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ausstellungEine von zwei Filmemacherinnen und zwei Fotografen gemeinsam entwickelte Ausstellung, bei der das aut in eine Black Box verwandelt und die räumliche Wahrnehmung radikal verändert wird.
weiterlesen …ein textbeitrag von günter richard wett, erschienen in aut: info, nr. 1/2014
Die 2.500 Zeichen plagen mich schon seit Wochen, 2.500 Buchstaben, geschriebene Buchstaben, trennen mich von der Freiheit. Wie schön wäre es, 2.500 Fotos zu machen, eine große Speicherkarte rein und den Auslöser durchdrücken. Aber nein, 2.500 mal Keyboardtastendrücken stehen mir im Weg, blockieren mich. 2.500 Zeichen, deren intelligente Aneinanderreihung zuerst einmal Wörter ergeben sollten, dann Sätze, dann eine Geschichte, die wiederum einen Einblick in meine Welt, meine fotografische Welt gewähren sollte. Aber wie fasst man diese Welt, diese meine kleine Welt des Sehens in vernünftige Worte? Da ist sie wieder, diese Ratlosigkeit!
Vielleicht macht mir genau dieses Schwarz-auf-Weiß, dieses buchstäbliche Sich-Festlegen, solche Probleme, wo ich doch jeden neuen Tag mit einem neuen Projekt als einen Neuanfang sehe. Plötzlich steht man vor dem volljährig gewordenen Kind einer Architektin/eines Architekten, und plötzlich ist man mit einer neuen Materialisation der kreativen Gedankenwelt eines/einer Bauschaffenden konfrontiert. Ein neuer Ort, eine neue Funktion, neue Materialitäten, vielleicht sogar unterschiedlichste Geisteshaltungen, die sich in jedem Gebauten widerspiegeln.
Aber dennoch habe ich eine klare fotografische Aufgabe, eine Art architektonischen Fels in der Brandung meines sich Nicht-Festlegen-Wollen-Ozeans, sozusagen einen Anker, welcher mein kleines Forschungsschiff das Objekt der Begierde umkreisen lässt. Dieses gebaute Etwas, das sich im Laufe eines Tages einer zwar subtilen, aber total spannenden Metamorphose unterzieht. So wie wir Menschen wachen auch Häuser auf, öffnen langsam ihre Fensteraugen durch die Betätigung der Lichtschalter im Inneren, um dann, nach der Morgendämmerung, von der ebenfalls noch flach liegenden Sonne mit ihren Strahlen bis in die hintersten Ecken der Räume wachgekitzelt zu werden. Mit der steigenden Sonne beginnt auch mein kleiner WETTlauf, um dem jeweiligen Sonnenstand das schönste Foto abzuringen. Meist lassen genau diese wenigen Minuten Streiflicht die ganze Pracht einer Fassade zur Geltung kommen, und manchmal ist es aber genau dieses Streiflicht, das Ungewünschtes sichtbar macht.
Auch gilt es neben dem Vorhersehbaren, wie dem Lauf der Sonne, auch unvorhersehbare Momente einzufangen. Vielleicht öffnet sich nur kurz die Wolkendecke, und ein Sonnenstrahl setzt das Gebäude ins rechte Licht, oder vorbeiziehende Nebelschwaden machen EIN Foto zu DEM Foto! Zum Glück spielen sich diese Sachen nicht unbedingt in Sekundenbruchteilen ab. Ich denke mit Schaudern an meine wenigen Sport/Actionfotos, bei denen ich mit unglaublicher Beständigkeit den richtigen Moment verschnarcht hatte.
Und irgendwann neigt sich der Tag dem Ende zu, und nun gilt es, der Architektur die letzten Geheimnisse zu entlocken, diesen magischen Moment der blauen Stunde nutzend, der leider niemals eine Stunde währt. Wenn die sich in den Fenstern spiegelnde Umgebung schön langsam dem Einblick ins Innere weicht und das letzte Tageslicht der bereits untergegangenen Sonne das Außen noch sichtbar lässt, dann ist wieder Zeit, den Auslöser zu drücken – so wie ich jetzt die letzte Taste drücke!!! (3.200 Zeichen)
günter richard wett
geb. 1970 in Innsbruck; 1991 – 99 Architekturstudium an der Universität Innsbruck; seit 1996 als selbständiger Architekturfotograf tätig; lebt in Innsbruck
publikationen (Auswahl)
2005 Das Hotel – Die Mauer (Katalog Landesausstellung 2005 Tirol), Tappeiner Verlag; 2007 Rubner Haus, Haymon Verlag; 2010 Fassaden aus Holz, Pro Holz Austria; Brücken in Tirol, StudienVerlag; 2011 Peter Sandbichler, Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, Snoeck Verlag
ausstellungen und projekte (Auswahl)
2006 ArchitekTouren nach Japan und China; 2007 „Rovina di una villa moderna / Ruine einer modernen Villa“, FotoForum Bozen, Italien; 2009 „Vilanova Artigas, Lina Bo Bardi, Paulo Mendes da Rocha. Eine Spurensuche in Brasilien“ (Ausstellung im aut. architektur und tirol, Innsbruck, im Architekturforum Ostschweiz, St. Gallen sowie in der Initiative Architektur, Salzburg); 2008/2009 fotografisches Stadtporträt Prishtina, Kosovo; 2011 Italienische Architektur in Asmara, Eritrea; „Walter Angonese gesehen von Günter Richard Wett“, Galerie Prisma, Bozen; 2012 Reise nach Armenien – Ästhetik des Verfalls; 2012 – 14 Warteräume. Visuelle Recherche in den Tiroler Flüchtlingsheimen (mit Robert Gander); 2013 Ausstellung „Warteräume. Ein Prozesseinblick“ (mit Robert Gander), styleconception.openspace, Innsbruck; „Wörgl Paradox“ (mit Melanie Hollaus), Galerie am Polylog, Wörgl
Eine von zwei Filmemacherinnen und zwei Fotografen gemeinsam entwickelte Ausstellung, bei der das aut in eine Black Box verwandelt und die räumliche Wahrnehmung radikal verändert wird.
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