersiedlungsraum aufweist, in dem alle wesentlichen Lebensbereiche stattfinden – von der Landwirtschaft und den Arbeitsplätzen über den Tourismus und die Mobilität bis hin zur Erholung und dem Wohnen. Trotzdem entstehen vielerorts Wohnungen als reine Kapitalanlage, die auch ungenutzt ihren Wert steigern. Dieser kapitalgetriebene Umgang mit der Ressource Boden und dem Wohnraum hat in den vergangenen Jahrzehnten Gestalt und Funktion unserer Städte und Dörfer massiv verändert. Nicht konsequent angewandte Instrumente der Raumplanung, fehlgeleitete Gesetze, der Ausverkauf der BUWOG-Wohnungen oder die frühere Regelung mit den Agrargemeinschaften schreiben den Status Quo fort, anstatt eine gemeinwohlorientierte Vision für die Zukunft zu entwickeln. Wohnen ist ein zentrales Grundbedürfnis, Grund und Boden sind keine klassische Ware, da sie nicht produzier- und vermehrbar sind. Wohnungsmärkte wiederum sind „unvollkommene Märkte“, die sich von anderen in wesentlichen Punkten unterscheiden. Insofern stellt sich mehr denn je die Frage, ob der bisherige Weg gesellschaftlich und demokratiepolitisch noch tragfähig ist.
Aus Anlass des 50-jährigen Bestandsjubiläums von DOWAS (Durchgangsort für Wohnungs- und Arbeitssuchende) widmet sich die Ausstellung „geld . macht . raum“ dem komplexen Themenfeld der Ökonomie des Wohnens. Sie bietet keine einfachen Antworten auf die komplexen Problemstellungen, denn es gibt keine Patentlösung. Die Ausstellung möchte vielmehr ein Bewusstsein schaffen, die Auseinandersetzung anregen und alternative Strategien vorstellen – denn die herrschenden Gesetze der Ökonomie sind keine natürlichen, sondern eine gesellschaftliche Vereinbarung, die verändert werden kann.
Eine gekürzte Fassung von Gabu Heindls Text über Planung, Konsum und Konflikt im neoliberalen Stadtraum, erschienen in der aut: info 3/25.
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Eröffnung der Ausstellung, die sich anlässlich von 50 Jahre DOWAS (Durchgangsort für Wohnungs- und Arbeitssuchende) dem komplexen Themenfeld des Wohnens widmet.
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Führung durch die Ausstellung, die sich auf unterschiedlichsten Ebenen dem komplexen Themenfeld des Wohnens widmet, und Ausklang mit Aperitif.
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Führung durch die Ausstellung, die sich auf unterschiedlichsten Ebenen dem komplexen Themenfeld des Wohnens widmet, und Ausklang mit Aperitif.
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Die neue aut: info (Ausgabe 3/25) ist erschienen. Wir senden Ihnen das Programmheft gerne per Post zu und freuen uns über eine Portospende von EUR 15,-/Jahr.
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