Mit scharfer Kritik und Unverständnis reagieren Architekten und Experten für Baukultur auf die vom Innenministerium verbreiteten Renderings für das strittige Asyl-Erstaufnahmezentrum in Eberau.
Den in diesem Zusammenhang von der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten formulierten Offenen Brief an die zuständige Innenministerin Maria Fekter machen wir Ihnen hier gerne zugänglich:
Asylerstbetreuungszentrum EBERAU – OFFENER BRIEF
Sehr geehrte Frau Bundesminister!
Das Projekt Eberau ist tot.
Frau Bundesminister, ergreifen Sie die Gelegenheit und leiten Sie ein Vergabeverfahren über Planungsleistungen zu einem neuen Asylerstbetreuungszentrum ein, das diesem Lande, uns ÖsterreicherInnen und unserer Verantwortung gegenüber Menschen, die aus welchen Gründen immer Asyl bei uns suchen, würdig ist. Asyl ist ein Menschenrecht, und Menschenrechte sind unteilbar! Sorgfalt, Transparenz und umfassender Qualitätsanspruch sind bei einer solchen Bauaufgabe nicht nur so wesentlich wie bei jeder anderen öffentlichen, sondern noch viel mehr.
Wir erlauben uns aufgrund der Erfahrungen mit dem Projekt Eberau einige Hinweise
und Anregungen zu geben.
Zur Raumplanung
Zuerst ist der geeignete Standort zu finden oder besser: Die Frage der angemessenen Größenverhältnisse ist sorgfältig zu klären. Kann eine Verteilung der Asylwerber auf kleinere Einheiten deren Lebensqualität steigern und deren Akzeptanz bei den BürgerInnen verbessern? Wie kann diese überall ortsuntypische Nutzung am besten in Siedlungsstruktur und Landschaft, aber auch in die mentalen Landkarten der BürgerInnen eingegliedert werden? Ist der Standort geeignet in Bezug auf die notwendige Infrastruktur, die Beratung in rechtlicher, psychologischer und ärztlicher Hinsicht? Genau diese Fragen konnte das Projekt Eberau nicht befriedigend beantworten.
Zur Projektentwicklung
Eine Realisierungsplanung für ein öffentliches Bauwerk verletzt dann die Grundsätze und Mindeststandards der Hochbauplanung, wenn:
- das Pflichtenheft für die Planung weder die Bedürfnisse der Nutzer noch der Betroffenen eines Bauwerks berücksichtigt;
- die Planung nicht schrittweise detaillierend von Vorentwurf über Entwurf zur behördlichen Einreichung entsteht. Eine solche Planungsabfolge ist unumgänglich zur Schärfung der Projektidee, zur qualitativen Kontrolle und zur Wahrung ökonomischer Aspekte. Das Weglassen einzelner Schritte ist „Pfusch“ – und daher nicht nur ökonomisch unvertretbar.
- das Bauverfahren zur Durchsetzung eines ungeeigneten Standorts und einer verfehlten Gestaltung missbraucht wird;
- das Vergabeverfahren für die Planungsleistung nicht auf die fortlaufend detaillierenden Planungsschritte zielt, sondern nur zur Exekution eines von vornherein feststehenden, genehmigungstaktisch optimierten Planungsvorschlags benutzt wird.
Genau diese Defizite trafen leider auf das genehmigte Projekt für das AEZ Eberau zu.
Zum Bauverfahren
Genehmigungs- und Bauverfahren sind nicht als Hindernisse auf dem Weg zur Realisierung konzipiert, sondern dienen im Grunde dem Ausgleich der Interessen am Standort, insofern bei inhaltlich korrekter, positiver Erledigung auch höhere Akzeptanz bei den Projektbeteiligten und –betroffenen entsteht. Jedweder Schritt der Umgehung oder Verschleierung belastet ein Projekt. Gerade bei einer sensiblen Bauaufgabe ist Verfahrenstreue und Genauigkeit oberste Pflicht. Dazu gehört selbstverständlich auch die klare Deklaration der öffentlichen Bauherrschaft und der tatsächlichen Nutzung, nicht ein Versteckspiel hinter einer Privatperson, die im Fall Eberau noch dazu der (für solche Planungen nicht befugte) Planer war.
