Ein Text verfasst anlässlich der Ausstellung "Von Gärten, Pflanzen und Menschen", erschienen in der aut: info 2/2020
Die Passion für den eigenen Garten schlägt eine Brücke in die Gärten der Anderen und fließt als poetische Erkundung in meine künstlerische Arbeit ein. Zu Fuß unterwegs sein, recherchieren, beobachten, genau hinschauen, mit Gärtnerinnen und Gärtnern Erfahrungen austauschen, botanische Erkenntnisse teilen und Blüten wie Blättern einen Namen geben, so würde ich meine Arbeitsweise beschreiben.
Gemüse- und Blumenbeete entwickeln eigenwillige Strukturen, zwischen logischem Chaos und geplanter Ordnung in steter Veränderung, die es im Skizzenheft festzuhalten gilt, um zu erinnern und zu erkennen. Botanische Fundstücke werden archiviert und inventarisiert. Der Ort des Fundes muss in der Arbeit mitschwingen. Das Flüchtige in der Natur drängt zur Eile, denn Ähnlichkeiten gibt es erst in einem Jahr wieder, wenn überhaupt.
Die Blüten des Königin-Frauenschuhs – Cypripedium reginae – im Mini-Bergl in Hötting bestaunen, die Ranken mit den noch in voller Blüte stehenden purpurbraunen Pfeifenwinden vom Kompost im Botanischen Garten als Inspirationsquelle aufsammeln sowie die perlenartigen Früchte der Hiobsträne zu einer Kette auffädeln. Die kugeligen Früchte der Ballonrebe mit dem hellen herzförmigen Fleck auf deren Samenkörnern werden zu Protagonisten des Bildes.
Das Faszinosum der Formen und Farben der Pflanzen wird von Düften und Gerüchen ergänzt. Der Duft des Veilchens, des Viola odorata-Teppichs, wird überlagert vom strengen Aasgeruch des Blütenstandes der Teufelszunge, die entsprechend von Fliegen umschwärmt wird.
Frauen zupfen Kamillen- und Ringelblumenblüten. Der Grasschnitt vom Haufen wird als Mulchdecke über die Beete ausgebreitet. Die Gärtnerin im Schrebergarten legt ein „Indianerbeet“ an, mit den sogenannten drei Schwestern: Mais, Stangenbohnen, Kürbisse. Schließlich wird noch ein guter Rat eingebracht: „Spritze die Läuse an der befallenen Pflanze mit kaltem Wasser ab, dann bekommen sie einen Herzinfarkt und fallen herab“.
Gärtnern bedeutet auch Nahrung zu produzieren, deren Entstehungsprozess und Nachhaltigkeit nachvollzogen werden kann. Die Ernte vom eigenen Garten zu verzehren ist ein Genuss.
Pflanzen haben auch ihre Geschichten: Die Rosenstöcke sind aus Mutters Garten verpflanzt worden. Die Samen der Bartnelken stammen von einer Türkeireise. Der Bruder brachte Anna-Marie einen Schubkarren voll Gartenerde aus ihrem Heimatdorf mit. Sie erzählt, dass sie die Salatköpfe zwischen Kräutern und Blumen versteckt, damit die Schnecken sie nicht finden. Gundula berichtet, dass „diesen Pfirsichbaum nach der Ernte der Schlag getroffen hat“. Und ein Paar teilt sich genussvoll die einzige gewachsene Kirsche vom jungen Baum. Oder die Begegnung im Schrebergarten mit der Mundartdichterin Lilo Galley. In einem ihrer Gedichte steht: „So a Bluamenstraißl bunt und fein – ohne dem mecht ih nit sein!“
begegnungen in gärten
Auszüge aus Gesprächen, die Carmen Müller im Zuge ihrer Recherchen mit Gärtnerinnen und Gärtnern in Innsbruck geführt hat.
