rainer köberl: die drei leuchten von treviso. geometrie einer leuchtenaufhängung in einem kreuzgewölbe
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 1/2017
Dieser Text ist Ernst Mitterndorfer von der Firma HALOTECH LICHTFABRIK gewidmet, einem meiner treuesten Leser.
Nach meinem letzten „small is beautiful“-Beitrag meinte Werner Burtscher (1), dass dieser Text gar ein wenig selektiv, andererseits fast ein Weihnachtsmärchen gewesen wäre. Meine Antwort war, dass sich „alles“ genau so zugetragen hat. Diesmal eine ganz einfache Geschichte, und wieder geht es um geometrische Beziehungen zwischen primären und sekundären Systemen, nämlich um die Kunst, Leuchten in einem Kreuzgewölbe aufzuhängen.
Vor sechs Jahren, auf dem Weg nach Venedig, machten wir Rast in Treviso. In der großen dreibogigen Loggia des Palazzos dei Trecento (2) entdeckte ich diese Leuchte, eigentlich drei Leuchten in der Kreuzgewölbestruktur. Gerne hängt man eine Leuchte nicht in die Kreuzung der Gewölbegrate, aber manchmal kann es sein, dass sich diese heikle Stelle doch als die sinnvollste herausstellt. Ab diesem Zeitpunkt wird es jedoch schwierig. Ein kleiner runder Baldachin oder ein eingeputztes Gewinde für die Pendelstange, wodurch das Klemmen der Kabel erst in der Leuchte selbst erfolgt, definieren immer einen größeren oder kleineren Punkt genau an jener Stelle, an der die Grate sich kreuzen. Auch deshalb, weil diese Grate in der Regel etwas unregelmäßig und mehr oder weniger erhaben sind, bleibt bei derartigen Lösungen für mich immer ein unbefriedigendes „Gefühl“.
Beim Palazzo dei Trecento wurde die Aufhängung mittels einer dreieckigen Stahlplatte gelöst, die an drei Punkten befestigt ist und damit den Kreuzungspunkt der Grate – der durch die Elektrokabel sicher verletzt ist – elegant verdeckt.Die Wahl einer runden oder quadratischen Platte wäre auch möglich gewesen, wodurch eine Schraubensetzung im geometrischen System des Kreuzgewölbes möglich gewesen wäre. Die Entscheidung für eine dreieckige Abdeckplatte erlaubt jedoch die Positionierung der Befestigung bzw. des Dreiecks „nach Gefühl“, was eine „Ausgewogenheit“ und Unabhängigkeit der beiden Systeme zur Folge hat. Uns ist es bei einigen Versuchen nicht gelungen, eine andere, geometrisch begründbare Position zu finden, die das quadratische primäre System mit einem, auf dem Dreieck beruhenden sekundären System in Beziehung setzt.
Dass der eigentliche Leuchtenkörper, der mit seiner dreiteiligen Glashaltekonstruktion um 60° zur Dreiecksplatte verdreht aufgehängt ist, eine zusätzliche Begründung für diese Aufhängungsart gewesen sein könnte, ist ebenso denkbar, wie die Aufgabe, eben drei Leuchten aufhängen zu müssen. Das Dreieck erlaubt jede Leuchte leicht verdreht aufzuhängen, wodurch eine noch deutlichere Unabhängigkeit der beiden geometrischen Systeme erzielt wird.
Der Name des Palastes – nämlich der Sitz des 300-köpfigen Rats – war es sicher nicht, wohl auch nicht das „tre“ von Treviso, ist doch dieses „tre“ gar nicht der eigentliche Ursprung dieses Namen ...
(1) Architekt in Stams
(2) Der „Palazzo dei Trecento“ in Treviso war der Sitz des „großen Rats der 300“. Er zählt zu den ältesten Kommunalpalästen Italiens und war inhaltliches Vorbild der bekannten Palazzi della Ragione in Padua und Vicenza. Diese intelligenten Typologien waren möglicherweise Vorbild fürs Centre Pompidou von Piano und Rogers in Paris.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 1/17