im gedenken an horst parson
exkursionEine von Wolfgang Kritzinger zusammengestellte und geführte Fahrt zu ausgewählten Projekten des im April 2015 verstorbenen Architekten Horst Parson.
weiterlesen …Grabrede von Arno Ritter, erschienen in aut: info 2/15
ich möchte mit einer frage beginnen, aber keine allgemein gültige antwort geben, da diese letztlich nur persönlich sein kann. wer war horst und wer ist er heute für uns, nachdem er nicht mehr unter uns sein kann? der tod ändert die perspektive auf eine person, relativiert den blick auf sein leben und macht die sprache letztlich sprachlos. im grunde finde ich den tod eine fundamentale frechheit, vor allem wenn er persönlich wird, aber da es so ist, wie es ist, müssen wir überlebende mit dem tod leben und ihm jenen raum, jene zeit und jene worte geben, die er für sich beansprucht, und die wir zum überleben brauchen.
wer also war horst parson und wer ist er heute für uns, nachdem er nicht mehr bei uns sein darf und mit uns reden, essen und trinken kann? eigentlich ist er noch in uns, denn uns alle verbindet er heute. wir haben die letzten tage viel über ihn gesprochen und werden heute viel über ihn reden, irgendwann mit einem guten glas wein auf ihn anstoßen und damit seine persönlichkeit symbolisch präsent halten.
wer war also horst parson und wer ist er heute für uns, nachdem er nicht mehr bei uns sein darf? vor drei jahren durfte ich die laudatio für horst aus anlass der verleihung des tiroler landespreises für kunst halten. damals konnte er meinen ausführungen folgen, sich vielleicht auch manchmal ärgern, auf jeden fall aber konnte er reagieren. damals war er mittelpunkt des tages und füllte den raum mit seiner persönlichkeit, heute versammelt er uns hier in seinem andenken. damals hatten meine ausführungen ihn als resonanzkörper, heute klingen meine damaligen worte plötzlich anders, da er nicht mehr leibhaftig bei uns sein kann.
ich werde nun einige passagen aus meiner damaligen rede unverändert vorlesen, um ein wenig die atmosphäre des 4. juni 2012 bei ihnen zu imaginieren und die relativität der worte wie der zeit spüren zu lassen.
horst und die architektur
ich möchte eine aussage von horst sinngemäß zitieren, die er vor kurzem in einem gemeinsamen gespräch kritisch formulierte, wonach er und seine generation eigentlich keine wirklich guten städtischen räume geschaffen haben, die einfach angenehm beherbergen und durch ihre atmosphären, proportionen und materialitäten jene qualität vermitteln, die er in den italienischen städten so schätzt. gleichzeitig sprach er davon, dass er architektur als gegenpol zum schnelllebigen zeitgeist sieht, denn architektur ist schwerfällig und bestimmend, weswegen sie eine besonders sensible kunst sei. dieses gespräch führte bei mir dazu, dass ich ihn und seine bauten plötzlich anders zu interpretieren begann, denn horst wurde für mich zu einem modernen romantiker bzw. klassizisten, den die sehnsucht nach jenen allgemein gültigen qualitäten treibt, die er auf seinen reisen wie selbstverständlich in kleinen unbekannten orten in der toskana wie großen städten vorfindet. es sind jene öffentlichen räume und ihnen innewohnenden atmosphären, die das städtische leben ausmachen und urbanität prägen. eingespannt zwischen diesen erfahrungen und der realpolitik der tiroler bauproduktion, kämpfte horst immer wieder um jenes wesentliche moment, das in normen und kostenkalkulationen leider nicht vorkommt, und daher zumeist kein bestandteil des auftrags wie des öffentlichen bewusstseins ist.
