rainer köberl: wie für die zeit des klimawandels gemacht!
Ein Brunnen für „überall“ am Piazzale della Pace in Parma
Wir waren in Modena und Parma. Merkwürdigerweise kennt man viele ikonische Fotos von Aldo Rossis Friedhof in Modena, jedoch taucht in keiner Publikation der daneben liegende alte Friedhof San Cataldo auf. Ein riesiges Gebäude, ein Vierkanthof für die Toten, den man zusammen mit Rossis „De Chirico Welt“ dort erleben kann.
Im Zuge eines Filmprojekts (1), das diese inspirierende Nachbarschaft behandeln wird, besuchten wir auch Parma. Zuerst das Baptisterium San Giovanni neben dem Dom, in dem sich über dem achteckigen Taufbecken – gearbeitet aus einem einzigen Marmorblock mit einem Durchmesser von vier Metern – eine Rippenkuppel wölbt, die leider keinen glücklichen Raum erzeugt. Er ist einerseits zu nieder und seine „Mehrfachzentrierungen“ stören, andererseits entspricht er so gar nicht der klaren, hochaufragenden Außenerscheinung dieses Oktogons. Die Kuppel versinkt regelrecht hinter dem fein krönenden Attikakranz. Schade. Eine ebene Holzkonstruktion hätte wohl eine stimmigere Ganzheit für das schönste mir bekannte, eben ohne Kuppel erscheinende, achteckige Gebäude erzeugen können.
Nach einem Spaziergang durch die heiße Stadt treffen wir am Rand einer städtebaulich unklar wirkenden Grünanlage auf alte, offensichtlich teilweise zerstörte burg- oder palastartige Strukturen. Und dort: eine helle, große, rechteckige Wasserfläche auf Sitzhöhe. Irgendwie wirkt sie wie neu. Vielleicht vor kurzem nur etwas merkwürdig positioniert. Die Stadt wollte etwas gegen die Hitze tun? Aber die Bäume – Pappeln, die in kleinen erhöhten, betonierten Ringen in Reihen im Wasser stehen – sind doch schon ziemlich alt, ich schätze sie auf zwanzig Jahre.
Das über den Rand rinnende Wasser plätschert, Kinder spielen im 25 cm hohen Becken, so mancher sitzt auf einer der Baumscheiben und sieht dem Treiben zu, eine junge Frau liest auf einer der „Pappel-Inseln“. Die Baumsäulen beschatten, doch lassen sie Sonnengassen offen. An beiden Seiten des Beckens sind überbreite, große, senkrecht dazu gestellte Steinblockbänke angeordnet, voll besetzt mit „buntem“ Volk. Eine phantastische Brunnenlösung in Wirkung, Begeh- und Besitzbarkeit und dem Spiel von Licht, Schatten und dem Klang des Wassers, die eigentlich ungeniert an vielen Orten so oder in Variationen stehen könnte – eigentlich ein Typus.
Zurück in Innsbruck hat meine italienische Mitarbeiterin (2) gegoogelt. Dann die Überraschung: „ein Mario Botta“. Im Rahmen der Umgestaltung dieses durch Bombardements im Zweiten Weltkrieg und späteren Abbrüchen entstandenen Grünraums um den Palazzo Ducale hat Botta 1986 diesen Bereich bearbeitet. Um 2000 wurde dann dieser Brunnen realisiert, bei dem Botta jedoch nicht all meine geschilderten Qualitäten direkt beabsichtigte, sondern konzeptionell den Grundriss der dort ehemals stehenden Kirche San Pietro Martire, die 1813 abgebrochen wurde, mit ihren Säulen und Seitenkapellen „nachzeichnete“. Sie musste damals der geplanten Erweiterung des Palazzo Ducale weichen, doch ging später das Geld aus. Am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstörten auch Bomben Teile dieses Areals, unter anderem das 1617 errichtete Theater Farnese, das jedoch rekonstruiert wurde. (3)
(1) Lukas Schaller: Fotograf und Filmemacher („Über Lois Welzenbacher“); Filmprojekt über die Friedhofsanlagen von Modena
(2) Stefania Monici
(3) Mario Botta: Schweizer Architekt, geb. 1943 in Mendrisio. Die Gestaltungsmaßnahmen Bottas in diesem Bereich können am einfachsten durch Googeln von „mario botta parma“ gefunden werden.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 3/21