rainer köberl: ungehobelte holzlatten und asiatische keramikgeometrien
Ein Ausstellungsgestaltung von Tadashi Kawamata in 2 Phasen
Tadashi Kawamata erzählt, er habe zwar Malerei studiert, aber sie sei ihm immer fremd geblieben. Als er wieder einmal völlig unbefriedigt vor einer leeren Leinwand stand, habe er diese einfach abgespannt. Bald darauf entstanden seine ersten Installationen: In leeren Räumen verteilte er eine große Anzahl alter Spannrahmen in unterschiedlichen Größen. Seit damals zieht sich ungehobeltes Holz, auf einfachste Weise zu Strukturen verbunden, durch all seine Arbeiten.
So entdeckte ihn Johannes Wieninger und beauftragte ihn 2013, die Schausammlung Asien im MAK neu zu gestalten. Hauptsächlich sollten schöne Tongefäße, einige Figuren und Bilder in einem 6,5 x 22 m großen und 5 m hohen Raum präsentiert werden, der an der Längsseite durch fünf große Fenster belichtet wird, wobei vor allem die wertvollen Vasen und Schalen durch Glas geschützt werden mussten.
Zwei lange, schlangenförmige, 1,20 m breite und 3 m hohe „Vitrinengebäude“, grob parallel in den Raum gestellt, lassen eine Mittelgasse und zwei Wege an den freien Raumseiten für die Besucher*innen entstehen. Konstruiert oder eher „gebastelt“ sind die Vitrinen in grob quadratischen Feldern aus verschieden starken, mit Glashalte-leisten zusammengesetzten Fichtenstehern, die teilweise über das Volumen hinausragen und so keine strenge Oberkante entstehen lassen. Die Decken der Vitrinen bestehen aus schwarzen Platten, auf die längsgerichtet, ganz unkonstruktiv, scheinbar kreuz und quer verschieden lange Bretter montiert wurden, wodurch der Vitrinenraum auch oben fast „schlampig“ wirkt und mit Punktleuchten zwischen den Brettern abschließt.
Das war die erste Phase der Ausstellungsgestaltung, die man heute nur mehr erahnen und anhand von Planskizzen nachvollziehen kann. Es war vielleicht auch jene Lösung, die man aufgrund der Kenntnis des Werks von Kawamata gut nachvollziehen kann – eben zwei zusammengezimmerte „Kawamata-Latten-Vitrinen-Schlangen“ in einem Raum, bestückt mit den dazu gegensätzlichen geometrischen, rundlichen Tongefäßen.
Heute erlebt man die umgebaute Variante des ersten Konzepts, die schon zwei Jahre nach Eröffnung erfolgte. Diese Variante ist eigentlich kaum als erster Akt vorstellbar, aber umso spannender, denn vereinfacht gesagt wurden anstelle der ehemaligen „Vitrinengebäude“ zwei Wege angelegt und die ursprünglichen Wege mit Vitrinen bestückt, d. h. zu gesicherten Zonen gemacht. Der Raum wird verdichtet, es gibt nichts Eindeutiges mehr, die Klarheit löst sich auf. Ursprünglich gab es drei Wege, der mittlere mit Vitrinen links und rechts. Durch den einen Weg weniger entstand somit eine gesicherte Zone mehr, wobei nur eine als Vitrine lesbar ist, die anderen entstehen aus dem Zwischenraum zur Wand hin. Die Beleuchtungsdecken sind jetzt den Wegen zugeordnet und nicht mehr den Vitrinen. Der Zwischenraum zu den Raumwänden ist recht lapidar „abgesperrt“, ohne aus dem Vitrinenkonstruktionssystem entwickelt zu sein. Selbst die ursprünglich zwischen den Holzstehern sauber gehängten großen Glastablare werden nun von extra angefertigten einfachen Ton-vasen getragen – darauf „tanzen“ die alten asiatischen Schönheiten zwischen den Holzlatten.
Die gesamte Beschriftung ist handgeschrieben, hie und da graue, breite Pinselstriche auf den Raumwänden oder ein paar weiße auf den Holzstehern. Größere Statuen stehen auf Paletten, und in kleinen Höhlen, die einfach aus den Wänden geschlagen wurden, sind kleine dunkle Figuren positioniert, die vom Rot der Ziegel umgeben recht geheimnisvoll, ruhig und schwer die lichte Ausstellung kontrastieren.
schausammlung asien im mak
2013 Neugestaltung, 2016 Umbau
Kurator: Johannes Wieninger
Gestaltender Künstler: Tadashi Kawamata
>> www.mak.at
Seit seiner Gründung setzt das MAK einen musealen Schwerpunkt auf asiatisches Kunstgewerbe, da die europäische Materialgeschichte nicht ohne Bezüge zur asiatischen Kunst dargestellt werden kann. Den Schwerpunkt der Sammlung bilden vor allem Objekte aus China, Japan und Korea. Mit der Neugestaltung der Schausammlung Asien im Jahr 2013 in einem kleineren Raum des MAK beauftragte der damalige Sammlungskurator Johannes Wieninger den japanischen Künstler Tadashi Kawamata. Die Ausstellung sollte ursprünglich nur fünf Jahre bestehen, steht aber immer noch.
Tadashi Kawamata gilt seit seiner Teilnahme an der Biennale di Venezia 1982 – wo er bereits lange vor der Eröffnung in den Giardini arbeitend den ebenfalls dort tätigen Walter Pichler kennenlernte – als einer der wichtigsten Künstler, der eine „Brücke“ zwischen Ost und West schlägt. (aus dem MAK Führer „Asien“)
>> www.tadashikawamata.com
Herzlichen Dank an Johannes Wieninger für diverse Unterlagen, Informationen und die Rechtefreigaben sowie an Brigitte Felderer, die mich in diese Ausstellung führte.
>> www.wieninger.com
weiterführende informationen
MAK – Austrian Museum of Applied Arts
Permanent Collection ASIA
CHINA – JAPAN – KOREA
ARTISTIC INTERVENTION: TADASHI KAWAMATA
>> Broschüre (pdf-file)
It seems quite natural to me that something never finished
Conversation between Tadashi Kawamata and Johannes Wieninger
>> Gespräch 2013 (pdf-file)
literaturtipp
Günter Nitschke: MA – The Japanese Sense of Place
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 2/24