rainer köberl: josef lackners grottenbad flora
ein trauriger nachruf
„An das vorhandene Wohnhaus wurde von dessen Untergeschoß erreichbar das Schwimmbad angebaut. Es war Ziel der Planung, den sonst allzu sportlichen Aspekt einer solchen Aufgabe zugunsten einer freieren, vergnüglicheren Auffassung zu verdrängen. Die Klima- und Höhenlage (850 Meter ü.d.M.) sowie viele optische und praktische Überlegungen führten zur Lösung in Richtung Grotte. Die Form des Raumes und damit der Wasserfläche animiert neben dem Schwimmen auch zum Spiel. Vom Eingang aus sind die Wasserfläche und der Raum nicht ganz zu übersehen, d.h. der Inselplatz ist nur schwimmend erreichbar. Durch sieben Lichtkuppeln wird die Anlage von oben mit Tageslicht, aber auch nachts durch Außenscheinwerfer erhellt. Die Sonne und der Mond werfen Lichtellipsen an die Wände. Im Sommer beherrscht das Grün der Baumkronen, im Winter das Blau des Himmels oder der fallende Schnee den Raum.“ Josef Lackner, 1970
Wer weiß, in welcher Jahreszeit Josef Lackner diesen Auftrag entwickelt hat. Ich vermute fast in der unwirtlichen Winterzeit. Sein Text zum Projekt1, der wie das Bad selbst, durch seine poetische Beschreibung der Licht- und Jahreszeitenverhältnisse eine Sonderstellung in seinen Projekttexten einnimmt, reflektiert auf Höhenlage und Klima, die Art des Schwimmens und das Licht, sogar auf Sonne und Mond, Baumkronen und Farben des Himmels, aber kein Wort zur Konstruktion. Neben dem bürgerlichen, orthogonal eingeteilten, villenartigen Haus, in dem ganz oben unter Dach, nach Süden blickend, der groß gewachsene, ganz und gar nicht sportliche Paul Flora seine „Striche strichelte", entstand – skizziert aus Lackners „Pranke“ – dieses „wellige“ Gebilde im verwilderten Garten.
So stelle ich mir die „Entstehung“ dieses Entwurfes vor. Vielleicht hat auch Paul Flora gesagt: „Ich will da drinnen schwimmen, ganz ruhig, weißt eh, und wann immer ich will, ganz für mich allein, ich will keinen Menschen sehen.“ Jedenfalls ist eine Symbiose entstanden, eine zwischen dieser einfachen, körperhaften Villa und dem rauhen, grauen, mäandernden Zubau, der nur von oben belichtet wird. Diese bauplastischen Gegensätze werden in ihren Innenwelten als homogene, jedoch gegensätzliche Raumerlebnisse wahrgenommen. Paul Flora blieb in „seiner inneren Welt“ – sie war dort unten nur „runder, nasser und lichter“ – und er war nicht „auf einmal im Garten“ – konfrontiert mit allen möglichen „Störenfrieden“ der Natur.
Das Projekt ist nicht, wie eigentlich alle Werke Lackners durch eine, zumindest ansatzweise, konstruktive Idee bestimmt. Hier ordnen im ersten Entwurf eine Summe von Kreiskegeln der Oberlichtkuppeln den Grundriss. Dieses bestimmende „Konzept“ wurde in der Weiterbearbeitung, wohl durch eine Überprüfung der Raumwirkung, auf den vorderen und hinteren Bereich – Einstieg und „Insel“ – beschränkt. Der Mittelteil wurde „begradigt“, wodurch der Entwurf erst seine innere Spannung und Kraft erhielt. Nur nebenbei sei hier auf die notwendige exakte Schalungsarbeit der Wände und Kegelanschlüsse der Oberlichtkuppeln hingewiesen.
Die raue Außenhaut der „Grotte“, die Plastizität der Flächen ist ein oft wiederkehrendes Thema in Lackners Fassaden, aber hier wurde dies mit hohem Aufwand erzielt – was wiederum untypisch in Lackners Arbeiten ist. Es war die, obwohl handwerklich am ersten Blick primitiv erscheinend, doch komplizierteste Außenhaut seiner Bauten. Auf sehr breitem Fundament wurde vor dem senkrecht betonierten Schwimmbadraum eine im Schnitt keilförmig gestufte, nach oben sich verjüngende Betonschalsteinwand aufgestellt, wobei die Betonsteine so versetzt wurden, daß die im Regelfall vorspringenden Zungen an der Stoßfuge nach außen gedreht wurden, um zusätzliche „Rauigkeit“ zu erzeugen. Wenn man das Gebäude als „Grotte“ sieht, ist diese Gestaltung stimmig. Jedenfalls hatte das „Raue“ und das „nicht Senkrechte“ auch zur Folge, dass die Symbiose zwischen Villa und Grottenbad glückte.
presseartikel (zum Abriss)
Aufregung um Abriss von Floras Badhaus. tirol.orf.at, 17.09.2018
https://tirol.orf.at/news/stories/2936427/
Edith Schlocker: "Grottenbad": Ein Baum fällt eine ArchitekturIkone. Tiroler Tageszeitung, 18.09.2018
https://www.tt.com/kultur/architektur/14815243/grottenbad-ein-baum-faellt-eine-architektur-ikone
Edith Schlocker: Die Optik für die Stadt ist nicht optimal. Tiroler Tageszeitung, 19.09.2018
https://www.tt.com/kultur/architektur/14819496/die-optik-fuer-die-stadt-ist-nicht-optimal
Wojciech Czaja: "Ein glücklicher Zufall": Schwimbad des Künstlers Paul Flora abgerissen. Der Standard, 21.09.2018
https://derstandard.at/2000087818909/Architekturjuwel-kurios-zerstoertBaum-fiel-auf-Paul-Flora-Bad