rainer köberl: ein flugzeug im keller. tonstudio und proberaum in wien
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 4/2014
„I hör’ was, i hör’ was“. Im Hochparterre einer Wohnung im 19. Wiener Gemeindebezirk sitzen Architektin, Bauherr, Bauakustiker und die Bewohner der Wohnung um einen Tisch. „Bitte leise sein, sonst kann mein Gerät den Lärm nicht messen“. Die Mutter schiebt ihrem Sohn einen Zettel über den Tisch: „Ich bin dagegen“.
Unter dieser Wohnung will sich der Jazzbassist Michael Kröss einen Proberaum und ein Tonstudio einrichten. Zahlreiche Keller in den verschiedensten Bezirken wurden zusammen mit Daniela Kröss, seiner Schwester – damals Architektin in Wien –, begangen. Alle waren feucht – erst in der Pantzergasse, im eher hochgelegenen 19. Bezirk wurde man fündig. Etwas zu nieder war er zwar, aber durch das mögliche Abgraben von ca. 60 cm ein schöner zweischiffiger Raum, sogar mit vorhandenem WC. Als Michael den Aushub selber und allein tätigte, wurde die ursprünglich so skeptische Nachbarin auch freundlich und versüßte die schwere Arbeit hin und wieder mit Wiener Apfelstrudl.
Klar und streng waren die Vorgaben der Bauakustik. Die Einbauten mussten völlig schallentkoppelt, ohne jegliche Leitungsdurchdringungen, luft- und schalldicht in den Bestand aus recht schönem Ziegelmauerwerk eingebaut werden. Auf die schwimmend verlegte 15 cm starke Betonplatte wurde nach Anbringung einer Vorsatzschale an Wand und Decke eine mehrschalige Holzkonstruktion auf Sylomerlager aufgesetzt. Glücklicherweise wurden die ungelernten Musikerhände von einer deutschen, blonden, fahrenden Zimmermannsgesellin in traditionell schwarzer Kluft unterstützt. Sie half den Spagat zwischen hohen technischen Anforderungen und kostengünstiger Realisierung zu lösen, ebenso wie der Verkäufer eines Geschäfts für Lüftungsbestandteile, der selbst ein Tonstudio betreibt und wusste, wie mit einfachen Mitteln die selbe Wirkung erzielt werden konnte, wie mit den unheimlich aufwändigen Vorschlägen des Lüftungsplaners.
Alles war eng und die neuen „autonomen“ Räume hatten sich dem Bestand einzufügen. Der fensterlose Aufnahmeraum mit ca. 4,5 auf 9 m füllt den hinteren Kellerraum komplett aus und ist geprägt von den drei „umbauten“ statischen Querträgern, den variabel bogengespannten Sperrholzplatten und den schönen alten Teppichen am Estrichboden, die die notwendige akustische Weichheit und angenehme Probenstimmung erzeugen.
Dem wesentlich kleineren straßenseitigen Regieraum konnte durch die hochgelegenen alten Industriemetallfenster durch die innere Schale hindurch (Schallschutzfenster) besonderes Licht gegeben werden, so dass die konzentrierte Atmosphäre eines „Komponierhäuschen“, aber auch einer „Ausruhhöhle“ für Michael entstand. Neben dem natürlichen Licht prägt der polygonale, fast apsisförmige Zuschnitt des Regieraums zum Eingang hin dessen Charakter und akustische Qualität. Außen wird so der in die alte Struktur „hineingestellte“ Regieraum deutlich ablesbar – seine „abgeschnittenen Ecken“ im Bereich der Eingangstüre, die direkt von der Straße nach unten führende Treppe und deren Mündung in den internen Erschließungsgang lassen mehr Licht, mehr Raum und den notwendigen „Stehtischbereich“ entstehen. Verstärkt wird dieses „Münden“ und „Aufweiten“ durch das Aufbringen einer billigen, leicht welligen Plastikspiegelfolie. Wenngleich die meiste Arbeit an diesem Projekt ins „Verborgene“, in die kostengünstige, einfach realisierbare „Verhinderung“ kleinster Schall- und Luftlöcher geflossen ist, wurde durch diese Eingangssituation erst dieser wirklich musikalische Ort geschaffen.
studio kröss
Pantzergasse 27/1
1190 Wien
studiokroess.com
architektur Daniela Kröss
bauherr Michael Kröss
bauakustik Joachim Jira
daniela kröss
geb. 1978 in Zams; Architekturstudium an der Universität Innsbruck; 2004 – 08 Mitarbeiterin im aut; Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros u. a. Atelier Rainer Köberl, Innsbruck und Henke Schreieck Architekten Wien; seit 2012 selbständige Architektin in Innsbruck
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 4/14