elikai, schul- und lehrgarten, natterer boden „Das Schöne am Platz: du trittst durch den Wald heraus und hast die große freie Fläche vor dir, die Landschaft öffnet sich. Hier kommt man herunter, man wird ruhiger und gelassener. Man erholt sich vom Rest der Welt und man kann in den alten Tagen was Gescheites tun.“ Frage: Ist das hier ein Ort der Kraft? „Ein Ort, der Kraft raubt“, antwortet Erwin.
herbert bacher, leiter der innsbrucker bundesgärten „Der einjährige Beifuß, die Artemisia annua, – sie ist auf mich gekommen. Ich habe auf einer China-Reise 2017 Ingwersamen gekauft, dazu gab es noch ein Samensackl mit einem zweiten Kraut, das ich zunächst nicht beachtete. Hier im Glashaus des Bundesgarten haben wir beide Samen ausgesät und siehe da, bei der einen Pflanze handelte es sich um die Artemisia annua. Seither haben wir sie hier angebaut und im angrenzenden Gemeinschaftsgarten verteilt. Nach der Blüte, geht die Pflanze ein und man muss sie jährlich aussäen, sofern sie es nicht von sich aus tut. Sie darf nicht vor Ende Februar ausgesät werden. Sie geht sofort in Blüte, wenn der Tag kürzer als die Nacht ist. Artemisia annua soll antibakteriell, blutstillend, fiebersenkend und fungizid wirken. Sie sei das beste Malariamittel, sie hat antioxidantische Wirkung, sie räumt mit freien Radikalen im Blut auf. Sie wirkt sogar gegen Krebs. Deshalb steht bei mir am Bürotisch täglich eine Glaskanne mit Artemisia-Tee, der tagsüber getrunken wird.“
reinhard, hötting „Der Garten soll wirken, als ob er keine Arbeit machen würde – als ob alles natürlich gewachsen wäre. Der Garten entscheidet, was übrig bleibt.“
anna-marie, garten der vielfalt, natterer boden „Wenn ich hier ankomme, esse ich mich durch den Garten.“
rosa, bauernhof amras „Ohne Blumen geht nichts. Des brauch i, In der Früha steh i auf, mach die Tür auf und das Herz geht auf.“ [Entlang der Fassade wachsen neben Gemüsepflanzen Zinnien, Rittersporn, Enzianstrauch, Phlox, Margeriten, Stockrosen, Sonnenhut, Spinnenblume, Geranien an den Fenstern, Hibiskus in den Töpfen.] „Vor der Haustüre habe ich gleich alles bei der Hand, was ich in der Küche brauche: Schnittlauch und Petersilie, auch Salat, Porree und Kohl. Wenn es regnet, spüre ich, wie die Erde und die Pflanzen schnaufen. Regen ist wie Dünger.“
karl, gleisdreieck eisenbahnergarten innsbruck „Ich war 20 Jahre bei der Rettung, habe deshalb viel Elend gesehen. Hier im Garten kann ich mich erholen. Wir feiern hier Hochzeiten und Firmung. Wenn meine Enkelkinder mich im Garten besuchen, vergessen sie sogar das Handy. Im Garten-haus gibt es sogar einen Keller mit Erdtemperatur.“
kurt, hötting „Zwischen meinem Haus an der Höhenstraße und dem Fallbach habe ich vor ungefähr 25 Jahren begonnen, einen möglichst natürlichen, den verschiedensten Pflanzentypen angepassten Steingarten mit unterschiedlichen Gesteinsarten anzulegen. Aus ökologischem Interesse reizt es mich, Pflanzen, die ich aus Samen von meinen Reisen in verschiedenste Länder der Welt mitgebracht habe, zu kultivieren. Arten wie zum Beispiel der Seidelbast Daphne modesta aus Asien, die Lilie Lilium nepalense aus Nepal, den Kaukasus-Enzian Gentiana paradoxa, oder den Königsfrauenschuh Cypripedium reginea aus Nordamerika.“
erwin seidemann, völs „Das Edelweiß ist das sms vom Berg.“
Eine eigens für das aut gestaltete Ausstellung der Südtiroler Künstlerin Carmen Müller, in der die Ergebnisse ihrer Feldforschung in privaten und öffentlichen Gärten in und um Innsbruck zu sehen sind.
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