rainer köberl: der neue hut des schmiedes
Ein Text von Rainer Köberl den Umbau einer Hammerschmiede im Waldviertel durch Simon Oberhammer, erschienen in: aut: info 3/2022.
weiterlesen …Durch die Firstverglasung fällt von weit oben fahles Licht auf die rußgeschwärzten Mauern und Stahlträger der rund 150 Jahre alten Gießerei, vereinzelt stehen noch Arbeitsgeräte herum, sonst ist die rund 350 Quadratmeter große Halle leer. An der Ostseite des Gebäudes kragt eine Plattform in Richtung Sill aus, westseitig setzt sich das insgesamt 6.000 Quadratmeter große Firmenareal fort, es gibt darauf insgesamt zehn Werkhallen, dazwischen glasüberdachte Verbindungswege.
Das ist der Stoff, aus dem die Träume von einem Innsbrucker Kultur- und Kreativquartier gemacht sind, das ist auch ein Zankapfel der in gefühlt zwölf von zehn Fragen zerstrittenen Stadtregierung. Und es ist ein gutes Beispiel dafür, dass die politischen Kleinkriege in Innsbruck auf Kosten der Stadt von morgen geführt werden. Doch dazu später mehr.
Bis vor kurzem hat in Innsbruck kaum jemand Notiz vom Gewerbegebiet Sankt Bartlmä in Wilten genommen, selbst die Namensgeberin kennen viele nicht: Die Kapelle St. Bartlmä ist ein romanischer Rundbau mit steilem Kegeldach, im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt, 1944 durch Bomben zerstört, 1981 aufwändig rekonstruiert.
Durch Sankt Bartlmä führte bereits im 12. Jahrhundert außerdem der historische Sillkanal. Die „kleine Sill“ diente Handwerks- und Gewerbebetrieben als Energiequelle, am Sillkanal lag auch die Wiltener Stiftsmühle, später ein Sägewerk und eine Schlosserei, die zur Maschinenfabrik ausgebaut wurde. Die Innsbrucker Nachrichten berichten 1879 über die Erweiterung der Maschinenfabrik Lang, spätere Maschinenfabrik Oberhammer, um eine Eisengießerei.
Noch einmal gute 140 Jahre später steht der – schon lange nicht mehr in Familienbesitz befindliche – Betrieb still und ein von einem Innsbrucker Unternehmer vorgelegtes und von einem Kollektiv aus Vertreter*innen der Kultur-, Club- und Gastro-Szene mitgetragenes Nachnutzungskonzept steht im Raum: Die Gießerei als Konzert- und Clubbinghalle, die überdachten Freiflächen für Open-Air-Events und Märkte, Büroflächen für Co-Working-Spaces und innovative Start-Ups aus dem weiten Feld der so genannten Kreativwirtschaft, ein Tanzstudio, ein Gastronomie-Hub, weitere Hallen als Vorbehaltsfläche für Ideen, die noch kommen mögen.
Vorbilder für die Umwandlung von Industrie- und Gewerbebrachen in Kultur- und Kreativquartiere gibt es reichlich, man nehme die stillgelegten Zechen im deutschen Ruhrgebiet, die von der Stadt Linz 2009 um 17 Millionen Euro angekaufte Tabakfabrik oder die Werkstätte Wattens, Tirols Vorzeigeprojekt in Sachen Innovationsförderung und Standort-Stärkung.
Groß in Mode gekommen sind Kreativquartiere übrigens ab Anfang der Nullerjahre. Der US-Ökonom Richard Florida hatte mit seinen Theorien von der „Creative Class“ als Motor der Stadtentwicklung erheblichen Anteil daran, als Berater von Kommunen sorgte er auch für die praktische Umsetzung der eigenen Prophezeiungen. Seine Ideen werden längst auch kritisch gesehen, denn für die Schattenseiten der „kreativen Stadt“, nämlich Gentrifizierung und die in der Kultur- und Kreativwirtschaft weit verbreiteten prekären Arbeitsverhältnisse, hat Florida sich lange nicht interessiert.
Das ist aber kein Argument gegen ein Quartier Bartlmä, sondern ein Argument für eine ehrliche und sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Zumal sich eine Gelegenheit wie diese so schnell wohl kaum wieder auftun wird. Eigentlich gute Gründe, um sich mit Zukunftsfragen der Stadtentwicklung in Innsbruck auseinanderzusetzen, wo in den letzten Jahren mehrere Orte für Veranstaltungen, Pop- und Subkultur schließen mussten (siehe Weekender und Hafen), wo 30.000 Studenten*innen leben (die vielleicht auch die künftigen Jungunternehmer*innen sind), wo so gern auf die Raumnot verwiesen wird (bloß Räume für Immobilieninvestoren*innen scheinen nie auszugehen) und wo Busladungen voller Tagestourist*innen allein nicht die touristische Zukunft sein werden.
Doch das Gegenteil ist der Fall, und dieses Gegenteil heißt „Spiel der freien Kräfte“, besser bekannt wahlweise als „jeder gegen jeden“, „alle gegen einen“, „einer gegen alle“ oder kurz: Vorwahlkampf.
Ein Text von Rainer Köberl den Umbau einer Hammerschmiede im Waldviertel durch Simon Oberhammer, erschienen in: aut: info 3/2022.
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