rainer köberl: hotel schwarzer adler, st. anton am arlberg. eine aufstockung
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 3/2013
Im Gebrauchtmöbelmarkt Ho&Ruck fand ich diese Postkarte: „Hotel Schwarzer Adler, St. Anton am Arlberg. Altbekanntes traditionsreiches Haus mit internationalem Komfort. Erbaut 1681“. Ursprünglich vermutete ich, die Aufstockung sei ein Werk von Clemens Holzmeister, wenngleich ich ihm die Mischung aus radikal und sensibel eigentlich nicht zutraute. In Friedrich Achleitners Architekturführer taucht wirklich ein von Holzmeister stammender Saalanbau (1925/26) beim Schwarzen Adler auf, ebenso in Holzmeisters Werkverzeichnis. Dann aber, beim Besuch des Hotels, habe ich diese Inschrift entdeckt: „Besitzer Franz Tschol ließ 1932 durch Architekt Hans Feßler Innsbruck dieses Haus vergrößern. Die beim Umbau aufgedeckten alten Fresken wurden durch Maler Toni Kirchmeyer renoviert, um die Zeugen heimischer Kunst der Nachwelt zu erhalten. 1954 unter Karl Tschol erneuert, ebenso 1972 von Maler M. Fleisch.“ Darunter „gemalen von Toni Kirchmayr Innsbruck“.
Möglicherweise hat Achleitner diese Inschrift übersehen oder sie hat in dieser Weise noch nicht bestanden, worauf die Jahreszahl 1972 hinweisen könnte. Vielleicht war auch die Qualität der Aufstockung gar nicht mehr so „lesbar“ wie auf dieser Postkarte. So haben die Fresken heute durch Übermalungen der Grundfarbe nicht mehr die ursprüngliche Qualität. Kunststofffenster mit Messingsprossen, veränderte Fenster in den Obergeschoßen, Aufputzleuchteninstallationen und zusätzliche Anbauten lassen die Leistung Feßlers kaum noch erkennen, wenngleich sie wohl wieder ins rechte Licht gerückt werden könnte.(1) Jedenfalls schätzt Achleitner Feßler sehr, wie seine Texte zu vielen Feßlerbauten im Arlberggebiet deutlich machen. Das Haus Eisenschimmel-Walch in St. Anton beschreibt er als „eines der besten Tiroler Häuser der frühen dreißiger Jahre“, die Christkönigskirche in Zürs gehört „zu den besten Bauten der dreißiger Jahre, die in der alpinen Region entstanden sind“ – Superlative, wie sie in Achleitners Führer nicht so häufig vorkommen.
Wie ein dicker 6B Strich trennt der außen dunkel verschindelte Balkon den Aufbau vom zart bemalten alten Mauerkubus und schützt, verschieden weit vorspringend, die Freskenfassade. Die offensichtliche Verwendung einer Stahlbetonplatte erlaubt es, die Geschoße des Aufbaus ab diesem „Strich“ verschieden weit hinter das aufgehende Mauerwerk des Altbaus zurück zu rücken, diesem seine Eigenständigkeit zu geben und dadurch einen nutzbaren Balkon im Übergangsbereich zu schaffen. Dass der Balkon an der Ostseite nicht über die ganze Breite gezogen ist, sondern der neue weiße An- und Aufbau hier ca. 30 cm schützend vor die alte Fassade springt und all diese Vor- und Rücksprünge in einem mit Eckfenster versehenen, fast erkerartigen Gebäudesprung in der Mitte der neuen Fassade aufgelöst werden, ist klug, einfallsreich und konsequent „gespielt“. Dann noch das Dach: einfach „zugeschnitten“ – mit starken Pfetten, unüblich in beide Fassadenrichtungen, nur unter Umständen statisch durch die hohen Schneelasten begründet, jedenfalls dem Haus nicht nur eine Richtung gebend. Achleitner hätte wohl schreiben müssen: „Eine der radikalsten und sensibelsten Aufstockungen historischer Bausubstanz im Alpenraum, nicht nur der dreißiger Jahre“.
hans feßler (1896 – 1973)
Hans Feßler war nach seinem Architekturstudium an den Technischen Hochschulen in Graz, Karlsruhe und München Büroleiter im Innsbrucker Atelier von Clemens Holzmeister. 1928 gründete er ein eigenes Atelier in Innsbruck. Sein Nachlass befindet sich im Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck.
ho&ruck gebrauchtmöbelmarkt
Größter Indoor-Flohmarkt Tirols, gegründet 1984, stetig wachsender, sozialökonomischer Betrieb mit derzeit 54 TransitmitarbeiterInnen sowie 43.000 zahlenden KundInnen 2012. Umgestaltet von Arno Fessler, dem Enkel von Hans Feßler. Auf seiner Website findet man übrigens als Eingangsmotto ein Zitat von Robert Venturi, das meiner Meinung nach sehr gut zur Arbeit von Arno Fesslers Großvater passt. Dort heißt es u. a.: „Die Architekten können es sich nicht länger leisten, durch die puritanisch-moralische Geste der orthodoxen modernen Architektur eingeschüchtert zu werden. Ich ziehe eine Haltung, die sich auch vor dem Vermessenen nicht scheut, einem Kult des ,Reinen‘ vor; (...) Ich ziehe eine vermurkste Lebendigkeit einer langweiligen Einheitlichkeit vor. Dementsprechend befürworte ich den Widerspruch, vertrete den Vorrang des ,Sowohl-als-auch‘.“ (Robert Venturi) – Nachzulesen auf www.archfessler.com
(1) Weiter unten finden Sie ein digitales Fotoalbum mit ein paar Aufnahmen, die die Entwicklung des Ensembles Hotel Schwarzer Adler im Lauf des 20. Jahrhunderts zeigen.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 3/13