rainer köberl: otto mathé „ein glashausturm für autos und ölfässer“
ein "small is beautiful"-beitrag, erschienen in aut: info, nr. 1/2014
Dieses ehemalige Kleinod gehört für mich in die Sammlung „small is beautiful“, sicher hätten viele von uns gern ein Atelier darin eingerichtet. Heuer wäre das Haus 50 Jahre alt – nur leider steht es schon einige Jahre nicht mehr. Wenige haben es gekannt, stand es doch abgelegen in der Neurauthgasse, in einer Gründerzeitzeile hinter dem Innsbrucker Südring. Auf die Frage wer der Architekt war, hatte Otto Mathé Ende der 1980er Jahre Manfred Sandner (1) geantwortet: „Ich habe keinen gebraucht“. Diese Aussage erschließt sich recht stimmig aus Mathés erfindungsreichem Leben und bestätigt sich auch in den Plänen, die keinen Stempel eines Architekten oder Ingenieurs aufweisen.
Der Mechaniker, Rad- und Motorradrennfahrer Otto Mathé verunglückt mit 27 Jahren bei einem Motorradrennen in Graz, wodurch sein rechter Arm gelähmt blieb. Anfänglich war es eine Katastrophe für den jungen begeisterten Sportler, denn selbst die „doppeltgeschnürten“ und schweren Skischuhe waren mit einer Hand nun nicht mehr zu binden. Dieses Handicap führte zu Mathés erster Erfindung – dem Schnallenskischuh, für den er Skibindungsspanner verwendete. Bald jedoch fuhr er wieder Motorradrennen, mit von ihm selbst umgebauten und auf seine Bedürfnisse adaptierten Seitenwagenmaschinen.
Mit einer kleinen Tankstelle in der Heiliggeiststraße (2) machte sich Mathé 1936 selbständig und verkaufte Benzin, Öle und Schmiermittel. Der nun auch äußerst erfolgreiche Autorennfahrer, der einarmig fuhr und mit der linken Hand quer durch das offene Lenkrad schaltete, welches er dabei kurz mit der Brust fixierte, baute in der Benzinrationierungszeit während des Krieges die Vergaser seiner Fahrzeuge so um, dass sie für ein Gemisch aus Wasser, Öl und Benzol – einem Abfallprodukt der Gaswerke – geeignet waren. Außerdem begann er mit der Entwicklung von Treibstoffzusätzen aus wiederaufbereitetem Altöl, wobei er dabei mit Zentrifugen aus der Milchwirtschaft die Metallrückstände aus dem Altöl entfernte. In leicht veränderten Rezepten entstand daraus sein berühmtes „Mathé Universal Öl“, das minimal verändert heute noch international vertrieben und vor allem für Oldtimer verwendet wird. Daneben scheint er schon vor Felix Wankel am Drehkolbenmotor gearbeitet zu haben.
Otto Mathés „Wunderwerk“ stand in der Neurauthgasse in einer 11,5 m breiten Baulücke zwischen Gründerzeithäusern, von wo sich Mathés Grundstück mehrfach verwinkelt, verbreiternd und verengend ca. 80 m tief bis zum Südring erstreckte. Direkt am Südring stand eine alte Villa, in der Otto Mathé wohnte. Dazwischen gab es Werkstätten, große verglaste Räume für alte Rennwägen und vergrabene Öltanks. Im verwunschenen Garten zwischen Bäumen und Sträuchern standen alte Lastwägen und Ölfässer.
An der Engstelle des Grundstücks zur Neurauthgasse entstand 1961 ein dreigeschoßiger „Ausstellungsbau“ mit großen Schaufensteröffnungen, betoniert und fein verputzt. Das Erdgeschoßschaufenster versehen mit einem Vordach, das 2. Obergeschoß im Gegensatz zu den darunterliegenden nicht mit großer Scheibe, sondern ca. 1,3 m breiter Fensterteilung. 1963 entsteht darauf ein dreigeschoßiger „Lageraufbau“. In den Plänen, die den Aufbau in Beton zeigen, vermerkt die Behörde: „Der Aufbau des 3., 4. und 5. Stockes erfolgte in Stahlkonstruktion mit Holzbalkendecken und wurde von Mathé mit eigenen Leuten (ohne Fachmann) errichtet“. Ausgestellt waren ursprünglich Mathés Rennwägen, Motorräder und ein paar Trophäen und oben hinter Einfachverglasung, die die 1,3 m Fensterteilung des 2. Obergeschoßes übernahm, drei Stockwerke voll „Mathé Universal“-Ölfässer.
Das Bauwerk lebte von seiner Grundproportion (Grundfläche 4,6 m x 9,8 m, Höhe 15 m bzw. 18 m), seinen scheinbar zufälligen Proportionsfeinheiten und Details, wie dem „Leichterwerden“ nach oben, der unterschiedlichen Konstruktionsart des unteren und oberen Teils des Gebäudes, welche aus der unterschiedlichen Nutzung entwickelt wurde. Alles im Bauwerk entsprach dem präzisen, praktischen und erfindungsreichen Geist seines Erbauers.
Eigentlich hätte es unter Denkmalschutz gestellt werden müssen. Nichts steht nun in dieser Lücke, und es wird wohl auch nichts entstehen, denn so was Kleines „rentiert“ sich ja in unserer Zeit nicht, wiewohl solche „Akupunkturpunkte“ gut täten.
(1) Architekt in Innsbruck
(2) In der Heiliggeiststraße 3 befindet sich heute noch das Geschäft „Otto Mathé“ – übrigens ein selten klassisches Geschäftsportal in Innsbruck, ebenfalls sehenswert! –, in dem sich einmal die Woche alte Freunde von Otto Mathé treffen.
otto mathé (1907 – 1995)
Sein „Rennfahrerleben“ ist nachzulesen im Buch „Sein Herz schlug für Porsche“ von Gabriele Geutebrück und Johann Kofler, erschienen 2004 im Berenkamp Verlag, erhältlich über die Firma Mathy Universal, die seit 1992 Mathé-Motoröl vertreibt.
ISBN 3-85093-134X
www.mathy.de
Dank an Hansjörg Griesser, der im Stadtmagistrat Innsbruck noch vorhandenes Planmaterial sowie die Bauwerksanalyse der Studenten S. Bonifas und M. Lorsbach recherchiert hat.
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 1/14