rainer köberl: „dachbodenzelt zum turm“, schwaz
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 2/2012
Margarethe Heubacher-Sentobe hat in Schwaz, in einem kleinen, eher unbedeutenden Haus, einen ganz kleinen Dachboden ausgebaut. Ohne viel Aufwand ist dort oben ein einzigartiger „Zeltplatz“ entstanden, von dem aus man hinunter auf den gotischen Turm der Schwazer Pfarrkirche und deren großes kupfer-grünes Dach schauen kann.
Eine alte Freundschaft verbindet Rens Veltman und Margarethe Heubacher-Sentobe, die zusammen mit ihrem Mann auch Veltmans erste und wichtigste Sammlerin seiner Kunst war und ist.
In alten Ansichten von Schwaz erkennt man am Nordhang viele kleine „Knappenhäuser“ und noch heute findet man diese für unsere Gegend untypisch kleinteilige, angenehme Siedlungsstruktur. Geht man am „Veltmanhaus“ vorbei, nimmt man eventuell die große Verglasung im Giebel wahr, sonst nichts. Aus dem Hinterhof im Süden gelangt man über eine enge, irgendwie „schlampige“, zweimal geknickte, steinzeugbelegte Treppe ins dritte Geschoss. Erst an der dunklen Wohnungstür spürt man „Gestaltung“, tritt quer zur Giebelrichtung, im hinteren Drittel des Grundrisses, in ein dämmrig helles, nach Norden geöffnetes Giebelzelt. Stark raumcharakterprägend ist dabei vor allem der „kalte“, nicht zum Innenraum gemachte, eben nicht „ausgenützte“, Dachbodenraum an der Westseite.
Die Wände, Türen, Möbel und die Dachuntersicht bestehen aus dunkelbraunroten, leicht glänzenden Visaformplatten, der Boden aus mattschwarz lasiertem Fichtenholz. Das einzig Helle: der weiß verputzte, brusthohe, leicht längliche Ofenblock zwischen dem „Nordplatz“ mit Küchenbar und Esstisch und dem Eingangsbereich.
An der Küchenbar wird bewirtet, am großen Tisch daneben lässt sich angenehm sitzen. Dies auch deshalb, weil eine recht hohe, lehmverputzte Brüstung den Raum im unteren Bereich abschließt und die Stadt im Sitzen ausblendet. Man sieht nur die Türme vor dem gestaltlosen, sich stetig verändernden großen Rücken des „Staner Joch“.
Dem großen Schwazer Nordhang entsprechend fällt im Inneren nur wenig Licht von Süden über die „Ruhe-Empore“ in den Raum. Zusammen mit dieser, nach Norden offenen Strukturierung des Raumes, ist es vor allem die dunkel schimmernde Oberfläche des ganzen Dachraums, die eine Zwiesprache mit dem Turm und dem Kirchendach entstehen lässt. In der Erinnerung, im Kopf, im nicht mehr „dort sein“, rücken diese Element noch näher zusammen als in Wirklichkeit und verbinden sich mit dem großen fünfgeschossigen Dachstuhl der Pfarrkirche, der in weißer Brandschutzfarbe gestrichen ist und über islamischen Lehmbaukuppeln, eigentlich der staubigen „Oberseite“ der Gewölbe der vierschiffigen gotischen Hallenkirche, aufgebaut ist.
Eine besonders eindrückliche Stimmung entsteht am Abend und in der Nacht: Man sitzt im dunkel schimmernden Zelt und der hell angestrahlte steinerne Turm mit seinem kunstvoll ausgeformten gotischen Helm „gehört“ dem kleinen Dachboden. Vielleicht ist sogar aus dieser Vorstellung die innere Gestaltung entstanden? Aber wie so oft bei glücklichen Lösungen, die als so klare „Idee“ erscheinen, ging auch dieser Verwirklichung ein oftmaliges „Tiki-Taka-Spiel“ zwischen Margarethe, Rens und Doris voraus, in dem sich Improvisiertes, Perfektes, alte rotbraune Sperrholzmöbel und Erinnerungen an einen ebensolchen Boden im alten Atelier von Rens letztendlich zu einer Einheit zusammenfügten.
„dachbodenzelt zum turm“
architektin Margarethe Heubacher-Sentobe
bauherren Doris und Rens Veltman
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 2/12