rainer köberl: montagu bed & beers
Ein Hostel in Innsbruck, entworfen und ausgebaut von drei jungen ArchitektInnenteams
Begonnen hat das Projekt 2016 mit der Bespielung bestehender Räumlichkeiten im Erdgeschoß und im Keller des Hauses Höttingergasse 7 als Bar und Veranstaltungsraum für Ausstellungen, Lesungen, Theateraufführungen, Konzerte und „dionysisch bewegte Partys der Weltmusik“. Es wurden dort auch ausgezeichnete Sandwiches angeboten, daher der Name des Lokals: „John Montagu“. Denn John Montagu war der 4. Earl of Sandwich. Er war ein leidenschaftlicher Kartenspieler, litt oft an Geld- mangel und nahm sich keine Zeit zum Essen, nur hin und wieder gönnte er sich zwischendurch zwei geröstete Weißbrotscheiben mit Rindfleisch.(1)
Schon damals wurde die gesamte Einrichtung von einer Gruppe aus Architekten, Gastronomen, Musikern und WirtschaftswissenschaftlerInnen2 selbst gebaut – und schon damals entstand die Idee, die oberen Stockwerke zu einem Hostel umzubauen. Zu jener Zeit begannen zwei Architekturstudenten aus der Gruppe an ihrer Diplomarbeit „Villa Commonista“ (2) zu arbeiten, die eine Weiterentwicklung des Projektes zum Thema hatte. Nach einem 2018 begonnenen Behördenmarathon, der durchaus auch kompetente Unterstützung durch die Baubehörde hatte, wurde Mitte 2019 mit dem Ausbau der Geschoße begonnen. Da kein Frühstück angeboten werden darf, entstand der unverwechselbare Namen „Montagu Bed & Beers“.
Die ursprüngliche Gruppe (3) entwickelte ein exaktes Raumprogramm, in das die zahlreichen Erfahrungen der weltweit gereisten Beteiligten mit ähnlichen „Ferienunterkünften“ einflossen. Um möglichst unterschiedliche Atmosphären zu erzeugen, wurden vom Kollektiv Montagu noch die zwei befreundeten Teams Krater Fajan und Studio Magic dazu geholt. Stockwerk für Stockwerk wurde selbst ausgebaut. Das dauerte natürlich – und so wurde jedes fertige Stockwerk sofort vermietet und im nächsten begonnen zu tischlern.
Überall auf der Welt gilt Vergleichbares in Hostels: Die geringen finanziellen Mittel der Reisenden senken die Ansprüche an Privatsphäre und machen so ein unkomplizierteres Kennenlernen möglich. Dies war es wohl, was den Mythos von ähnlichen Orten wie Karawansereien, Hospizen und frühen Hotels begründete. Trotzdem möglichst viel Privatheit zu schaffen war und ist die wesentliche Aufgabe – und die unterschiedlichen, sehr liebevollen und alles bedenkenden konzeptionell wie handwerklich gelungenen Lösungen haben mich und meine Mitarbeiter bei einem Besuch beeindruckt.
Etwas japanisch – aber nicht so streng und bis ins letzte optimiert – wurden einzelne, räumlich verschränkte „Schlafkojen“ gebaut, die sich öffnen und schließen lassen, die kleine Nischen oder Kästchen für Gepäck und Wertsachen enthalten und in jedem kleinen oder größeren Raum unterschiedliche Stimmungen erzeugen. In größeren Räumen schaffen die Kojen abseits ihrer eigentlichen Funktion eine „Wohnlandschaft“, die sich so auch für Gruppen von Gästen gut eignet, mittlere Räume sind gut für Pärchen oder Familien und im kleinsten Raum steht ein luxuriöses „Himmelbett“.
Krater Fajan arbeiten mit engen, teilweise verschiebbaren Sperrholzlamellenstrukturen, ergänzt durch Vorhänge und multifunktional eingesetzte Stahl-U-Profile mit eingeklebten LED-Streifen. Diese dienen als Kleiderstangen oder als Aufhängung eines Betts.
Studio Magic setzen Holzbalkenkonstruktionen, Polycarbonatplatten und Birkensperrholz ein. Die Elemente sind verschieb- oder öffenbar. Hier ist das „flutende“ Licht – das Tageslicht und das abendliche Laternenlicht – wichtiger Bestandteil der Atmosphäre und wird durch angenehm farbige, lichtdurchlässige Vorhänge ergänzt. Als Zusatzelement entstehen hier jeweils „Schwellenkästen“ zwischen Vorraum und Schlafbereich. Als komplexe Möbel enthalten sie Sitznischen wie Stauräume und überraschend tiefe „Fenster“ zwischen außen und innen.
Kollektiv Montagu widmete sich dem obersten Stock mit Gemeinschaftsraum, Küche, einer kleinen Dachterrasse und einem großen Schlafraum für sechs Personen. Teilweise notwendige Konstruktionen ließen das Thema Stahl auftauchen – im Gegensatz dazu das weiche und auch kostengünstige Pappelsperrholz. Im Schlafraum Pappelsperrholzkojen, im Aufenthaltsraum die ausgekleidete Dachschräge und, sparsam wie schön, die mit gefärbten Seekieferplatten verwandelte bestehende Küche. Im spartanischen Stiegenhaus gibt es Ausstellungen lokaler KünstlerInnen.
Leider kann man nicht alles wirklich gut beschreiben – am besten, man nächtigt selbst dort. Jedenfalls war das Hostel in der „Vor-Corona“- Zeit immer gut gebucht und die hohe Qualität der Innenausstattung ein auch in sozialen Medien kommunizierter Grund hierfür. Vielleicht kann dieser kurze Text etwas dazu beitragen, dass die Buchungen wieder steigen.
(1) John Montagu (1718 – 1792), 4. Earl of Sandwich, war ein britischer Diplomat und Staatsmann. Er ist heute vor allem durch das nach ihm benannte belegte Brot bekannt, das damals in London sehr in Mode kam. Aber auch eine Inselgruppe im Südatlantik, die Südlichen Sandwichinseln, wurde vom englischen Seefahrer James Cook nach ihm benannt. (s. etwa Wikipedia)
(2) „Villa Commonista“, Diplomarbeit von Günter Drexel und Stephan Limmer bei Ass. Prof. Dipl. Ing. Andreas Flora am Institut für Gestaltung Studio 1 an der Leopold Franzens Universität Innsbruck
Der Satz von Adolf Loos „Der Architekt ist ein Maurer, der Latein gelernt hat“ findet sich als Leitsatz in dieser Arbeit, die von Andreas Flora mit „sehr gut“ beurteilt wurde. Nicht so positiv wurde diese in der Defensio von den Professoren Peter Trummer und Wolfgang Tschapeller beurteilt. Die Frage ist vielleicht, was Adolf Loos dazu gesagt hätte bzw. was er überhaupt zu so manchen Tendenzen auf unseren Universitäten sagen würde.
(3) Die Gründer, Betreiber und Gesellschafter des Lokals sind Simona Einsle (Wirtschafts- und Erziehungswissenschaftlerin), Joris Doorn (Geograph), Joshua Wellinger (Immobilienwirtschaftler und Hotelkaufmann), Günter Drexel (Architekt), Vinzenz Lachermayer (Architekt), Stephan Limmer (Architekt)
kollektiv montagu
Vinzenz Lachermayer
Günter Drexel
Stephan Limmer
krater fajan
Jan Claßen
Jonas Längenfelder
Julius Kreß
Christoph Schwarz
studio magic
Stefania Monici
Maria Barbieri
David Barbieri
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 2/20