horst und sein büro
horst unterrichtete zwar 13 jahre an der universität innsbruck am lehrstuhl von leopold gerstl kultur-, geistes- und architekturgeschichte, aber eigentlich war die zweite prägende ausbildungsstätte für einige architekten sein eigenes büro. nicht nur, dass einige heute bekannte architekten und architektinnen bei ihm arbeiteten, sondern horst veränderte vor allem durch seine eigenwillige führung das thema architekturbüro und schuf damit ein anderes klima wie einen engeren zusammenhalt zwischen den einzelnen mitarbeitern. zwar war er natürlich immer der chef, keine frage, aber vor allem mit den jährlichen büroausflügen vorwie-gend nach italien, prägte er zu einer zeit, in der dieses thema noch nicht en vogue war, ein etwas „anderes“ soziotop architekturbüro. ein phäno-men macht dies meiner meinung nach recht deutlich: bis vor kurzem fuhren sowohl mitarbeiter aber auch nicht mehr bei ihm angestellte architekten gemeinsam auf exkursion, um einerseits unter der führung von horst vorwiegend historische architektur, städte und kunst anzusehen, aber fast gleichwertig gereiht, um gut zu essen und zu trinken. denn horst ist ein genussmensch und an der ganzheitlichen erfahrung von allen qualitä-ten einer kultur interessiert, was in letzter konsequenz, fast zwangsläufig dazu führt, jeden tag mindestens einmal in einer trattoria oder einem restaurant zu landen. dort kann man, seinem weltbild entsprechend, jenes niveau einer kultur unvermittelt internalisieren, das man während des tages in versteinerter oder gemalter form nur betrachten konnte. mit diesem umfassenden und lebensorientierten ansatz prägte er sicher nicht unwesentlich einige heute anwesende architekten und eröffnete ihnen damit ein komplexes verständnis von kulturgeschichte, das subtil zwischen geist und körper angesiedelt ist.
horst und sein engagement
horst kämpfte zeit seines lebens nicht nur für die eigenen projekte, sondern auch für die verbesserung der grundlagen von architektur, kunst und letztlich ganz allgemein für eine veränderung des allgemeinen kulturbewusstseins. in diesem sinne engagierte er sich sowohl in der kammer der architekten und ingenieurkonsulenten als auch in der zentralvereinigung, organisierte ausstellungen, aber verschwendete sich im positiven sinn auch für musik und kunst, weil er existentiell daran interessiert ist. so sollte er gemeinsam mit günther feuerstein und richard gratl die damals bereits über die landesgrenzen hinaus bekannten jugendkulturwochen in innsbruck organisieren, aber aufgrund ihres avantgardistischen konzeptes und ihrer unbotmäßigkeit wurde das festival 1970 abgedreht und fand nie mehr wieder statt. die jugendkulturwochen waren 1950 ins leben gerufen worden und entwickelten sich im laufe der zeit zu einem projekt von europäischem format. es entstand ein festival, wo neue trends in kunst, architektur, literatur wie musik vorgestellt wurden. Zu gast waren, und wenn man sich heute die liste der beteiligten durchliest, kann man einfach nur staunen, unter anderem ingeborg bachmann, ilse aichinger, eugen gomringer, ernst jandl, friederike mayröcker, marlene haushofer, thomas bernhard, elfriede gerstl, elfriede jelinek, bert breit, friedrich cerha, luigi nono, györgy ligeti und ernst caramelle. an diesem auszug an namen können sie erkennen, auf welch hohem niveau damals das festival beheimatet war, und wie ein politischer akt kulturelle zukunft einfach vernichten kann. dieser schwenk in die geschichte sollte nur verdeutlichen, in welchem kontext horst parson sein engagement lebte und auf welchem qualitätsniveau er seinen kampf für kultur ansiedelte.
lieber horst, sagte ich damals in der rede, auch wenn ich nicht immer deiner meinung war, und wir einige hitzige diskussionen hatten, möchte ich dich trotzdem bitten, dass du dich ja nicht änderst und weiterhin dein engagement lebst. denn wir, die stadt innsbruck und das land tirol brauchen dich in deiner widerständigkeit und widersprüchlichkeit. und eine kleine anmerkung noch zum schluss: auch wenn du dich manchmal ironisch als den letzten dinosaurier bezeichnest, kann ich dir nur versichern, wir benötigen solche saurier als korrektiv, um zu verstehen, worum es eigentlich geht.
lieber horst, sage ich heute, wir werden dich vermissen …
Eine von Wolfgang Kritzinger zusammengestellte und geführte Fahrt zu ausgewählten Projekten des im April 2015 verstorbenen Architekten Horst Parson.
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