Eine Auswahl an Fotos, die den Entstehungsprozess der Überdachung der Tiefgaragenabfahrt bei Schloss Gandegg in Überetsch dokumentieren.
rainer köberl: überdachung einer tiefgaragenabfahrt bei schloss gandegg in überetsch
Hin und wieder, beziehungsweise schon seit langem, kommt es vor, dass eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter mich vor ihrer ersten Fahrt nach Wien fragt, was sie/er denn unbedingt anschauen sollte. Ich nenne dann die Loos Bar, das Kleine Café, die einander sich zuneigenden Türme von Hans Hollein und Jean Nouvel mit der leuchtenden Decke von Pipilotti Rist, den Stephansdom und dahinter die geglückte Einfügung der Tiefgaragenabfahrt von Karl Schwanzer. Seit diesem Sommer werde ich wohl in Südtirol den Weg zu einer Tiefgaragenabfahrt weisen. In diesem Fall zwar etwas abgelegen, nach vielen engen Gassen in Überetsch, im Zufahrtsbereich zum Schloss Gandegg.1
Dort, im leicht ansteigenden und im Wald endenden Vorbereich zwischen einem Nebengebäude des Schlosses und der dem dichten Laubwald zugewandten Seite, liegt die nach unten führende, leicht gekrümmte Tiefgaragenabfahrt, die durch verschieden hohe Porphyr-Mauern begleitet wird. Nachdem sich herausstellte, dass vor allem das fallende Laub eine Überdachung nötig macht, beauftragte Hans Oberrauch den Künstler und Schlossermeister Franz Messner damit, eine Lösung zu entwickeln. Franz Messner – „ein wirklicher Meister“2 – ließ seinem Sohn David, der damals kurz vor Ende des Studiums in seiner Werkstatt arbeitete, recht freie Hand, diesen Auftrag zu bearbeiten.
Zuerst diente ein 1:50 Modell dazu sich einer Lösung anzunähern. Recht schnell war man bei einzelnen, ca. 140 cm breiten und ca. 550 cm langen „Schuppen“ gelandet, die sich über die Abfahrt spannen sollten. Abgeknickt liegen diese auf zwei Punkten auf, recht dicht auf der einen Mauer und ganz luftig auf einer Stütze auf der anderen Mauer. Leicht überlappend lassen sie Licht zwischen den „Schuppen“ nach unten fallen. Durch die geringe Neigung und eine 3 cm hohe Aufkantung der Längsseiten wird das Regenwasser abgeleitet. Mit Hilfe eines 1:10 Modells wurden danach die verschiedensten Maße und Winkel der einzelnen Stahlblechschuppen ermittelt. Der jeweils zuerst auf die Mauern gesetzte leiterartige Winkelrost, auf den erst nach „Einrichtung“ das ca. 3 mm Stahlblech punktgeschweißt wurde, ist mit klug geplanten und ausgeführten, beweglichen Details zur Feinjustierung versehen, die den „Schlosser-Künstler“ spüren lassen.
Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr sehe ich – auch jetzt mit Abstand – diese Arbeit als ein großes kunstvolles Ensemble, wenngleich das Hauptwerk, diese zart rostige und luftige Schuppenüberdachung über der gekrümmten Tiefgaragenabfahrt, die Aufmerksamkeit sogleich auf sich und seine Detaillierung zieht. Auf Fotos, die den Entstehungsprozess dieses Werkes dokumentieren3, sieht man zuerst nur diese Abfahrtsmauern – eigentlich störend und unpassend. Dann entsteht das Schuppendach und alles bekommt eine nicht vorausahnbare Stimmigkeit. Bei den Montagearbeiten wurde von Franz Messner, noch ganz nebenbei, ein Abweisstein in einen Schutzgeist – einen Frosch – verwandelt und später noch ein „schlauer Fuchs“ mit kräftiger Rute gegossen und auf eine der in die Tiefe führenden Mauern gesetzt. Wie eine Abrundung dieses Ensembles ist eine leicht geneigte Plastik4, die Schwere und Leichtigkeit, Lineares und Rundes verbindet, lapidar in den räumlichen Krümmungsmittelpunkt der Abfahrt gestellt. Wenn sich im Spätherbst dann noch das gefallene Laub auf die Schuppen legt, dann ...!
1 Schloss Gandegg, wo auch Kunstausstellungen stattfinden, befindet sich im Besitz der Familie Oberrauch. In den ehemaligen Stallungen des Ringmauertrakts hat Architekt Martin Feiersinger vor kurzem eine Bibliothek und einen Veranstaltungsort eingerichtet.
>> www.martinfeiersinger.at
Nach einer Exkursion des aut zum Firmensitz von Finstral landeten wir nach einem unvergleichlichen Essen im heißen Sommer unter einem hohen Schattendach mit Blick auf kirchliche Achtecksäulen und nach einigen Weißweingläsern bei Walter Pichlers Haus im Eggental schließlich im Schloss Grandegg, wo der Tag an einer weißgedeckten Tafel unter mächtigen Bäumen zusammen mit der Familie Oberrauch zu Ende ging.
2 Zitat David Messner
3 Fotos, die den Entstehungsprozess dokumentieren s. Fotoalbum
4 Ulrich Egger, geb.1959 Künstler in Meran
überdachung abfahrt
Schloss Gandegg, Pigenoer-Weg, Eppan, Südtirol
architektur Franz Messner, David Messner, Verena Messner
bauherr Hans Oberrauch, Gründer der Firma Finstral und Kunstsammler
ausführung Franz Messner
planung 2004
fertigstellung 2005
franz messner (1952 – 2017)
geb. am Ritten; Schlosserlehre in Bozen; 1972 – 76 Aufenthalt und Weiterbildung in Deutschland mit Abschluss der Meisterschule für Metallgestaltung in München; arbeitete als Künstler am Ritten; sein bekanntestes Werk ist die acht Meter große Kugel aus poliertem Edelstahl in Frangart über Bozen
david messner geb. 1981 in Bozen; Architekturstudium in Innsbruck; 2010 – 11 Ausbildung zum Schlossergesellen; Lehrauftrag an der Architekturfakultät der Universität Innsbruck
verena messner geb. 1985 in Bozen; Architekturstudium in Innsbruck; Mitglied des Vorstandes des Südtiroler Künstlerbundes
seit 2013 „Messner Architects“ mit Sitz am Rittner Hochplateau
>> www.messnerarchitects.com
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 1/23