Zur Vergabe
Die oberflächliche Markterkundung Ihres Ministeriums, bei der rasch via Google nach passenden PlanerInnen gesucht wurde und aus der Anfragen bei etwa zehn PlanerInnen resultierten, kann – und darf nicht – wiederholt werden. Nur ein Architekt (höchstes Lob an die nicht leistungswilligen KollegInnen) erklärte sich zur Mitwirkung an dem aberwitzigen Unterfangen bereit, eine Planungsleistung binnen 3 Wochen zu erbringen, die seriöser weise etwa 6 Monate in Anspruch nehmen würde. Und der eine „Architekt“ war schließlich gar keiner – wie das Ministerium in der Folge nicht selbst herausgefunden hat.
Das darf nicht noch einmal vorkommen. Das Bundesvergabegesetz (BVergG) schreibt bei einem Projekt dieser Größenordnung sogar eine EU-weite Bekanntmachung bei der Ausschreibung der Planungsleistung vor. Das BVergG lässt eine Stückelung des Planungsauftrags nicht zu, um unter den EUSchwellenwert zu kommen. Das in Eberau geübte Auftragssplitting ging offensichtlich davon aus, dass der Vorentwurf aufgrund des bewährten Raumprogramms des Bundesministeriums sowie der bewährten Baustilkunde des Bürgermeisters („burgenländischer Baustil“) nicht notwendig und der Rest daher auch „wenig aufwändig“ zu erledigen wäre.
Dass zudem angedacht war, das genehmigte Obstrukt mitsamt der Liegenschaft der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zur Realisierung „aufs Auge zu drücken“, wäre angesichts des Anspruchs und der jahrelangen, kontinuierlich qualitätsvollen Projektentwicklungsarbeit der BIG für diese wohl eine Zumutung der besonderen Art gewesen.
Wir hoffen daher, dass Sie, Frau Bundesminister, beim nächsten Mal die BIG von Anfang an in Ihr Projekt einbinden werden, um sich der dort gegebenen Kompetenz in Sachen Projektentwicklung, Vergabe und Umsetzung zu bedienen.
Zur Architektur
Die Gestaltung des Projekts in Eberau, davon gehen wir zumindest aus, war so nicht gewollt, sondern ist nur Resultat unfähiger Planer, die zudem einem Geist verpflichtet zu sein scheinen, der nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in der Öffentlichkeit längst überwunden ist: Eberau drohte eine dumpf-dreiste Anlage, der nur noch jene Beschilderung fehlt, welche vor kurzem nicht weit von hier gestohlen wurde. Hoffentlich kein gewollter Zynismus, sondern ein Dokument von Unfähigkeit.
In Österreich leben und arbeiten eine Vielzahl hervorragender ArchitektInnen, die sich diesem schwierigen und komplexen Thema mit Engagement nähern wollen und können, um jenen Menschen, die bei uns Schutz und Asyl suchen, eine erste Behausung zu ermöglichen. Architektur kann dazu beitragen, die Würde der AsylantInnen zu respektieren, die Bewältigung ihrer oft schrecklichen persönlichen Geschichte zu erleichtern. Nicht zuletzt würde Architektur beweisen, dass Österreich ein humanes Land ist, das eine kultivierte Haltung auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen zeigt.
Frau Bundesminister, wir sind guten Mutes, dass Sie sich als verantwortliche Politikerin in diesem Sinn für eine baukulturell gesamthaft verantwortliche Vorgangsweise stark machen werden!
Hochachtungsvoll
Arch. DI Georg Pendl
Präsident
Arch. Mag. Walter Stelzhammer
Bundesvorsitzender der Architekten