rainer köberl: das umspannwerk in pest
Ein hohes, schmales Ziegelprisma von Ernő Léstyán
Eine Vortragseinladung nach Budapest war ein guter Grund für einen Kurzbesuch in dieser Stadt, der mir durch eine ortskundige Begleitung aufgrund ihres Wissens bereichert wurde. Das neue Haus der Ungarischen Musik von Sou Fujimoto im „Stadtwäldchen“ hätte ich wahrscheinlich gefunden, das 1965 – 69 errichtete Umspannwerk von Ernő Léstyán1 im vii. Budapester Bezirk, auch „Erzsébetváros“ (deutsch: Elisabethstadt) genannt, entdeckt man vielleicht zufällig oder eben durch eine gute Begleitung.
„Den Bezirk, in dem dieser Monolith steht, habe ich in meiner einmonatigen Residency in Budapest als Mischung aus dem 2. und 7. Bezirk in Wien empfunden. Viel jüdische Geschichte, aber auch junge Hipster, die in den dort zahlreichen und in Budapest sehr beliebten Vintage-Läden shoppen gehen. Daneben gibt es kleine Designläden und wenige internationale Ketten. Essen war immer geprägt von den Dingen, die man auf den kleinen lokalen Märkten erhält, meist ungarische Paprika, Kraut oder köstliche Salzgurkerl im Plastiksackerl mit Saft, oder auch levantinische oder Fusionküche. Was sich hier interessant mischt, tritt in Wien im 7. und im 2. Bezirk getrennt voneinander auf. Was hier aber anders und in Wien gar nicht vorhanden ist, sind die „brutalistischen“ Bauten (Gebäude aus dem Kommunismus) dazwischen.“2
Durch den Abbruch von gründerzeitlichen Mietshäusern sind in diesem Bezirk einige Lücken entstanden, so auch hinter dem Jüdischen Museum an der Kreuzung Dob- und Rumbach-Straße. In etwa mittig, auf einer von Wänden der Nachbarhäuser gebildeten quadratischen Eckparzelle, steht – von einer Feuermauer bis zum gegenüberliegenden Straßenrand gespannt – dieses schmale, hochaufragende Prisma in Ziegeln3 mit jeweils einem großen, zweigeschoßigen Fensterband an den Längsseiten. Einmal ein Geschoß über dem Boden, einmal ein Geschoß unter der Attika. In Summe ein Wunder der Proportionen und ein Zusammenspiel der schwarzen Stahlfensterrahmen in einem Ziegelkleid. Die geringe Tiefe des Baukörpers lässt auch die weiße Struktur aus dem Innenraum bei gewissen Lichtverhältnissen herausleuchten.
Das Innenleben teilt sich in sechs Geschoße, die technisch notwendig waren, um Transformatoren, Schaltanlagen, Kabelverteilerräume etc. übereinander zu ordnen. Die Grundrissstruktur dieses ziegelverkleideten Betonfertigteilbaus besteht aus acht, durch Betonsäulen gebildete Felder, wobei das Endfeld eine großzügige Treppe aufnimmt. Falls die elektrotechnische Infrastruktur im Inneren irgendwann den Anforderungen nicht mehr genügen sollte, könnte ähnlich unserem Adambräu ein spannendes Ausstellungshaus entstehen.4
Viel Aufmerksamkeit hat dieser Bau nie auf sich gelenkt, vielleicht auch deshalb, weil sein Architekt nicht Teil der Szene war. Er war ein Spezialist, der seine ganze berufliche Laufbahn für ERŐTERV, das staatliche Planungsbüro für Anlagen und Gebäude der Elektrizität, gearbeitet hat.5
1 Ernő Léstyán (1925 – 1994); geb. in Oradea, Rumänien; 1943 – 52 Studium an der tu Budapest
2 Sabine Jelinek; geb.1969 in Wien; Künstlerin in Wien, www.sabinejelinek.at
3 Maße: ca. 6 m breit, 21 m hoch, 38 m lang
4 Bereits 2015 hat SANAA den Wettbewerb des – auch im „Stadtwäldchen“ gelegenen – Museum Ludwig in Budapest gewonnen. Der Bau wurde jedoch noch nicht begonnen.
5 Es gibt in Budapest noch zwei weitere Umspannwerke von Ernő Léstyán. Eines ziemlich versteckt am Csarnok Platz und ein weiteres an der Ecke Kantona József und Kresz Géza.
quellen
András Ferkai; geb.1953; Herausgeber und Autor zahlreicher Bücher über Architekt*innen und die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts in Osteuropa.
Weitere Informationen findet man online mit den Suchbegriffen „transzformátor budapest“ oder „sob utcai transzformátor“.
Herzlichen Dank an Sabine Jelinek, Lukas Schaller und Horvath Bence für ihre Informationen
Text: Rainer Köberl, aus aut: info 2/23