Im Kriegsjahr 1944 wurde das älteste sakrale Bauwerk Innsbrucks, die kleine runde Kirche Bartlmä im Zwickel zwischen Sill und Bahn hinter dem Kloster Wilten, bei einem Bombenangriff fast vollständig zerstört. Ich kann mich noch an einen niederen Bruchsteinmauerkranz in grüner Wiese erinnern und später als Flötist zusammen mit einem Harfenspieler aus Natters an ein Konzert in der 1982 wieder aufgebauten Kirche. Nicht weit davon entfernt steht heute die inzwischen aufgelassene „Maschinenfabrik Oberhammer“. Früher befanden sich hier am Sillkanal eine Schmiede und ein Sägewerk des Stift Wilten. Die zumindest seit dem 13. Jahrhundert betriebene Hammerschmiede war von der Mitte des 19. bis zum Verkauf Anfang des 21. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Simon Oberhammer.1
Der Auftrag an Simon, im Waldviertel eine völlig verrußte, dunkle und in scheinbar schlechtem Zustand befindliche Hammerschmiede umzubauen, die der Vorgängerarchitekt und verschiedene Baumeister abgebrochen hätten, hat zwar nicht direkt etwas mit Simons Familiengeschichte zu tun, aber damit, dass sein Zugang zu Aufgabenstellungen durch eine intensive Befassung mit der Geschichte von Orten und Bauwerken geprägt ist.
Das ca. 10 x 8 m große Gebäude mit 80 cm starken Granitsteinmauern und einem Satteldach steht seit dem frühen 19. Jahrhundert als letztes Haus des Dorfes am Kaltenbach und wurde über Generationen als klassische Hammerschmiede geführt. Vor ein paar Jahren starb der letzte Schmied und dessen Lebensgefährtin verkaufte die Schmiede und das Wohnhaus daneben an ein Ärzteehepaar aus Wien.
Es lässt sich gut nachvollziehen, wie Simon in die dunkle Schmiede kam, vor der Riesenesse stand und deren „Ausstrahlung“ erhalten wollte, das Potenzial sich hier nur einzurichten erkannte und vielleicht schon an das Licht von oben dachte. Das alte Satteldach war reiner Witterungsschutz, das neue Dach musste jedoch eine Antwort auf die Esse und den zum Himmel ragenden hohen Kamin geben. An eine senkrechte Fläche parallel zum Kamin neigen sich nun die drei anderen Dachflächen um ein großes rechteckiges Oberlicht, wobei erst nach mehreren Versuchen an Modellen die exakte geometrische Lage bzw. die Beziehung des Oberlichts zum Kamin gefunden wurde. Ursprünglich hätte dieser „Hut“ leicht abgerundete Kanten und eine nicht ganz rechteckige Oberlichtöffnung bekommen sollen – vielleicht ähnlich wie bei der Kirche von Le Corbusier in Firminy – und wäre auch statt nun mit grauen „Wiener-Taschen“-Ziegelplatten mit schwarzem Blech gedeckt worden. Doch Einsparungen führten zur nun gebauten kantigen Form, deren Holzkonstruktion auf einem dezent sichtbar belassenem Betonkranz auf den Granitmauern lastet. Im Innen-raum dominieren der warme Weißtannenhut über weißen Wänden und der gelaugte Dielenboden aus Douglasie um das große dunkle oder feurige Loch der Esse, die aus großen Granitsteinen mit gekalkten Fugen gemauert ist.
Dem Bauherrn, einem Netzhautchirurgen, lagen die alten Strukturen am Herzen. Für ihn war es äußerst wichtig, dass alle bauphysikalisch notwendigen Maßnahmen entsprechend dem Altbestand erfolgen sollten, d. h. es durfte kein Bitumen oder keine Kunststoffdämmung bei Dach und Boden zum Einsatz kommen und ebenso kein dampfdichter Estrich. Dementsprechend wurde die Fußbodenheizung mit Lithoterm-Paneelen auf Holzfaserplatten und mit einer Cem-Wood-Schüttung auf Glasschaumschotter gelöst sowie eine Wandheizung gegen Feuchtigkeit und Kälte eingebaut.
Eigentlich müsste man den Raum einmal bei Eiseskälte im Winter besuchen, mit einem großen Feuer in der Esse, bei gutem Wein und Essen.
1 Mitte des 19. Jahrhunderts reiste Simons Ururgroßvater nach England, um sich dort die modernsten Entwicklungen der industriellen Revolution anzusehen. Nach britischem Vorbild errichtete er eine Eisengießerei und weitere Hallen zur Metallbearbeitung. Der laufend weiterentwickelte, im 20. Jahrhundert als Maschinenfabrik und Eisengießerei tätige Betrieb wurde nach sechs Generationen von der Familie verkauft, kurz darauf folgte die Insolvenz. Derzeit werden die Hallen temporär für verschiedene Zwecke genutzt, so wurde etwa die alte Gießerei von Architekturstudierenden notdürftig, aber in hoher Qualität in Stand gesetzt. Es ist für Innsbruck zu hoffen, dass in diesem Quartier ein kultureller Ort entsteht.
Mehr dazu in Ivona Jelčićs Beitrag „Kleinkriege auf Kosten der Stadt von morgen“, erschienen in der aut: info 3/21,
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umbau hammerschmiede
Altwaidhofen 31, Waldviertel, Niederösterreich
architektur Simon Oberhammer
bauherren Cora und Sebastian Waldstein
statik Reinhard Schneider
bauphysik Leo Obkircher
planung 2017
fertigstellung 2021
simon oberhammer
geb.1979 in Innsbruck; Architekturstudium in Innsbruck und Texas; 2014 – 17 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunst und Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien; Lehraufträge an der Architekturfakultät der Universität Innsbruck; seit 2015 selbständiger Architekt in Wien
www.simonoberhammer.com
Dank an Günter R. Wett, durch dessen Instagram-Posting ich dieses Kleinod entdeckt habe.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 3/22