heimkehren puffern überleben verstetigen
eröffnungErgänzung der Reihe aut.raumproduktion mit der Ausstellung "Manuel Herz: Flüchtlingslager – Idealstädte in Staub und Schmutz"
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ausstellung[verstetigen] – etwas Temporäres, Vorübergehendes festhalten, eine eigentlich nur kurzfristig gedachte Maßnahme dauerhaft machen, frisch entstandene Verhältnisse festigen, neue Entwicklungen konsolidieren, ungewisse und weiche Strukturen stabilisieren. Menschen auf der Flucht schlagen, wenn sie lange nicht zurückkehren können, an neuen Orten Wurzeln. In fremden Ländern und Städten passen sie sich an die lokalen Gegebenheiten an und bringen gleichzeitig ihre Kultur ein. Die Gemeinschaften entwickeln sich fort und stellen die Basis für die nächste Erweiterung dar, sofern sie auf fruchtbaren Boden gefallen sind, auf eine offene Gesellschaft treffen. Oft finden Flüchtlinge aber abweisende oder gar feindliche Bedingungen vor. Wenn die neue Gemeinschaft also auf ödem Sand gebaut wird, bedeutet ein Verstetigen das Konservieren von Unmenschlichkeit. Solche Orte der Exklusion, Ghettos, Lager, soziale Brennpunkte, abgehängte Regionen müssen verflüssigt werden, anstatt sie in ihrer Hoffnungslosigkeit erstarren zu lassen.
Manuel Herz: Flüchtlingslager – Idealstädte in Staub und Schmutz
Flüchtlingslager sind für den Architekten Manuel Herz die vermutlich direkteste Umsetzung von Politik in Raum. Ausgehend von konkreten Situationen in West- und Zentralafrika setzt er sich mit den Auswirkungen einer bedenklichen Planungsstrategie auseinander. Herz hinterfragt dabei die Rolle des Architekten und Planers in einem Kontext von humanitärer Hilfe in Reaktion auf kriegerische Auseinandersetzungen. So werden beispielsweise die derzeit rund tausend, weltweit existierenden Flüchtlingslager in den meisten Fällen nach ein und demselben Modell der UNHCR gebaut.
Beginnend beim Zelt als zentralem Element in der Ordnungsstruktur und Systematik werden die Lager hierarchisch in Cluster, Blöcken und Sektoren organisiert, durch Wege unterteilt und durch Straßen erschlossen. Dieser auf rein technischer Ebene abgehandelte Planungsansatz ignoriert die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Lokale Gegebenheiten und soziale Auswirkungen werden negiert, etwa wenn für Lager im Süden des Tschad bewaldete Flächen mitten in Naturschutzgebieten als Standort zugewiesen werden oder gigantische „Suburbias“ ohne jede städtische Struktur entstehen. Welche Auswirkungen haben Planungsstrategien, wenn sich ursprünglich temporär geplante Flüchtlingslager nach 35 Jahren zu den größten urbanen Siedlungen der gesamten Sahara entwickeln? In wie weit eignen sich gerade die technischen Planungsmodelle für eine politische Instrumentalisierung?
Auf Basis seiner Recherchen und mittels ausgewählter Dokumente verdeutlicht Manuel Herz in der im aut gezeigten Ausstellung die Architektur der Flüchtlingslager als Beispiel einer auf europäischen Normen basierenden, fortgesetzten, verstetigten, kolonialen Praxis. „Mit einem einzigen Modell in allen Krisengebieten operieren zu wollen, spiegelt in fast entblößender Weise die Mechanismen und Muster der Kolonialisierungsprozesse des 19. Jahrhunderts wieder, die Werte der Aufklärung in das „wilde Afrika“ oder den Orient bringen sollten. Die schöne Ordnung, die auf westeuropäischen Wertevorstellungen beruht, wirkt jedoch in der staubigen Hitze der Wüste oder den Tropenwäldern, und häufig in nächster Nähe zu kriegerischen Auseinandersetzungen wie eine Narrenplanung.“ (Manuel Herz)
manuel herz
geb. 1969; Architekturstudium an der RWTH Aachen und an der Architectural Association London; 1995 – 97 Mitarbeit bei Daniel Libeskind; seit 1999 eigenes Büro in Köln; Lehrtätigkeit an der Kungliga Tekniska Högskolan, Stockholm; Bartlett School of Architecture, London (2000 – 02); Berlage Institute, Rotterdam; Harvard Graduate School of Design; ETH Studio Basel; lebt und arbeitet in Basel und Köln
bauten und projekte (Auswahl)
Architekturprojekte in Deutschland und Israel, u. a. 2001 – 03 Erweiterung und Umbau des Städtischen Museums in Ashdod, Israel (gem. mit Eyal Weizman und Rafi Segal); 2003 Wohn- und Geschäftshaus „Legal/Illegal“, Köln (Deutscher Architekturpreis); in Bau: Jüdisches Gemeindezentrum, Mainz (Wettbewerb 1999); zahlreiche architekturtheoretische Texte u. a. zum Verhältnis von Judentum und Raum, zur „Architektur des humanitären Handelns“ bzw. zu den Planungsstrategien von Flüchtlingslagern
Ergänzung der Reihe aut.raumproduktion mit der Ausstellung "Manuel Herz: Flüchtlingslager – Idealstädte in Staub und Schmutz"
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