rainer köberl: sauna im garten
Ein fast japanischer "Schwarzbau" im Innsbrucker Saggen von Sommer & Flamm
Für meine Generation waren Garagen, Carports oder Wintergärten die ersten Bauaufgaben. In letzter Zeit taucht jedoch öfters das Thema der Gartensauna auf. Das hier vorgestellte Objekt scheint trotz präziser Verortung eine Lösung zu sein, die jedermann einfach bei Sommer & Flamm bestellen könnte. Denn statt beim Aussuchen einer „Online-Sauna“ zu helfen, war Gilbert Sommer sofort begeistert, sich dieser Aufgabe für ein Ehepaar mit vier Kindern zu widmen und begann zusammen mit Volker Flamm und Conrad Brinkmeier bei einigen Mittagessen beim „Kurden“ in der Markthalle in Innsbruck, Konstruktionsmöglichkeiten zu umkreisen, die bereits bei einigen Projekten im Zuge der großen Migrationsbewegung 2015 an vorgefertigten, temporär einsetzbaren und schnell aufbaubaren Systemen für verschiedene Gebäudestrukturen durchgedacht wurden.
Wesentlicher Ansatz war jedoch zuerst die Konfiguration des Innenraums. Als leidenschaftliche Saunageher begannen sie die Arbeit am Grundriss mit der Fragestellung, wie denn zwei Saunierende eigentlich zueinander liegen sollten. Nicht parallel, sondern leicht voneinander abgewandt und doch zueinander orientiert, jeder mit seinem kleinen runden Fenster mit gezieltem Ausblick, einmal direkt zu den weißen Architekturen auf der Nordkette – zu Seegrube und Hafelekar –, und einmal an und über nachbarschaftlichen Gebäuden vorbei einfach in den Himmel. Jedenfalls nicht parallel oder rechtwinkelig zueinander angeordnet oder gar mit Panoramascheibe wie bei üblichen Saunen.
Weiters war der elektrische Saunaofen, welcher hohe Temperatur oder niedere Temperatur mit erhöhter Feuchtigkeit zu erzeugen vermag, Grundriss bestimmend. Unter der Liegeebene verschränkt sich, wiederum nicht parallel, die Ebene für die Fußrast bzw. Kindersitzebene und lässt so weitere differenzierte, den Raum „abrundende“ Orte in dieser Holzkapsel entstehen. Die Hülle wurde um diese im Raum versetzten Liegeflächen entwickelt, indem tote Zwickel weitgehend vermieden und die Wände für ein entspanntes Sitzen geneigt wurden. Der Ansatz, eine minimale Kubatur zu schaffen, und das Abrinnen des Regenwassers waren weitere formgebende Kriterien, die in zahlreichen Arbeitsmodellen und 3D-Zeichnungen überprüft wurden und schließlich in einen Plan mündeten, der direkt von CNC-Maschinen übernommen, zur präzisen Fertigung der 6 cm starken Brettsperrholzplatten führte.(1) Diese mussten dann vor Ort nur mehr zusammengesteckt und verschraubt werden, wobei die eingeschobenen, aussteifenden Ebenen von außen geschraubt sind. Sie halten ca. 3 cm Abstand zur Hülle, um überall im Raum eine gute Durchlüftung zu gewährleisten, wobei zwei, einfach mit je einem kleinen Ball verschließbare Lüftungslöcher das „haustechnische“ System ergänzen.
Der in sich steife Holzpolyeder lagert auf vier Gewindestangen mit Kopf- und Fußplatte und Langmuttern, um im Fall des Nachgebens der Fundamente – vier mit Split aufgefüllte Vertiefungen im Rasen –, eine Nachjustierung möglich zu machen. Die Außenhaut besteht aus zweilagig aufgeflämmten Bitumenbahnen (anthrazitgrau mit glänzender Hochofenschlacke), deren präzis und geplant erscheinende Verlegung vor Ort entschieden wurde, wobei diese in den überhängenden Wandbereichen in den Stößen versteckt mechanisch befestigt wurden. Ebenso vor Ort wurde die feine umhüllende Zeichnung der 8 mm Rundstahlrankhilfen (2) Schritt für Schritt beim Entstehen des Werkes entschieden. Und dann noch das Licht. Natürlich eine Kerze – was sonst? Doch heute – unbedingt das fernbedienbare LED-Band, das alle Farben spielt! Es dauerte jedoch nur kurze Zeit, bis Baufrau und Bauherr dem Reiz der Kerze erlagen und ohne LED-Band saunierten.
(1) Firma Binderholz, Werk St. Georgen bei Salzburg
(2) Ähnlich wie schon beim Lagerzubau Gradischegg (besprochen im „small is beautiful“, aut: info 4/2013), hier jedoch mit dem Zweck, eine neue Staude im Garten zu pflanzen, die Rosen, Kiwis und Weintrauben trägt.
sauna im garten
Architektur: Gilbert Sommer, Volker Flamm
Tragwerksplanung: Conrad Brinkmeier
Entwurf: Winter 2015/2016
Baubeginn: Frühjahr 2016
Fertigstellung: Herbst 2017
gilbert sommer
geb. 1967; 1988 – 91 Studium Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Univ. f. Bodenkultur Wien; 1991 – 98 Architekturstudium in Innsbruck; 2000 – 11 Architekturbüro sapinski salon mit Andreas Flora; seit 2011 Architekturbüro sommerarchitektur; Projekte u. a. 2000 Revitalisierung Lagerhaus T. Mölk, Innsbruck; 2004 Hypoxi-Center Kufstein; 2008 Bürogebäude ASA-Prodata, Kaltern (I); 2008 Lagerhaus Gradischegg, Innsbruck
volker flamm
geb. 1968 in München; 1989 – 90 Studium der Technischen Physik; 1990 – 97 Architekturstudium in München und London; seit 2000 Ohnmacht Flamm Architekten mit Wolfgang Ohnmacht; Projekte u. a. 2006 Hypo Tirol Bank Kundenzentrale Triumphpforte; 2009 Haus Kiechl, Zirl; 2012 Sky Lounges, Flughafen Wien; 2015 Stadthaus M11, Innsbruck
gemeinsame projekte
2001 Überdachung Tiroler Volksschauspiele, Telfs; 2016 Homebase, Modulare Mikrowohnungen; 2017 Wettbewerb Modularer Kindergarten Innsbruck (2. Preis)
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 2/19
(Der Text enthält zahlreiche Textbausteine, die direkt aus dem Bericht Gilbert Sommers entnommen wurden.)