rainer köberl: der garten des peter haas. annäherung an den maßstab einer gartengestaltung
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 2/2016
Mit seinen, heute roten und leicht geschwollenen Augen wirft Peter Haas, auf die Frage, „was er denn dann einmal machen werde“ in die kleine Runde, die sich im Café Steinhauser in Dornbirn nach einer Wettbewerbsausstellung getroffen hatte: „Wisst ihr was Stauden sind?“ – „Büsche“ – „Nein“. Mit einem fast „triumphierenden“ Lächeln erzählt er dann begeistert von „seinen“ Stauden, gegen die er eigentlich allergisch ist. Wie sie „explodieren“, in kürzester Zeit fast mannshoh werden, wie die Blüten „herausschießen“ und sich im Winter der Reif um sie legt. (1)
Vor 30 Jahren hatte es ihn ganz plötzlich überkommen. Im Garten seiner Großeltern, in deren einfachem Haus in Dornbirn er im Obergeschoß wohnte, öffnete er vier Quadratmeter des gepflegten Rasens und begann mit der Pflanzung einer Gruppe blühender Sträucher. Seine Großmutter reagierte zuerst ganz entsetzt: „Da ist ja kein Rasen mehr da“.
Langsam kamen Bäume dazu – sieben Stück waren’s, zwei Fichten und fünf Ahorne – und immer mehr blühende Sträucher: der übliche Goldregen, Schneebälle, Forsythien, auch Rittersporn, Lupinen, Flox und andere Blumen dazwischen. Nach der Blüte eben nur mehr grüne – für Peter – „unstrukturierte“ Buschen. Aus dieser Unzufriedenheit pflanzte er irgendwann die ersten „Stauden“ und „Gräser“.
Immer dunkler wurde der Garten. Der Blick auf ein Luftbild, auf dem er in Mitten der Siedlung diese „grüne Hölle“ erkannte, ließ ihn Motorsägen und Autokran bestellen und seinen bisherigen Garten radikal von allem Gehölz befreien. In diese Zeit fiel auch das Kennenlernen und der Besuch der Gärten von Piet Oudolf, dem niederländischen Landschaftsgärtner. So begann er entlang des Porphyrplattenwegs seiner Großeltern seinen Staudengarten anzulegen. „Das muss ausschauen wie hineingestreut, nicht geplant.“ Trotzdem oder gerade deshalb, muss Peter seine Stauden auch oft um nur 10 cm versetzen, erzählt Stefan Burtscher, sein Freund in der Stadtplanung, der ihm hin und wieder hilft. Peter reagiert auch auf bestehende Pflanzungen der Nachbarn, setzt zu deren Säuleneiche in Grenznähe eine zweite dazu – „ich mag Pärle“ (2) – und hat das Glück, dass die Nachbarin im Süden, ohne Zaun, seine Leidenschaft für „Stauden“ zu teilen begann. Zur Straße hin stehen noch zwei „Schneebälle“, die schon die Großeltern gesetzt haben. Mit ihren fleischigen dunklen Blättern – ihrem „nichts Besonderem“ – passen sie dorthin. Jenseits der Straße, auf einem durch den Straßenbau abgeteilten Restgrundstück, pflanzte Peter einen Ahorn vor die Fassade des Nachbarhauses – so „überspringt“ der Garten die Straße.
In all diesen „gärtnerischen“ Entscheidungen könnte man entdecken, dass das „gärtnerische Denken“ dem „städtebaulichen Denken“ insofern ähnlich sein muss, als in beiden Gestaltungsweisen das „sich Verändern“ und „das Wachsen“ in allen Entscheidungen wesentlichst mitbedacht werden müssen.
peter haas
geb. 1953 in Dornbirn; Architekturstudium in Innsbruck; freier Mitarbeiter in verschiedenen Architekturbüros; seit 1993 in der Abteilung Stadt- und Verkehrsplanung der Stadt Dornbirn, zuständig insbesondere für die Entwicklung von strategischen Konzepten für Gemeinbedarfseinrichtungen und die Vorbereitung und Leitung von Hochbauprojekten
(1) Stauden sind mehrjährige krautige Pflanzen, deren oberirdische Teile nicht verholzen, wie bei Sträuchern und Bäumen, sondern eher weich sind, nach jeder Vegetationsperiode absterben und jedes Jahr erneut blühen. Aus den kräftigen Wurzelstöcken, die man mit der Zeit nur noch mit einem Schremmhammer oder einer Handkreissäge bearbeiten kann, treiben sie jedes Frühjahr wieder aus.
(2) Pärle: Vorarlbergerisch für Pärchen
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 2/16