rainer köberl: lagerhalle gradischegg. ein grüner lagerzubau
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 4/2013
Die aktuelle aut: info kündigt eine Ausstellung von StudentInnenarbeiten aller Institute der Architekturfakultät der Universität Innsbruck an. Als Kontrapunkt zu dem dort hauptsächlich Gelehrten, das gekrümmt und skulptural, insekten- und maschinenhaft von der akademischen „großen weiten Welt des Diskurses“ erzählt, diesmal ein Kommentar zu einem einfachen „Lagerzubau“ in Innsbruck, von Andreas Flora und Gilbert Sommer.
Eine „Vorbemerkung“ von Hermann Czech sei an den Anfang gestellt: „Architektur war weithin eine Rechtfertigungskunst: Warum haben Sie das so gemacht, Herr Architekt; was haben Sie sich dabei gedacht? Eingeschlossen in diese Frage ist die Vorstellung, dass dem Entwurf eine autonome Entscheidungsreihe zugrunde liegt, auch wo er äußeren Bedingungen, profanen Zwecken folgt. Einerseits nun erscheint die Rechtfertigungsfrage immer weniger angebracht: das ,Warum?‘ wird immer öfter mit ,Warum nicht?‘ beantwortet. Andererseits genießt die architektonische Leistung immer weniger Respekt und wird zu einem Mittel für andere Ziele.“(1)
Die technische Großhandelsfirma Gradischegg musste ihre Lagerkapazität, am Ende ihres Grundstücks, welches in eine Wohngegend hineinragt, geringfügig erweitern. In einem Untergeschoß und zwei Obergeschoßen ab Rampenhöhe sollten Paletten- und Regallagerflächen entstehen. In eine Stahlbetonwanne bis auf Geländeoberkante wird die statische Struktur aus Beton, an welcher auch die Gebäudehülle aus 40 mm starken Polycarbonatplatten befestigt ist, so in unterschiedlichem Abstand hineingestellt, dass im Abstandsbereich Belichtung und Erschließung des Untergeschoßes erfolgen. Die außerhalb des eigentlichen Gebäudes liegende Erschließung ist in Lärchenholz eingehaust. Auf die Wannenoberkante sind baukörperhohe verzinkte Stahlprofile als Rankgerüste für die Bewachsung mit Blauregenglyzinien montiert, wobei hier auf die unterschiedliche Sonneneinstrahlung je nach Himmelsrichtung Rücksicht genommen wurde.
Die aus dem Zweck des Lagerns entwickelte konsequente innere Logik von Konstruktion, billiger lichtdurchlässiger Hülle und klimatisierender Bepflanzung wird durch die Absicht der Architekten ergänzt, für die umgebenden Wohnbebauungen durch die begrünte „Rückseite“ dieses Lagergebäudes eine Lösung zu finden, die das Wohngebiet ohne architekturästhetische Gestaltung bereichern kann, wenngleich das Gebäude ohne Bepflanzung durchaus hohe architektonische Qualität ausstrahlt. Abseits der konkreten Aufgabe zeigt diese spezielle Lösung eine Strategie, wie in emissionsarmen Mischgebieten Fassadenbegrünungen meist gesichtsloser Baukörper diese Gebiete sogar lebenswerter machen, als wenn sie ausschließlich mit mehr oder weniger „schönen“ Wohnbauten bebaut wären.
lagerhalle gradischegg
Kaufmannstraße 25
6020 Innsbruck
Rückseite zugänglich von der Beda-Weber-Gasse
architektur Andreas Flora und Gilbert Sommer
bauzeit März bis August 2008
(1) Hermann Czech: Kann Architektur von der Konsumption her gedacht werden? Aus dem Buch: „Adolf Loos: Unser Zeitgenosse“ Herausgeber: Yehuda E. Safran, © 2012 by Trustees of Columbia University in the City of New York, MAK Wien, CAAA Guimaräes und Autoren, ISBN 978-989-98263-0-4
In diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf „Adolf Loos. Gesammelte Schriften“, herausgegeben von Adolf Opel, Lesethekverlag, ISBN 978-3-99100-015-0
Vielleicht sind die Texte von Loos – ganz vereinfacht gesagt einem Kritiker des Jugendstils und der Wiener Secession – heute wieder aktuell.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 4/13