rainer köberl: kleine utopien
Ein Eislaufplatz in Stams und einer im „Nirgendwo“ in den frühen 1970er-Jahren
Aus einer rosaroten Eiergondel der Muttereralm-Bahn steigen vier Buben aus. Jeder mit alten Eislaufschuhen, zusammengebunden und um die Schulter gehängt, mit Schiern und jeweils einer Schneeschaufel. Zwei haben „moderne“, leichte, breite Schaufeln mit Alublech- und Sperrholzschiebern und zwei alte, einfache Stahlblechschaufeln, diese eher vom „Bau“. Das absurde Bild im Schigebiet erzeugte Verwunderung.
Den dunklen kleinen Tümpel, die „Hirschlacke“, kannten sie vom Sommer, sie sind vom Tal hinauf gegangen und haben dort sogar einmal gezeltet. Wie man durch den Wald von der Bergstation im Winter den Ort der Lacke findet, hatten sie durch zwei Versuche erkunden müssen. Dort wurde dann geschaufelt und geschabt. Es waren einige Tage nötig – einmal hat es alles wieder zugeschneit – Gott sei Dank nur leichter Pulver. Und richtig glatt wurde das Eis leider nie. Aber das war gar nicht so wichtig, denn diese Buben gingen eigentlich nie Eislaufen. Sie wollten nur einen Eislaufplatz „machen“, dort oben auf der „Hirschlacke“.
50 Schaltafeln 50 x 200 cm, 6 Stück sägerauhe Bretter 24 x 150 x 4000 mm, 8 Stück sägerauhe Fichtenlatten 50 x 80 x 4000 mm, 25 Stück 7,5 x 120 mm Schraubanker mit Senkkopf, 150 Stück 5 x 45 mm Edelstahlschrauben, 80 Stück 5 x 70 mm Edelstahlschrauben sowie eingeschlitzte PVC-Rohre als Kantenschutz Dieses Material braucht man für den Stamser Eislaufplatz, der seit 2015 jedes Jahr zwei Wochen nach Martini von Werner Burtscher, Rene Fürruther, Julius Gal, Florian Gärtner, Paul Pointecker, Martin Reutemann und Gebhard Tschavoll aufgebaut wird.
Im Herbst 2015 gab es in Stams einen Bürgerbeteiligungsprozess über die Weiterentwicklung der Gemeinde. Der Wunschzettel war voll – übervoll. Werner Burtscher, ein Zugezogener, meinte zu später Stunde: „Es muss was spürbar werden – man darf nicht nur wünschen. In Stams, mit seinen langen, sonnenlosen Wintern, könnte man doch einen Eislaufplatz für Kinder errichten.“
Der Vorschlag gefiel. Nach Vermessung mit seinem sechsjährigen Sohn Luc entstand ein Konzept, welches vom Gemeinderat getragen wurde. Die drei Pendler Werner, Gebhard und Paul nutzten ihre 27-minütigen Bahnfahrten von Stams nach Innsbruck und zurück für die Suche nach Konzepten und Details. Es ging um Lösungen für die Beschaffung des Materials, sie wogen ab, ob der TÜV prüfen muss, wer haftet, wer hilft und wie man am besten das Eis spritzt. Ein Rundmail im Dorf rekrutierte die endgültige Mannschaft für den Bau.
Jedes Jahr gibt es Diskussionen: Wo soll der Platz beginnen? Soll er etwas größer werden? Brauchen wir die hangseitige Begrenzung überhaupt? War es intelligent, den Niveauausgleich mit Hackschnitzel zu bewerkstelligen? Oder könnte man nicht aus den übrig gebliebenen Schaltafeln der oberen Begrenzung eine Bar bauen?
Das Weiß des Schnees, die gelben Schaltafeln, der schwarze Kantenschutz und das oft spiegelnde Eis, hin und wieder auch stimmige Musik sowie die abendliche Beleuchtung prägen nun seit 2015 in der sonnenarmen Zeit jedes Jahr diesen Ort und sicher auch die Erinnerungen der Kinder.(1)
1 Am selben Platz wurde von der Gemeinde Stams 2018 ein Wettbewerb zur Platzgestaltung ausgeschrieben. Gewonnen haben die Architekten Stephan Lanzinger und Wolfgang Oberstaller. Leider fehlt in Stams noch das Geld für die Umsetzung. Das Siegerprojekt kann man auf www.wettbewerbe.at unter „Kirchplatzgestaltung in der Gemeinde Stams“ studieren.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 1/20
(Danke an Werner Burtscher – Architekt in Stams – für alle Informationen.)