rainer köberl: "die bäckerei" – kulturbackstube in innsbruck, dreiheiligen
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 1/2012
Am Beginn steht eine Grafikerin, der das „Nur-Grafik-Machen“ zu wenig ist und die Freude daran findet, Gleichgesinnte zusammenzubringen. In leerstehenden Gebäuden organisierte sie eine Zeit lang sporadisch Design- und Handwerksmärkte. Ein schon länger nicht genutztes ebenerdiges Raumkonglomerat der Familie, vorerst nur der Platz für ihr Atelier, erzeugte den Wunsch nach mehr. Dazu kommt ein Architekt, dem das tägliche Mittagessen in Lokalen zu teuer ist und dem dieses v. a. nicht immer schmeckt. Einen Raum, wo man kochen und sich treffen kann, wünschte er sich.
Von den Handwerksmärkten kennen sich die Grafikerin und der Architekt. Bald steht man in dem Raumkonglomerat in Dreiheiligen. „Bäcker“ Klaus, der dritte im Bunde, reflektiert abwägend, betrachtend und beratend, das „Spintisieren“ und „Aushecken“ von Christine und Christoph. Daraus entsteht ein vages Konstrukt, ein kaum vorhandenes Konzept, irgendwann kommt eine knappe, eigentlich viel zu kleine Summe Geld dazu, zu der ein „guter Geist“ verhilft. Die geringe Summe zwingt zum Selbermachen – aber eigentlich weiß man noch immer nicht, was das Ganze werden soll. Die Integration freudiger Mithelfer und Mitbauer wird zum Bestandteil des Prozesses, später auch zur Basis des Konzepts. Während des Umbaus werden immer neue Inhalte entwickelt und die vielen Beteiligten, die sich um diese Räume scharen und sich darum kümmern, werden als Potenzial für die Zukunft betrachtet. Langsam, auch nach Fertigstellung noch nicht abgeschlossen, wagt man immer mehr Bereiche des Gebäudes zu bespielen.
Die architektonischen Maßnahmen beginnen mit dem Reinigen und Entkleiden der Räume. Zur Straße hin will man öffnen. Die Verglasung ist zu lösen. Alte Isoliergläser werden gesammelt, deren Maße automatisch Fensterteilungen entstehen lassen. Nur hin und wieder wird ein Restfeld gekauft und aus Sperrholzleisten die Konstruktion, die Sprossenteilung zusammengesetzt. Eine Nische im Hauptraum, eine schalltechnische Schwachstelle zur Nachbarwohnung, wird nicht etwa mit einer bauphysikalisch perfekten zweischaligen Rigipswand, sondern mit einem Netz aus schmalen Sperrholzleisten und Isoliergläsern verschlossen. Die dadurch entstehende große, unbetretbare und leere Vitrine verstärkt das Verglasungsthema, das Neue im Alten, und bereichert den Raumcharakter – wie ein großer offener Kamin – ganz eigenartig durch seine scheinbare „Sinnlosigkeit“.
Das zweite notwendige Implantat im Raumgefüge waren die Sanitäranlagen. In der Mischung aus grau-, creme-, beige-, weiß- und ziegelfarbenen Tönen entsteht eine frisch wirkende Box. Glatte, konventionelle, hellblaue Fliesen erzählen vom sauberen, nassen Inhalt zwischen den vom langjährigen Gebrauch geprägten Wänden. Drinnen alles blau gestrichen, etwas dunkler als draußen, kleine feine Details, ein paar Glasscheiben lassen aufs alte Gemäuer blicken. Kuhtränken werden zu Pissoirs, Kochlöffel zu Kleiderhaken. Ganz ungezwungen und nicht aufdringlich die Bar, die ganz ohne Kinkerlitzchen auskommt, jedoch mit Leuchtschrift zur Straße orientiert ist. Ein großer weißer Putzkasten mit seinem komplexen roten Innenleben und das mit dunkelrotbraunen Sperrholzplatten verkleidete Getränkelager, das mit seinen großen selbstentworfenen Beschlägen an alte Wirtshausgefrierkästen erinnert – alles notwendig, uneitel, aus den Bedingungen entwickelt und auf Sinn und Sinnlichkeit bedacht. Gratulation.
„die bäckerei“
grafikerin Christine Mölk
architekt Christoph Grud
„bäcker“ Klaus Schennach
fenster Christoph Grud
WC Bernhard Wolf, Florian Fender, Thomas Hillebrand (yes-architekten)
bar Sebastian Possert
putzkasten Laurent Faber (Tortenwerkstatt)
getränkelager Konstantin Ronikier
>> www.diebaeckerei.at
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 1/12